Dienstag, 30. April 2024

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Saatguttauschbörse
Hobbygärtner auf Großmutters Spuren

Sie haben Jahrhunderte überdauert, doch jetzt sind sie vom Aussterben bedroht: Das Hochglanz-Hybridgemüse aus dem Supermarkt verdrängt zunehmend alte Sorten aus den Regalen. Die Initiatoren sogenannter Saatguttauschbörsen wollen den Trend stoppen und somit die genetische und geschmackliche Vielfalt retten.

Von Antje Uebel | 09.03.2015
    Saatgut-Tauschbörse im Leihladen "Leila" in Berlin Prenzlauerberg.
    Auf Saatguttauschbörsen haben Hobbygärtner die Chance, neue und alte Gemüsesorten zu entdecken - und dann zu pflanzen. (AFP / Mychele Daniau)
    Die drei kleinen Räume im Lindenhof im sächsischen Auterwitz füllen sich. Um die 20 Kleingärtner drängen sich um die Tische, legen Papiertütchen und Dosen mit Gemüse- und Kräutersamen aus. Eine der Hobbygärtnerinnen ist Anita Steinert aus Lommatzsch.
    "Ich selber habe hier eine rumänische Landgurke mitgebracht, die mir insofern gefallen hat, weil alle Einlegegurken, die wir im Samenangebot in den Katalogen haben, jedes Mal schon im August mit Mehltau belegt sind und kaputt gehen. Und da ist dann nichts mehr groß mit ernten. Und diese rumänische Landsorte hält durch bis Oktober und bietet Unmengen an Ertrag."
    Selbstversorgung statt Einheitsgemüse
    Etwa 20 Samenkörner hat Anita Steinert in ein Frühstückstütchen gepackt. Ausführlich erklärt sie anderen interessierten Gartenfreunden, was sie beachten müssen, wann die beste Zeit zum Aussäen der Gurke ist und wann die Pflanzen dann endgültig nach draußen aufs Beet dürfen. Gurken sind nicht das einzige Gemüse, das Anita Steinert in ihrem Garten anbaut. Auch Tomaten, Kartoffeln, Zucchini und vieles mehr. Von Jugend an kultivierte sie Gemüse und Kräuter, zur Selbstversorgung.
    "Und da habe ich festgestellt, wenn ich immer wieder Pflanzen und Sämereien kaufen müsste, würde ich eine Unmenge an Geld hingeben müssen. Und da habe ich mich erinnert: Die Großmutter hat ja auch nichts anderes gemacht: Der Samen, der gut geworden ist, der wurde weiter vermehrt, der wurde behalten. Und was gut geschmeckt hat. Und in diesem Sinne wollen wir weiter machen und dadurch alte Sorten erhalten."
    Alte Sorten erhalten
    Genau das ist auch das Ziel der Saatguttauschbörse: Alte, bewährte Gemüse-, Kräuter- und Blumensorten sollen bestehen bleiben, erklärt Angelika Ende vom Naturschutzbund, die diese Tauschbörse mit organisiert hat.
    "Und dann geht es auch darum, Sorten zu finden für die Region, die dort gut gedeihen. In den Höhenlagen des Erzgebirges wächst das Gemüse anders als auf dem fetten Lehmboden hier bei uns, und die Erfahrung, die gibt man dann eben mit. Und sagt, kann ich empfehlen, kann ich nicht empfehlen."
    Alte und an die Region angepasste Sorten - die bekommt man kaum im Handel. Dort sind die Regale voll mit Hybridsorten. Diese sind so produziert, dass ihre Kerne und Samen nicht zur Aussaat taugen. Der Gärtner muss deshalb jedes Jahr wieder neuen Samen kaufen. Ein von der Saatgutindustrie gefördertes Prinzip, das auch politisch gestützt wird. So wird das Angebot an unterschiedlichen Pflanzensamen immer weiter ausgedünnt. Eine verheerende Entwicklung, sagt Angelika Ende.
    "Es geht ganz viel genetische Vielfalt verloren, auf die wir vielleicht irgendwann mal zurückgreifen müssen. Weil diese Sorten vielleicht nicht den gewünschten Ertrag bringen oder ganz andere negative Eigenschaften haben oder eben dann ein Total-Ernteausfall passieren kann bei diesen großen Monokulturen. Ich meine, man darf sich das einfach nicht vergeben."
    Tauschen und neu entdecken
    Auch aus diesem Grund ist die Saatgutbörse eine Tauschbörse. Es gibt keinen Verkauf oder Handel. Dabei ist jeder willkommen, auch potenzielle Gärtner, die noch kein Saatgut mitbringen können. Viel wichtiger ist, dass die Geschichten und Besonderheiten zusammen mit dem Saatgut weitergegeben werden.