Aus den Feuilletons

Pionierinnen der Genforschung

04:21 Minuten
Emmanuelle Charpentier (L) und Jennifer Doudna (R) geben sich die Hand.
Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier (li.) und Biochemikerin Jennifer Doudna (re.) haben den Chemie-Nobelpreis erhalten. Zusammen feiern konnten sie das aufgrund der Corona-Pandemie noch nicht. Das Foto ist von 2015. © imago images/Agencia EFE/J.L. Cereijido
Von Arno Orzessek · 07.10.2020
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Die Entdeckung der beiden sei "zum wichtigsten Werkzeug der Lebenswissenschaften" geworden, schreibt die "FAZ" über Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna. Die Wissenschaftlerinnen erhalten für ihre Erbgutforschung den Nobelpreis für Chemie.
Es wimmelt in den Feuilletons von Nachrufen – auf Eddie van Halen, auf Ruth Klüger, auf Herbert Feuerstein. Zunächst aber: Ehre den Lebenden!
Nämlich der französischen Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier und der US-amerikanischen Biochemikerin Jennifer Doudna, die für die Entwicklung der Genschere Crispr den Nobelpreis für Chemie erhalten.
"Wenn das Wort 'verdient' einen Superlativ hätte, es wäre, wissenschaftlich gesehen, auf die beiden anwendbar", jubeln Hildegard Kaulen und Joachim Müller-Jung in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und konstatieren mit Blick auf die Preisträgerinnen:
"Die Entdeckung der beiden, die historisch gesehen praktisch über Nacht zum wichtigsten Werkzeug der Lebenswissenschaften und damit auch der Medizin und Pflanzenforschung geworden ist, hat die schwierigen Anfänge der Gentechnik vergessen gemacht – bei Forschern wohlgemerkt, bei Biotechnikern und auch bei der Wirtschaft. Die Genschere 'Crispr-' hat buchstäblich alles verändert im Labor.
'Ein elegantes System, den Code des Lebens umzuschreiben', so beschrieb der Generalsekretär der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften, Göran Hansson, das 'schärfste' – weil genaueste – Werkzeug der Gentechniker."
Noch allerdings hat sich der Code des Lebens nicht auf Unsterblichkeit umschreiben lassen. Darum nun zum Tod des Hard-Rock-Gitarristen Eddie von Halen.
"Mit zwölf Jahren, so erzählte er es selbst immer, habe er mit Kippen und Alkohol begonnen. Nun ist er an Kehlkopfkrebs gestorben, der Kettenraucher- und Schnapsalkoholiker-Krankheit. Er wurde 65 Jahre alt", fixiert Jakob Biazza in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG van Halens Todesart – hat aber noch mehr zu sagen, na klar.
"Man höre sich nur das Solo an, das er auf ‚Beat It‘ von Michael Jackson gespielt hat. Alles, was die Gitarre damals konnte, ist in diesen wenigen Takten. Und einiges, was sie so vorher noch nicht konnte. Van Halen hat schließlich diverse Spieltechniken wie das Tapping oder das Sweeping, nein, nicht erfunden, aber zu etwas entwickelt, mit dem man Musik machen kann. Musik! Nicht Show! Er war kein Gniedler um des Gniedelns willen. Hauptsächlich verwendete er die Angeber-Techniken dort, wo er sonst nicht spielen konnte, was er spielen wollte."
Kurzer Blick ins Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache: 'Gniedeln' heißt so viel wie 'schlecht spielen'.

"Image einer verwöhnten Lausebande"

Während Julian Weber in der TAGESZEITUNG unter der Überschrift "Der jaulende Triumphzug durch alle Tonleitern" van Halens "orgiastisches Solieren" feiert, gibt sich Jan Wiele in der FAZ distanzierter.
"Die Band Van Halen gehörte bei ihrem Debüt 1978 schon zur zweiten Rockmusik-Generation. Sie kultivierte, vielleicht auch weil das ganze Genre schon zwischen Punk und Disco zermalmt zu werden drohte, das Image einer verwöhnten Lausebande, die um jeden Preis Schlagzeilen erzeugen will – vielleicht war sie ja auch einfach eine."

Nachrufe auf Herbert Feuerstein und Ruth Klüger

Sehr unterhaltsam ist der sarkastisch-liebevolle Nachruf auf Herbert Feuerstein in der SZ. Unter der Überschrift "Der Größte" halten Alexander Gorkow und Willi Winkler fest: "Am Dienstag ist ein kleiner Gott gestorben", und frotzeln erfreulich boshaft über das Verhältnis zwischen Feuerstein und Harald Schmidt.
In völlig anderen Kreisen hat sich die Schriftstellerin und KZ-Überlebende Ruth Klüger bewegt, Autorin des Buches "weiter leben. Eine Jugend". Laut der Tageszeitung DIE WELT ein "schmales Monumentalwerk über den Hass und die Todesmaschinerie des Nationalsozialismus, ein Buch, das in einer Reihe mit den Werken von Primo Levi und Imre Kertész steht."
Paul Jandl betont: "Provokationen hat die in Sachen Literatur mit ruhiger Hand argumentierende Ruth Klüger nie gescheut. Ob es ihr Ex-Mann war oder der Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld, der ‚weiter leben‘ für nicht literarisch genug hielt, Klüger konnte nachtragend sein, und dass sich im Säurebad ihrer Unerbittlichkeit auch Freundschaften auflösten, musste vor allem einer zur Kenntnis nehmen: Martin Walser." Näheres in der WELT.
Einige kulturell bedeutsame Todesfälle also – doch darunter offenbar kein Covid-19-Fall. Sollte man deshalb in puncto Pandemie optimistisch sein? Nun, unsere Meinung lässt sich mit einem Titel des Berliner TAGESSPIEGEL ausdrücken: "Es wird. Aber nicht gleich."
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