Der Krise zum Trotz

Von Siegfried Forster · 23.10.2008
Die FIAC, Frankreichs führende Kunstmesse, trotzt der Finanzkrise mit Hilfe brillanter Kunstwerke und kalkuliertem Risiko. 189 Galerien und Sammler aus aller Welt treffen sich im Pariser Grand Palais und im Louvre-Innenhof.
"Good boy, bad boy" - Bruce Naumans berühmte Video-Installation wird auf der FIAC von der New Yorker Galeristin Angela Westwater für 650.000 Dollar feilgeboten. Aber so weit das Auge reicht, scheint es auf der Kunstmesse nur gute Jungs zu geben. Niemand will hier in Paris etwas mit der Krise zu tun haben. Manche beschwören - wie einst bei der Tschernobylwolke - diesmal die geplatzte Finanzblase, doch bitte schön an der französischen Grenze halt zu machen.

FIAC-Chef Martin Bethenod erklärt den Unterschied zwischen Finanz- und Kunstmarkt damit, dass es auf der einen Seite Spekulanten und Investoren, auf der anderen Seite hingegen vor allem Liebhaber gebe:

"Es gibt einen allgemeinen Kontext und es gibt je nach Kunstszene und Schauplätzen unterschiedliche Realitäten. Wir wissen, dass in Frankreich der Markt eher breiter und vielfältiger ist als in angelsächsischen Ländern. Hier basiert der Markt weniger auf der Finanzwelt oder den Börsenkursen. Mehr auf Netzwerken von Sammlern. In Frankreich gibt es auch tendenziell weniger starke Modeeffekte zu beobachten als auf anderen Kunstmärkten. All das verleiht Paris im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld eher eine interessante Position."

Der französische Nachrichtensender bleibt auf der FIAC rund um die Uhr eingeschaltet. Der Informationsschwall ist der einzige Überlebende eines Autowracks, das seine Eingeweide in Form von zerfetzten Kabeln, Blechknäueln, Plastikteilen, Drähten zur Schau stellt. Für Gregor Muir, Direktor der Londoner Galery Hauser & Wirth, eine 200.000 Euro teure Parabel unserer heutigen Welt:

"Ein explodiertes Auto. Eine deutliche Erinnerung daran, was derzeit in der Welt abgeht und wie eine Art von Selbstmord aussieht. Christoph Büchel hat ein normales Auto genommen, Sprengsätze platziert und es explodieren lassen. Das zerfetzte Auto dreht sich auf einem Drehgestell wie in einem Showroom eines Autoverkäufers."

Daniel Lechner von der New Yorker Cheim and Read-Galery hat im vergangenen in Paris Meisterwerke von Joan Mitchell für mehrere Millionen an den Mann gebracht und hofft diesmal einen Abnehmer für die "Drei Grazien" von Louise Bourgeois aus dem Jahr 1947 zu finden. Kostenpunkt: 1,5 Millionen Euro.

"Wir verändern ja nicht unser Verhalten als Galeristen, nur weil sich der Markt verändert. Wir haben seit zwölf Jahren eine Galerie, die mit Künstlern wie Louise Bourgeois und Joan Mitchell und vielen anderen hochwertigen Künstlern Arbeiten und ein Arbeiten vertritt, was nicht unbedingt so den Markttendenzen ausgesetzt ist wie vielleicht andere jüngere Kunst, die in letzter Zeit etwas hochgeputscht worden ist. Wo sich jetzt eine Gesundung des Marktes einstellt. Wir machen uns da nicht so viele Sorgen."

Bei Malachi Farrells "Bomben-Urlaub" unterhalten sich zwei Raketensprengköpfe im Liegestuhl unter einem Militärsonnenschirm über die Repräsentation innerhalb der Kunst. Mit 30.000 Euro relativ preiswerte, aber offenbar schwer verdauliche Kost, wie das Rülpsen im Hintergrund erahnen lässt.

Florian Baron von der Galerie Christian Nagel hat in Amerika kalte Füße bekommen und sucht nun in Paris sein finanzielles Heil. Auf seinem Stand erwarten uns eine minimalistische Klorollen-Skulptur für 22.000 Euro und ein Meer aus leeren Bierdosen aus der Pariser Banlieue - fünf Meter Durchmesser für 40.000 Euro. Das letzte Wort hat auf der FIAC aber ein interaktiver Papagei der Israelin Mira Segal, die sich von der Mathematikerin zur Künstlerin mauserte. Auf der Fiac beantwortet das 25.000 Euro teure auf der Leinwand lebende Federvieh Fragen kostenlos. Die Antworten sind so rätselhaft wie die Zukunft des Kunstmarktes.