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Energieproduktion
Deutsche Firmen verdienen an Südafrikas Kohlekraft

In Deutschland aus der Kohle aussteigen und im Ausland in Kraftwerke investieren: Deutsche Firmen sind mit Aufträgen von mehreren Hundert Millionen Euro am Bau neuer Kraftwerke in Südafrika beteiligt. Und nicht nur das. Die Bundesregierung sichert deren Geschäfte mit einer Hermesbürgschaft ab. Umweltaktivisten sprechen von einem schmutzigen Deal.

Von Ralph Weihermann | 23.05.2016
    Ein südafrikanischer Greenpeace-Aktivist hält ein Flagge mit der Aufschrift "Stop Coal" in Händen.
    Südafrika setzt bei der Stromproduktion überwiegend auf Kohle. (picture alliance / dpa / Shayne Robinson)
    "Unsere Kinder spielen hier - und werden alle krank. Wir haben kein sauberes Wasser zum Trinken."
    "Sie sollten auf erneuerbare Energien umsteigen, anstatt uns umzubringen."
    Es stinkt gewaltig in der Provinz Limpopo im Nordosten von Südafrika. Aus riesigen Schornsteinen steigen graue Rauchwolken auf, die Maisfelder sind mit einer Staubschicht überzogen. Eine Kolonne von Lkw donnert über die Straße, sie bringen Rohstoffe für das Kohlekraftwerk Matimba- eines der größten der Welt.
    Nur ein paar Hundert Meter vom Kraftwerk entfernt steht die Siedlung Marapong. Ärmliche Wellblechhütten ohne Wasser und Strom. Die Menschen sind hierher gezogen, um Arbeit zu finden. Aber einen Job in der hoch technisierten Anlage gab es nur für ganz wenige. Dafür leben jetzt alle mit der Belastung durch Feinstaub und Schwefeldioxid. Für die Menschen hier eine Katastrophe, erzählt Francina Nkosi von einer lokalen Hilfsorganisation.
    "Niemand kümmert sich um die Menschen hier- sie leben direkt neben dem Kraftwerk, aber es gibt keinerlei Infrastruktur, niemand unterstützt sie."
    Doch damit nicht genug. Ein paar Kilometer von Marapong entfernt baut der staatliche Stromversorger ESKOM ein neues Kohlekraftwerk - der Name der Anlage: Medupi. Von den sechs Kesseln sind zwei fertiggestellt, Baukräne und Metallgerüste ragen Hunderte Meter weit in den Himmel.
    19 deutsche Firmen am Bau von Kohlekraftwerken in Südafrika beteiligt
    Südafrika setzt bei der Stromproduktion überwiegend auf Kohle - aktuell liegt ihr Anteil bei 96 Prozent. Und das mit deutscher Unterstützung. Laut einer aktuellen Studie sind zurzeit 19 deutsche Firmen am Bau von Kohlekraftwerken in Südafrika beteiligt. Während in Deutschland auf die Energiewende gesetzt wird, beteiligen sich deutsche Konzerne im Ausland an einer umweltschädlichen Energiepolitik, kritisiert Victor Munnik von der Rhodes Universität.
    "Ich denke, es ist total unfair, dass die Deutschen zu Hause aus der Kohlepolitik aussteigen und ihre eigene Umwelt in Ordnung bringen - und hier machen sie genau das Gegenteil. Dieses Kraftwerk wird das schmutzigste in der ganzen Region sein. Mit katastrophalen Folgen für die Umwelt und für die Menschen, die hier leben."
    Der Betrieb von Kohlekraftwerken kostet eine Unmenge an Wasser, einige große Flüsse in der Region sind schon komplett ausgetrocknet. Für die Farmer eine Katastrophe.
    Susan Goosen und ihr Mann stehen mitten im Mokolo-River- auf einer Sandbank. Ihre landwirtschaftlichen Erträge haben sich in den letzten Jahren halbiert, erzählt die Landwirtin.
    "Ich würde denen gerne sagen, Euren Strom könnt Ihr nicht essen- wir brauchen Lebensmittel, und um die herzustellen brauchen wir unser Wasser."
    Fragwürdige Umweltpolitik
    Zumindest die Luftverschmutzung ließe sich für das neue Kraftwerk Medupi noch deutlich reduzieren, wenn entsprechende Filter eingebaut würden. Doch der staatliche Energieversorger Eskom hat eine Ausnahmegenehmigung erwirkt. Er darf die Filter auch nachträglich einbauen - bis 2025. Eine Interviewanfrage bei dem südafrikanischen Konzern bleibt ohne Antwort.
    Trotz dieser fragwürdigen Umweltpolitik sind deutsche Firmen wie Siemens, Bilfinger Berger und andere mit Aufträgen von mehreren Hundert Millionen Euro am Bau der neuen Kraftwerke beteiligt - und nicht nur das. Die Bundesregierung sichert deren Geschäfte mit einer Hermesbürgschaft ab. Geht irgendetwas schief, muss der deutsche Steuerzahler ran. Für Umweltaktivist Matthews Hlabane ein schmutziger Deal:
    "Ich denke, die Deutschen handeln nur im Interesse des Kapitals und nicht im Interesse unseres Landes. Sie haben mit den Konsequenzen nichts zu tun, aber wir leiden unter den Konsequenzen."