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EU-Plan für Energiesicherheit
Unabhängiger werden von Putins Gas

Die EU will sich in Sachen Energie von Russland lösen - allerdings nicht ganz. Denn auch wenn man Gas-Krisen wie in den Jahren 2006 und 2009 verhindern will - auf lange Sicht wird es für Europa völlig unmöglich sein, auf Gaslieferungen aus Russland zu verzichten.

Von Kai Küstner | 16.02.2016
    Die Bohranlage 27 in den Weiten des Urengoj-Gasfeldes nahe der Stadt Nowy Urengoi, aufgenommen am 03.12.2014. Hier fördert das russisch-deutsche Unternehmen Achimgaz aus 4000 Metern Tiefe Gas auch für den europäischen Markt.
    Eine Gasförderanlage nahe der russischen Stadt Nowy Urengoi (picture alliance / dpa / Ulf Mauder)
    Zwei Mal passierte es den Europäern in den letzten zehn Jahren, dass in vielen Haushalten die Heizungen kalt bleiben mussten. Weil aufgrund des Streits zwischen Russland und der Ukraine nicht mehr genug Gas in die EU gepumpt wurde. Das steckt der Kommission noch heute in den Knochen:
    "Wir haben noch gut in Erinnerung die Gas-Krisen in den Jahren 2006 und 2009. Millionen saßen damals in der Kälte. Nie wieder, sagen wir!"
    So ein kämpferischer EU-Energie-Kommissar Canete.
    Brüssel will mehr Einblick in Gasverträge
    Im Verlauf der jüngsten Ukraine-Krise ging Europa auf, wie verwundbar - wenn nicht gar erpressbar - es beim Thema Gas ist. Deutlich mehr als die Hälfte davon wird nämlich importiert. Einige EU-Staaten gar hängen zu hundert Prozent von Russland ab:
    "Wir erkennen an, dass Russland in Sachen Energie ein wichtiger Partner der EU war, ist und bleiben wird," gibt EU-Kommission-Vize Sefcovic offen zu. Aber ein bisschen unabhängiger von Moskau möchten die Europäer doch werden: Sie suchen sich neue Anbieter in der Welt, sie wollen mehr Flüssig-Gas importieren, sie wollen überhaupt Energie einsparen und mehr auf Sonne, Wasser und Wind setzen, auf die ‚grünen Technologien'. Neu an den Kommissions-Plänen ist: kommt es zu Energie-Engpässen, sollen EU-Länder dazu verpflichtet werden, ihren jeweiligen Nachbarn zu helfen:
    "Alle Länder müssen im Krisenfall die Versorgung der Haushalte sicherstellen," erläutert der zuständige Energie-Kommissar. Außerdem wünscht sich Brüssel, tiefere Blicke in Gasverträge werfen zu dürfen, die EU-Staaten oder Firmen mit Russland abschließen:
    "Es geht hier nicht darum, in kommerziellen Deals herumzuschnüffeln. Es geht nicht darum, Preise zu überprüfen oder private Verträge umzuschreiben."
    Verspricht die Kommission. Trotzdem hatten in diesem Bereich einige Mitglieds-Staaten, auch die Deutschen, zuletzt durchaus allergisch reagiert.
    Grüne kritisieren neue Pläne
    Noch nicht gänzlich klar ist zum Beispiel, was die Vorschläge für ein geplante Ostsee-Pipeline-Projekt bedeuten würden: Deutschland plant, eine zweite Röhre für die sogenannte Nord-Stream-Pipeline von Russland nach Mecklenburg-Vorpommern zu verlegen. Darum gibt es in der EU erheblichen Streit: gerade die Süd- und Osteuropäer fürchten: sie selbst oder die Ukraine könnten erheblich ins Hintertreffen geraten in Sachen Gas.
    "Wir haben immer noch keine genauen Informationen. Wir reden mit unseren deutschen Partnern. Und wir werden sicherstellen, dass das EU-Recht vollständig angewendet wird. Was wir brauchen ist eine Lösung, die gut ist für alle EU-Staaten," so Vize Sefcovic. Unübersehbar ist, dass die Europäer mit der Nord-Stream-Röhre sich ganz sicher nicht unabhängiger von Russland machen. Ob aber die Energie-Sicherheit damit verbessert wird, darüber wird offen gestritten. Und dieser Streit wird weitergehen.
    Fest steht: Es wird auch auf lange Sicht Europa völlig unmöglich sein, auf Gaslieferungen aus Russland zu verzichten. Während die Grünen im EU-Parlament nun kritisieren: mit den neuen Plänen rolle die Kommission Gazprom sozusagen den roten Teppich aus, argumentiert Brüssel selbst: ein wenig weniger verwundbar würde Europa damit durchaus.