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"Wir brauchen Zielvereinbarungen anstelle eines Korsetts"

Die Exzellenzinitiative hat viel Schwung in das Wissenschaftssystem gebracht - wie aber kann diese Dynamik erhalten werden? Bis zum Jahr 2017 profitieren die Hochschulen und Forschungseinrichtungen von der dritten Förderetappe - was aber geschieht danach?

Von Jacqueline Boysen | 27.10.2009
    Das Wichtigste, so Karl-Max Einhäupl, Vorstand der Charité in Berlin: Man möge nicht zu den Förderregularien aus der Zeit vor der Exzellenzinitiative zurückkehren:

    "Wir kommen aus einer Universität, die hat nur die Zahlen ihrer Studierenden an das Ministerium berichten müssen und dann hat sie Gled bekommen. Das ist zum Glück vorbei. Das kann´s auch für die Zukunft nicht sein."

    Die Chance für die Universitäten in Deutschland liege in einer stärkeren Differenzierung:

    "Es geht nicht darum, die Exzellenz-Unis, Graduiertenschulen oder Cluster nach vorn zu bringen. Es geht um alle Unis in Deutschland. Hier sollten wir Strategien entwickeln und die können nicht für alle gleich sein. Wir müssen die Frage stellen nach dem Profil der Uni; den Bedingungen, unter denen sie das Beste machen kann."

    Es gelte, den Wettbewerb zu unterstützen, wohlgemerkt: Ohne dass die Exzellenz zu lasten der einer allgemein guten Hochschulausbildung gehen darf, erklärt auch Detlev Ganten, Vorsitzender des Stiftungsrates der Charité:

    "Wir werden Mechanismen der Ungleichheit weiterentwickeln müssen, die es ja auch schon gibt. Es gehen ja 80 Prozent der Mittel an 20 Prozent der Institutionen gegangen. Es kommt auf die Bereitschaft an, wirklich einige als herausragend zu akzeptieren und stolz darauf zu sein."

    In zehn Punkten hat Ganten ein Plädoyer für mehr Dynamik in der Hochschulfinanzierung verfasst. Er empfiehlt ein Weiter-so. Das allein reicht nicht aus - so die Reaktion seiner Wissenschaftlerkollegen. Detlev Löhe, Vizepräsident des Karlsruhe Institute of Technologie kritisiert hybride Organisationsformen und fordert den Abbau bürokratischer Hemmnisse:

    "Wir brauchen Zielvereinbarungen anstelle eines Korsetts aus Vergaberahmen und Kapazitätsverordnungen und unangemessener Tarife. Wir brauchen eine starke Uni-Leitung und eine starke, konstruktive Mitbestimmung. Das sollte zu einem starken Wir-Gefühl führen. Und es muss von einer straken Strategie geleitet werden."

    Der frühere Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Wolf-Michael Catenhusen, benennt die Hauptsorge der Unis: die immer noch nicht behobene Unterfinanzierung:

    "Reformen müssen sich in Zahlen widerspiegeln und mit Ressourcen unterfüttert werden."

    Ohne zusätzliche Mittel wirken Reformen nicht, künftig müssen noch mehr private Quellen angezapft werden, auch da herrscht Einigkeit. Doch selbst eine erfolgreiche Uni wie die TU München hat noch Schwierigkeiten, private Geldquellen anzuzapfen, berichtet TU-Präsident Wolfgang Herrmann:

    "Fundraising in großem Umfang - dazu hat man in Deutschland noch nicht das Bewusstsein, das ist auch bei der Industrie noch nicht im Oberstübchen drin."

    Neben Stiftungen oder neue Stipendienmodelle könne auch eine Umwidmung von Erbschaften treten, so der Bildungsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Ernst Dieter Rossmann:

    "Ich bin nicht sicher, ob wir intellektuell da schon alles ausgereizt haben, was man für Hochschulfinanzierung mobilisieren müsste."

    Diese Überlegungen aber würden den besonderen Bedürfnissen der ostdeutschen Universitäten nicht gerecht. Um der Abwanderung aus den neuen Ländern Einhalt zu gebieten, fordert Eva-Maria Stange, vormalige Wissenschaftsministerin aus Sachsen:

    "Wenn man im internationalen und nationalen Wettbewerb mithalten will, wird es zwingend notwendig, die Grundfinanzierung zu sichern. Das wird nicht allein durch die Hochschulpakte zu realisieren sein."

    In einem waren sich die Diskutanten einig: in jeden Fall brauche es stärkeres Miteinander von Bund und Ländern zu Gunsten von Forschung und Lehre.