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"Vorrang sollte Deutschland haben"

"Was wir brauchen sind mehr erfolgreiche türkische Schüler und nicht türkische Schulen", sagt Bülent Arslan, Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in Nordrhein-Westfalen. Er hält eine Anbindung, die stärker in Richtung Deutschland geht, für wichtig.

Bülent Arslan im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 29.03.2010
    Dirk-Oliver Heckmann: Schon vor rund zwei Jahren hatte der türkische Ministerpräsident Erdogan für heftige Diskussionen gesorgt. Der Grund: Bei seinem Deutschlandbesuch hatte er die Einrichtung von türkischen Schulen und Universitäten in Deutschland gefordert. Bei einem Auftritt in der Köln-Arena nannte er vor dem Hintergrund der Integrationsdebatte in Deutschland Assimilation darüber hinaus ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Kurz vor der Türkeireise von Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederholte Erdogan in einem Interview seine Forderung nach Einrichtung türkischer Gymnasien, eine Idee allerdings, die nicht zuletzt von der Kanzlerin rundweg abgelehnt wird. Auch die EU-Beitrittsverhandlungen werden ein Thema sein. Die CDU lehnt eine Vollmitgliedschaft bekanntlich ab, wie Ruprecht Polenz, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, heute Früh im Deutschlandfunk noch einmal bekräftigte.

    O-Ton Ruprecht Polenz: Niemand kann vorhersagen, ob die Türkei es tatsächlich schafft, die Kopenhagener Beitrittskriterien nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der gelebten Praxis voll zu erfüllen, und es geht natürlich auch um die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union im Hinblick auf ein so großes Land.

    Heckmann: So weit also Ruprecht Polenz. Am Vormittag ist Angela Merkel in Ankara eingetroffen, wo sie mit Ministerpräsident Erdogan und Präsident Gül zusammentrifft. Am Telefon begrüße ich Bülent Arslan, den Vorsitzenden des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in Nordrhein-Westfalen. Guten Tag, Herr Arslan.

    Bülent Arslan: Guten Tag!

    Heckmann: Ich hatte gerade in der Anmoderation schon den Vorstoß des türkischen Ministerpräsidenten zur Einrichtung türkischer Gymnasien in Deutschland erwähnt. Hierzulande ist dieser Vorstoß teils mit Empörung aufgenommen worden. Zurecht aus Ihrer Sicht?

    Arslan: Ich denke, zurecht. Ich halte auch nichts von dem Vorschlag. Was wichtig ist, dass wir hier in Deutschland Türkisch-Kenntnisse verbessern müssen, dass wir dafür sorgen müssen, dass beispielsweise auch das Wissen über die türkische Kultur verstärkt wird. Aber das muss in den deutschen Schulen geschehen. Was wir brauchen sind mehr erfolgreiche türkische Schüler und nicht türkische Schulen.

    Heckmann: Aber er argumentiert ja auch, in der Türkei gebe es deutsche Schulen. Was also ist dagegen einzuwenden, wenn Migranten die Sprache ihrer Herkunft lernen?

    Arslan: Das ist richtig, wobei in der Türkei besuchen diese Schulen türkische Schüler. Wenn wir in Deutschland Schulen besuchen würden für die Zielgruppe der deutschen Kinder, wo man also sagt, wir wollen für einen Teil der deutschen Kinder Türkisch-Kenntnisse beibringen, hätte ich da nichts einzuwenden. Allerdings würde die Praxis ja so aussehen, dass in Deutschland hauptsächlich türkische Kinder diese türkischen Schulen besuchen würden, und das wäre für das Zusammenleben in Deutschland mit Sicherheit nicht förderlich. Noch mal: wir müssen dafür sorgen, dass diese Kinder im deutschen Schulsystem viel erfolgreicher werden als heute.

    Heckmann: Die Türken in Deutschland sollten zunächst ihre Muttersprache lernen, so argumentierte Erdogan auch. Was sagt das über dessen Selbstverständnis?

    Arslan: Es sagt natürlich für sein Selbstverständnis, dass er ein Interesse daran hat, die Anbindung, auch die politische und emotionale Anbindung der in Deutschland lebenden Türken an die Türkei möglichst lange aufrecht zu erhalten. Das ist aus seiner Sicht auch, denke ich, normal, dass er das so sieht. Nur wir als Türken und Deutsche, die in Deutschland leben, sollten ein anderes Interesse haben. Ich denke, dass es für uns sehr wichtig ist, diese Anbindung stärker in Richtung Deutschland zu gewährleisten. Natürlich wird die Türkei für uns türkischstämmige in Deutschland nicht irgendein Land sein, aber ich denke, Vorrang sollte hierbei Deutschland haben und so sollte auch die deutsche Bundesregierung ihre Politik aufbauen.

    Heckmann: Erdogan ließ sich mit den Worten zitieren, die Zurückweisung seiner Idee durch Angela Merkel hätte er nie von ihr erwartet und das werde er sie auch wissen lassen bei ihrem Besuch in der Türkei, und er fragte auch, die Türkei denn ein Prügelknabe sei. Ist sie das?

    Arslan: Nein, das ist die Türkei nicht. Das ist ein bisschen viel von Tayyip Erdogan, dass er sehr stark so ein bisschen auf die emotionale Drüse drückt. Das sollte man meines Erachtens nicht tun. Was hier noch mal ganz deutlich wird: wenn Deutschland und die Türkei Gespräche führen, dann wird nicht nur Außenpolitik betrieben, sondern es wird gerade in den letzten Jahren auch zunehmend in beiden Ländern Innenpolitik betrieben. Erdogan steht ein bisschen unter Druck, auch zum Beispiel wegen der deutsch-türkischen Universität, und versucht, ein bisschen abzulenken. Ich glaube auch, vor dem Hintergrund muss man das ganze bewerten. Allerdings tut das ganze nicht sehr gut dem deutsch-türkischen Zusammenleben auch hier in Deutschland.

    Heckmann: Ihre Partei, die CDU, Herr Arslan, ist ja gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei und für eine privilegierte Partnerschaft in der EU. Weshalb wäre das die bessere Alternative?

    Arslan: Ich habe da eine andere Auffassung als die Mehrheit meiner Partei. Ich bin der Auffassung, dass man Gespräche, Beitrittsverhandlungen führen sollte, allerdings eben ergebnisoffen. Man sollte sich 10, vielleicht 15 Jahre Zeit nehmen und am Ende dieses Prozesses sollte man aus meiner Sicht schauen, ob die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei so weit sind, dass man über eine Vollmitgliedschaft reden kann, oder ob vielleicht am Ende nicht doch eine privilegierte Partnerschaft herauskommt. Die Mehrheit meiner Partei sieht das anders. Sie wollen lieber jetzt schon definieren, dass es eine privilegierte Partnerschaft sein soll. Ich sehe das anders und würde lieber sagen, lasst uns ergebnisoffen verhandeln und der Prozess wird dann schauen, was am Ende herauskommt.

    Heckmann: Inwieweit ist die Ablehnung dieser Vollmitgliedschaft ein Hemmschuh für die Integration der in Deutschland lebenden Türken?

    Arslan: Diese vehemente Ablehnung ist aus meiner Sicht schon ein Hemmschuh, weil natürlich gerade auch in Deutschland lebende Türken diese Frage der EU-Mitgliedschaft so ein bisschen auch stellvertretend dafür sehen, ob sie in Deutschland oder in der EU willkommen sind. Viele Türken bewerten das ähnlich wie Tayyip Erdogan sehr emotional, und das darf man nicht verkennen. Das ist für die Atmosphäre und das Selbstverständnis der Menschen sehr wichtig. Erst wenn sie sich vom Gefühl her auch in Deutschland willkommen fühlen, werden sie sich auch viel stärker mit Deutschland identifizieren, und nur so kann auch wahre Integration gelingen.

    Heckmann: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat am Wochenende ein Wahlrecht für Zuwanderer gefordert, auch auf Landes- und Bundesebene. Ist das eine Forderung, der Sie sich anschließen könnten, oder handelt es sich dabei aus Ihrer Sicht um ein wahltaktisches Manöver?

    Arslan: Das ist wie immer auch jetzt wieder ein wahltaktisches Manöver. Immer wenn die SPD in der Opposition ist, kommt sie mit solchen Forderungen. In Regierungszeiten kommt sie komischerweise nie damit. Ich glaube, das muss man ganz klar sehen: das ist wirklich hier nur Wahltaktik. Ich bin für die Einbürgerung. Ich bin dafür, dass wir möglichst die Einbürgerung fördern, so dass Menschen auch darüber das volle Wahlrecht und die volle politische Partizipation erlangen.

    Heckmann: Zum deutsch-türkischen Verhältnis und Fragen der Integration war das Bülent Arslan, der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in Nordrhein-Westfalen. Besten Dank für das Gespräch.