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Diversität
Das Problem mit der Hautfarbe in Computerspielen

In immer mehr Computerspielen stehen auch Schwarze Spielcharaktere zur Auswahl. Trotzdem ist die Darstellung von People of Color in Games noch immer kompliziert – denn in der grafischen Darstellung hinken sie ihren weißen Pendants weit hinterher.

von Tim Baumann | 09.04.2021
Kein Computerspiel hat im Vorfeld seiner Veröffentlichung so viel PR-Wirbel um einen Character-Creator gemacht wie Cyberpunk 2077. Hier können die Spieler und Spielerinnen ihre eigene Spielfigur erstellen. In Foren wird nun aber von Hunderten von Gamern moniert, dass es unmöglich sei, eine überzeugende Person of Color zu erstellen. Denn die dunklen Hauttöne haben einen deutlichen Grünschimmer und wirken so eher zombiehaft.
Das Problem tritt in vielen Spielen auf – und mehr: Häufig werden schwarze Spielcharaktere massiv unterbeleuchtet, vor dunklem Hintergrund sind ihre Gesichtszüge oft nicht mehr zu erkennen.

Der "Shader" bestimmt die Hautfarbe im Computerspiel

Die Ursache beider Probleme liegt im Programmcode des Spiels – genauer: Im Shader. Was das ist, kann Tim Scheller erklären. Er macht gerade seinen Master in Gamedesign, arbeitet aber neben dem Studium schon als Programmierer – und sein Fachgebiet ist die realistische Repräsentation von Menschenhaut.
"Man benutzt einen Shader quasi als Beschreibung für die Oberfläche von einem Objekt – also in dem Fall von einem Menschen. Und der Shader soll quasi dafür sorgen, die Haut von dem Menschen so realistisch wie möglich darzustellen und interpretiert quasi Lichtquellen. Also: Lichter, die in der Szene sind, werden von einem Shader reflektiert."
Das Programmieren von sogenannten Skinshadern gilt als besonders herausfordernd:
"Die Eigenschaft von Haut ist nämlich, dass Licht nicht direkt reflektiert wird. Das ist bei Spiegeln der Fall, bei vielen Objekten der Fall, aber bei der Haut ist es tatsächlich so, dass über 90 Prozent des Lichtes in die Haut eindringt und sich dort verteilt und dann wieder aus der Haut austritt und Bereiche in der Haut herum natürlich mit beleuchten."
Das Problem: Unterschiedliche Hauttypen verteilen das aus der Haut herausfließende Licht auf unterschiedliche Weise. Wenn ein Game also nicht für jeden Hauttyp einen eigenen Shader nutzt, führt das zu unrealistischen Lichteffekten auf der Haut. Die Basis für einen neuen Skinshader zu schaffen ist aber mit hohem Arbeitsaufwand verbunden:
"Weil in der Regel werden solche Modellierungen wirklich von Menschen abgenommen – es gibt Scanner, mit denen man messen kann, wie das Licht auf der Haut reflektiert wird."

Wenig Vielfalt bei Haar und Frisuren

Der Prozess ist aufwendig und teuer. Tim Scheller glaubt aber, dass sich der Aufwand lohnen könne, eine größere Menge von Menschen mit unterschiedlichsten Hauttönen zu scannen.
"Der Vorteil daran wäre: Wenn quasi ein Set an Hauttypen generiert worden ist, dann kann dieser Hauttyp in der Theorie wiederverwendet werden." Aber nicht nur die Haut schwarzer Menschen wird in Computerspielen stiefmütterlich behandelt. Ein Beispiel ist das Spiel "Crusader Kings III" - von 35 wählbaren Frisuren sind gerade einmal drei mit krausem Haar verfügbar, das zudem vollkommen unrealistisch aussieht.
Raquel Rossetti ist 3D-Artist und freiberufliche Animatorin für Videospiele. Sie wünscht sich:
"Dass es mehr Auswahlmöglichkeiten gibt, was verschiedene Shades der Haut angeht, also verschiedene Hauttöne, gleichermaßen auch Frisuren – die sehen oftmals sehr generisch aus oder sind doch sehr an das westlich-kaukasische Ideal oder europäische Ideal angelegt, wie es einfach in allen Medien ist. Aber die Vielfalt von auch zum Beispiel krauseren Haaren, von dunklen, von afrikanischen Frisuren – Braids, Afros – wird meistens eher nicht gezeigt."

Ressourcen fehlen, um Hauttöne und Frisuren anzupassen

Wo für dunkle Hauttöne aber gilt, dass sie prinzipiell nicht schwerer herzustellen sind als weiße Haut, liege der Fall bei den Haaren anders, wie sie erklärt:
"Das funktioniert etwas schlechter bei bestimmten afrikanischen Frisuren, sage ich jetzt mal. Gerade große krausige Locken werden sich anders verhalten als langes glattes Haar oder eben auch Braids, die etwas schwerer sind, die sich auch anders bewegen würden. Da müsste man auch die Engine, die Physics eher noch mal tweaken – was natürlich alles Ressourcen, Zeit und Recherche kostet."
Ein Grund für die mangelhafte Darstellung von People of Color in Games ist also, dass zum Beispiel kleinere Studios gar nicht über die Ressourcen verfügen, angepasste Skinshader zu programmieren oder die Physik des Spiels an afrikanische Frisuren anzupassen. Einen anderen sieht Raquel Rossetti darin, dass schwarze Menschen in der Computerspielentwicklung noch immer stark unterrepräsentiert sind:
"Wenn mich etwas nicht betrifft, dann weiß ich natürlich auch nicht, wonach ich suchen soll oder wo ich recherchieren kann – gerade was eben Frisurenvielfalt angeht."
Trotzdem blickt sie mit Optimismus auf die Zukunft der Darstellung von People of Color in Computerspielen. Denn gerade in der Gamesbranche seien viele für Veränderungen aufgeschlossen.
"Ich denke, es ist ein langsamer Weg, aber wir sind auf dem Weg, ja."