Aus den Feuilletons

Über den guten Humor des Edward Snowden

Edward Snowden bei einer Videokonferenz im Juni 2014.
Hier eher ernst guckend: Edward Snowden bei einer Videokonferenz im Juni 2014. © FREDERICK FLORIN / AFP
Von Tobias Wenzel · 12.10.2014
Während die "taz" mit Friedrich Küppersbusch über Helmut Kohls Belanglosigkeiten redet, bespricht die "SZ" den Dokumentarfilm "Citizenfour", der die Flucht und die Enthüllungen Edward Snowdens nachzeichnet.
"Bundeskanzlerin Merkel könne nicht mit Messer und Gabel essen, soll Helmut Kohl gesagt haben", so spielt die TAZ, mit Verweis auf das von Heribert Schwan veröffentlichte Buch, Friedrich Küppersbusch den Ball zu. "Hier spricht ein Mensch, der die Welt in Untergebene und Feinde teilt", kommentiert Küppersbusch Kohls durch Schwan zitierte Angriffe auf Politikerkollegen und Parteigenossen.
"Bismarck gewinnt in seinen hinterlassenen Briefen, Wilhelm II. steuerte mit seinen Memoiren Belege erschütternder Schäbigkeit bei. Und Kohl kann einem herzlich wumpe sein; er stand halt in der Gegend rum, als der Ball zur Wiedervereinigung vor seinen Fuß plumpste."
Er habe "einen ganz guten Humor", schreibt Peter Richter in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, nicht über Küppersbusch, sondern Edward Snowden. Es sei schwer, "Snowden nicht ins Herz zu schließen", wenn man "Citizenfour", den Dokumentarfilm über die Flucht und die Enthüllungen des Whistleblowers, gesehen habe. Peter Richter war bei der Weltpremiere des Films am Freitagabend in New York und sah eine "noch größere" Sensation als erwartet. Zwar erscheint es dem Kritiker als problematisch, dass Laura Poitras, die Regisseurin der Doku, selbst eine Fluchthelferin Snowdens war und so "pateiisch" ist. Insgesamt ist Richter aber beeindruckt vom Film.
An dessen Ende behauptet der Journalist Glenn Greenwald, auch zum Erstaunen von Snowden, es gebe nun einen zweiten Whistleblower bei der NSA, sogar einen ranghöheren. In den Worten von Peter Richter: "Diesem neuen Whistleblower zufolge stünden inzwischen schon 1,2 Millionen Menschen auf einer geheimen 'Watchlist' der US-Regierung – mit Wissen und auf Befehl von Präsident Obama."
"Jaron Laniers Dankesrede war schlichtweg hinreißend"
Und noch ein US-Amerikaner, der die Schattenseiten der digitalen Welt aufzeigt, findet sich in den Feuilletons vom Montag: Jaron Lanier, der in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegennahm. "Jaron Laniers Dankesrede war schlichtweg hinreißend", findet Joachim Güntner in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG.
Im Zentrum der Rede habe Laniers "Furcht vor der Rudelbildung im Netz" gestanden. Im Internet organisierte Flashmobs hätten zum Beispiel für den Big-Data-Kritiker "nichts Emanzipatorisches": "Schwarm-Intelligenz und Schwarm-Identität betrachtet er als Ausdruck geballter Konformität, Loyalität zum eigenen Clan nicht als Tugend, sondern als Kumpanei."
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird traditionell im Rahmen der Frankfurter Buchmesse verliehen. Diese "weltweit größte Lizenz- und Klagebörse", wie es Volker Breidecker in der SZ formuliert, ist nun zu Ende gegangen. Traditionell habe der Literaturbetrieb wieder viel gejammert, aber sich dieses Mal auch besonders politisch positioniert. So zum Beispiel die deutsch-ukrainische Autorin Katja Petrowskaja und ihre finnische Kollegin Sofi Oksanen gegen die russische Aggression in der Ukraine. Sofi Oksanen hielt die Eröffnungsrede der Buchmesse.
Will man da überhaupt den Buchpreis gewinnen?
"Es war eine starke Rede – was auch Finnen eingestanden, die Sofi Oksanen für politisch naiv oder nassforsch halten", schreibt Andreas Breitenstein in der NZZ. Die Frankfurter Buchmesse sei somit auch eine beeindruckende "Sofi-Oksanen-Show" gewesen.
Der SPIEGEL durfte Lutz Seilers aufgeschlagenen Wochenplaner mit den Buchmesse-Terminen abfotografieren. Seiler, der Gewinner des diesjährigen Deutschen Buchpreises, hatte während der Messe so viele, eng getaktete Termine, "elf Stunden Interviews und Gespräche, sechs Lesungen und vier Empfänge", dass sich mindestens zwei Fragen auftun: Will man da überhaupt noch den Buchpreis gewinnen?
Und: Hat die Jury sich für den schlanken Lutz Seiler entschieden und gegen den nahezu gleichaltrigen, aber deutlich unfitteren Thomas Hettche, aus Angst, Letzterer könne beim Hetzen von einem Interview-Ort zum nächsten einen Herzinfarkt bekommen?