Paris

Duschmobil für Obdachlose

Armut im heutigen London: Ein Obdachloser im Eingang einer Nobel-Boutique.
Ein Obdachloser in London. Auch dort interessiert sich eine Hilfsorganisation für die fahrenden Duschen. © picture alliance / dpa / Soeren Stache
Von Margit Hillmann · 09.08.2014
Weil Duschen in Pariser Obdachlosenheimen oft vor Dreck strotzen und sich Krankheiten verbreiten können, hat der Pariser Verein Mobil'douche einen Campingbus zur fahrenden Nasszelle umgebaut. Damit hat er schon zahllose Clochards beglückt.
"Dignité pour tous!", "Würde für alle!", steht groß auf dem Campingbus. Jean-Pierre, eckige Brille, heller Sommerhut, fährt ihn heute nachmittag durch das 15. Pariser Arrondissement. Er schaut nach, ob hinten im Bus alles bereit ist.
"Die Obdachlosen bekommen bei uns fürs Duschen frische Handtücher und Hygieneartikel wie Zahnbürste, Zahnpasta, Rasierer, Shampoo. Wir haben auch Tampons und Slipeinlagen. Unter den Obdachlosen gibt es ganz schön viele Frauen."
Alles da. Auch die Anzeigen der beiden Wassertanks für die Dusche stehen auf voll. Die knapp zwei Quadratmeter große Duschkabine, mit kleiner Bank und Spiegel fürs Rasieren, ist sauber.
"Wenn sie duschen, schließen wir die Schiebetür. Für 20 bis 30 Minuten gehört der Raum ihnen. Damit sie sich in Ruhe waschen und pflegen können. Wir geben Ihnen auch frische Kleidung. Meistens brauchen sie saubere Socken, Slips und Unterhemden."
Die Mobil'douche hält dort an, wo sie gebraucht wird
Jemand steckt seinen Kopf zur Bustür herein, ein blasses Gesicht: Andrew. Der Engländer ist von "de Paul", einer internationalen Organisation, die sich um Arme und Obdachlose kümmert und in Paris mit Mobil'douche kooperiert. Er hat die Praktikantin Zoé und Tristan dabei. Die drei ehrenamtlichen Helfer begleiten Jean-Pierre. Sie starten Richtung Montparnasse. Einen festen Zeitplan, feste Adressen gibt es nicht. Sie halten dort, wo sie gebraucht werden.
Auf dem breiten Bürgersteig direkt gegenüber vom Krankenhaus Pompidou sitzt ein weißhaariger, übergewichtiger Mann Anfang 60 zwischen seinen Krücken am Boden. Um ihn herum ein Wust von Plastiktüten, leeren Dosen und Lebensmittelverpackungen. Auf einer zerschlissenen Reisetasche thront ein alter Radiowecker. Diesmal will er gerne duschen, sagt der Obdachlose. Die Leute von Mobil'douche haben ihn vor 14 Tagen schon einmal angesprochen.
"Da habe ich Nein gesagt. Aber diesmal mache ich es, das kann nicht schaden! Ich finde, die Sache mit der mobilen Dusche wirklich eine exzellente Idee. Es gibt auch woanders öffentliche Duschen, aber da müsste ich weit gehen. Und was mache ich mit meinen Sachen? Das ist ein echtes Problem. Deswegen geht man da nicht oft hin."
"Die Duschen in den Obdachlosenheimen sind total dreckig"
Andrew und Jean-Pierre helfen dem Mann beim Aufstehen. Seine Hüfte ist kaputt. Deswegen hat er auch eine ganze Plastiktüte voller Medikament. Er zeigt sie, wie einen kostbaren Schatz, bittet Zoé gut auf seine Sachen aufzupassen. Tristan stellt dem Mann einen Stuhl direkt unter die Dusche. Dann schließt er die Schiebetür. Der 24-Jährige ist selbst obdachlos, kennt das harte Leben auf der Straße.
Tristan: "Der Mensch geht auf der Straße schnell zugrunde, gewöhnt sich an Dreck und Elend. Es ist auch schwierig eine Waschgelegenheit zu finden. Außerdem desinfizieren wir nach jeder Dusche. Die Duschen in den Obdachlosenheimen sind total dreckig. Da duschen Leute, die sich manchmal seit Monaten nicht gewaschen, oft Hautkrankheiten, offene Wunden haben. Da wird hinterher nicht sauber gemacht. Da ist das Duschen ganz schön riskant."
Britische Organisation interessiert sich für die Mobil'douche
Andrew streift inzwischen durch die kleine Parkanlage nebenan. Vielleicht sitzen dort Obdachlose, die duschen wollen? Der Engländer hat gute Verbindungen zu Londoner Welfare-Szene. Dort soll auch bald eine Mobil'douche rollen. Sogar ein Verein aus Kalifornien interessiert sich für das Konzept der Mobil'douche. Aber in Frankreich gibt es besonders viel zu tun.
"Vergleicht man es mit London, ist es hier schlimmer. In Paris leben viel mehr Menschen auf der Straße. Das Problem ist besonders sichtbar. Wenn in London ein Obdachloser auf der Straße stirbt, ist das ein Skandal und auf den Titelseiten der Presse. Hier, habe ich nicht den Eindruck, dass die Leute die Situation begreifen."
Kein einziger Obdachloser im Park: Der Hausmeister der angrenzenden Wohnanlage verjagt sie sofort, klärt Jean-Pierre seinen freiwilligen Helfer auf.
"Die Hose passt nicht!", ruft der Obdachlose aus der Duschkabine. Ihm wird eine Größere hereingereicht. Dann, nach gut 30 Minuten, kommt er heraus. Sein Gesicht ist rosig, strahlt. Seine Kleidung ist sauber.
"Das hat mir gutgetan! Am besten kommen sie jetzt alle zwei Tage."
Noch einen Kaffee und ein paar Kekse für den Duschgast, dann schließen sich die Bustüren wieder.
Noch sieben anderen Obdachlosen gibt das Mobil'douche-Team an diesem Nachmittag ein Stück ihrer Würde zurück.
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