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Fitschen: "Null Toleranz" für Steuerhinterzieher

Steuerhinterziehung sei nicht akzeptabel, sagt Jürgen Fitschen, Co-Vorstandschef der Deutschen Bank. Indes könne nicht jedes Vermögen im Ausland in die Nähe von Steuerhinterziehung gerückt werden. Einer Prüfung der Offshore-Geschäfte deutscher Banken sieht Fitschen gelassen entgegen: "Wir haben nichts zu verbergen."

Jürgen Fitschen im Gespräch mit Klemens Kindermann | 28.04.2013
    Klemens Kindermann: Herr Fitschen, Sie haben vor zwei Wochen Ihr neues Amt als Präsident des Bankenverbandes angetreten. Was haben Sie sich denn vorgenommen in diesem Amt, um das Image der Banken zu verbessern?

    Jürgen Fitschen: Nun, ich habe als Erstes mit dem Führungsgremium im Bankenverband vereinbart, dass wir uns zu einem Brainstorming – so nennen wir das heute – zusammensetzen, damit ich auch ihre Sicht der Dinge etwas besser noch aufnehmen kann. Und dann werden wir gemeinsam mit den Kollegen im Vorstand noch mal präzise uns äußern zu dem, was wir ganz genau in Angriff nehmen werden.
    Es ist kein Geheimnis, dass der Ruf der Banken nicht auf einem Stand ist, der uns Freude macht. Einige der Gründe dafür sind uns hinreichend bekannt, aber wir sollten das, da der Verband ja durchaus heterogene Mitgliederinteressen vertreten muss, also das gemeinsam auf einen Nenner zu bringen, der uns dann erlaubt, gemeinsam in eine Richtung zu ziehen. Für einzelne Häuser mögen dann noch individuelle Themen hinzukommen, aber ich bin zuversichtlich, dass es gelingt, die Banken insgesamt dorthin zurückzubringen, wo sie hingehören – ich habe das immer etwas salopp formuliert: in die Mitte der Gesellschaft, weil wir im Grunde genommen mit alldem, was wir tun, immer wieder gefordert sind, Brücken zu bauen zwischen denjenigen, die Geld sparen, andere, die Kredite benötigen. Und so kann man das für viele Dienstleistungen sehr einfach darstellen. Insofern bin ich bei diesem Anspruch, vom Rande wegzukommen in die Mitte und so respektiert zu werden, dass wir mit dem nötigen Vertrauen unsere Dienstleistungen für die Gesellschaft am besten verrichten können.

    Kindermann: Sie hatten ja die Ehre, dass die Bundeskanzlerin bei Ihrer Amtseinführung dabei war. Und sie hat gesagt, dass die Banken das Vertrauen immer noch nicht zurückgewonnen hätten seit der Finanzkrise. Eigentlich war ja seitdem Zeit genug. Wieso ist das nicht gelungen, warum dauert das so lange?

    Fitschen: Es war in der Tat eine Ehre, dass sie zu uns gekommen ist. Und sie hat auch gute Worte gefunden für die Rolle der Banken in unserer Gesellschaft. Sie hat völlig recht mit ihrer Aussage, dass das Vertrauen noch nicht wieder zurückgekehrt ist. Ich persönlich habe keine Illusionen, dass das auch in unmittelbarer Zukunft zu erreichen ist.

    Man verspielt das Vertrauen fast über Nacht, man gewinnt es nur mit sehr viel Mühen über sehr viel längere Zeiträume zurück. Es sind auch viele Vorurteile mit im Spiel. Insofern ist das nicht nur ein Thema, was die Banken für sich selbst lösen können. Wir sprechen hier auch über die gesellschaftliche Wahrnehmung des Bankensektors, und da habe ich gerade in jüngerer Zeit einige Aussagen vernehmen können aus Büchern, aus Vorträgen, die mich bewogen haben, das Thema vielleicht noch etwas grundsätzlicher anzugehen. Denn es ist ja kein neues Phänomen, sondern es scheint so zu sein, als sei es eins im Kern über Jahrhunderte.

    Kindermann: Da könnte man ja das Bild des ehrbaren Kaufmanns bemühen. Sie kommen aus Norddeutschland, da ist das ja noch ein Begriff. Müsste man da nicht eine Kultur der ehrbaren Bankkaufleute etablieren?

    Fitschen: Das ist ein Teil davon. In Frankfurt ist eine Ausstellung eröffnet worden: "Juden und Geld". Und auch da war das Thema die Rolle des Bankiers im Mittelpunkt. Und das war eine dieser Gegebenheiten, die ich gehabt habe, die eigentlich das Thema viel breiter im Raum stehen lassen, als man es im ersten Augenblick gewohnt ist. Wir machen es fest an den jüngsten Verhalten der Banken, wo man sagt, die Banken haben nicht mehr den Anforderungen der Gesellschaft gedient, sondern haben für sich selbst gearbeitet, unbeschädigt dessen, was die Kunden von ihnen erwartet haben. Das ist ein sehr neues, junges Phänomen. Aber die eigentliche Rolle, die Banken in unserer Gesellschaft wahrgenommen haben, die kann man auch in einem viel breiteren Rahmen diskutieren. Und vielleicht müssen wir das einmal tun, damit wir mit Vorurteilen aufräumen, besseres Verständnis haben für das, was wir leisten können, aber auch für das, was die Banken nicht leisten können. Denn es ist heute sehr einfach, Banken für fast alles verantwortlich zu machen, was nicht richtig funktioniert.

    Kindermann: Kommen wir mal vom Großen und Ganzen dann zum Konkreten. Diese Woche reden wir sehr viel über das Thema "Steuerhinterziehung". Wenn es da zu Enthüllungen kommt, dann fallen auch Namen von Banken, die Konten von Steuerhinterziehern geführt haben. In der Öffentlichkeit kann da der Eindruck entstehen, dass das eine oder andere Geldinstitut da behilflich war. Wie schädlich ist das, wie können sich die Banken gegen dieses Imageproblem wehren?

    Fitschen: Steuerhinterziehung ist ein kriminelles Delikt. Und das sagt eigentlich alles. Es gehört sich nicht, es ist nicht akzeptabel. Eine Bank, die das unterstützt, die ich nicht kenne, die verwirkt die Berechtigung teilzunehmen. Was wir unterscheiden müssen, ist die Möglichkeit, im Ausland Konten zu unterhalten, Vermögen verwalten zu lassen, ohne dass das gleich in die Nähe von Steueroasen und Steuerhinterziehung gerückt wird. Das scheint mir ein bisschen unterzugehen, denn die Existenz von Banken in sogenannten Steueroasen per se ist noch kein kriminelles Delikt, auch nicht, dass dort Kunden aus Deutschland beispielsweise Vermögen hinterlegen – solange sie es versteuern.

    Kindermann: Können Sie denn ausschließen, dass Ihr Haus bei Steuerhinterziehung behilflich war?

    Fitschen: Das möchte ich so sagen, kann ich für alle Kollegen die Hand ins Feuer legen, auch das möchte ich gerne tun. Wenn es einen Kollegen gibt, der sich nicht an die etablierten Regeln hält, dann gehört er nicht zu uns und wird dafür entsprechend bestraft.

    Kindermann: Wobei – Ihr Haus hat ja auch mit Vorwürfen zu kämpfen – sagen wir mal –, bei Steuersparmodellen aktiv geholfen zu haben. In den USA verlangen jetzt ehemalige Kunden von Ihnen, dass entsprechende Verfahren wieder aufgenommen werden. Eigentlich hatten Sie das 2010 mit einer Strafzahlung, das war so etwa eine halbe Milliarde Euro, abgewendet. Droht da neuer Ärger für Sie?

    Fitschen: Das hoffe ich nicht, denn was Sie gesagt haben, ist korrekt. Für uns war dieser Prozess abgeschlossen. Und wir haben Nulltoleranz, das wissen alle Kollegen, die in diesen Bereichen tätig sind. Ich glaube, dass wir sehr restriktive Maßnahmen etabliert haben, die allen Kollegen bekannt sind, die wir auch den Kunden mitteilen. Und sobald es auch nur den geringsten Hinweis gibt, dass ein Kunde - durchaus legitim - Vermögen von unserem Haus im Ausland verwalten lassen möchte, dass wir aber Hinweise haben, dass es sich hier möglicherweise um nicht versteuerte Gelder handelt, dann sprechen wir den Kunden darauf an und legen Wert darauf, dass hier der Nachweis geliefert wird, dass es alles sich nur um versteuertes Geld handelt.

    Kindermann: Also wenn die Finanzaufsicht Bafin sich, wie ja angekündigt, jetzt die Offshoregeschäfte der deutschen Banken genauer ansieht: Ist das aus Ihrer Sicht richtig? Und Sie unterstützen die Aufsicht bei dieser Arbeit?

    Fitschen: Wir haben nichts zu verbergen, wie auch in anderen Punkten. Und ich bin zuversichtlich, dass es auch hier zu einem dann guten Ergebnis führt.

    Kindermann: Zum Thema "Vertrauen in die Banken". Jetzt soll es ja den Sparern an den Kragen gehen, die mehr als 100.000 Euro auf dem Konto haben. Ist das denn eigentlich gerecht, dass jetzt auf einmal die Sparer haften sollen, wenn die Geldinstitute in Schieflage geraten?

    Fitschen: Also, es ist erstens nicht gerecht und zweitens nach meiner Einschätzung auch nicht so gewünscht. Sie kommen vielleicht mit der jüngsten Erfahrung von Zypern zu dieser Einschätzung. Das, was in der Diskussion um die Rettung von Zypern verlautbart wurde, das ist sehr bedauerlich. Es war politisch absolut falsch, überhaupt nur den Verdacht in den Raum zu setzen, dass Sparer in dem Maße, wie es dort angedacht war, zur Kasse gebeten wurden. Das darf man nicht tun. Es gibt Mindestschutzeinrichtungen und in Deutschland sogar etwas, was darüber hinaus geht, also die freiwillige Versicherung der Einlagen. Das ist ein gutes Instrument, das steht nicht zur Diskussion.

    Kindermann: Aus Sicht mancher deutscher Sparer sind da einseitig Regeln verändert worden, oder? Wenn man seine Geldeinlage gemacht hat, war man ja nicht davon ausgegangen, dass die in irgendeiner Weise mal - über 100.000 Euro - herangezogen wird.

    Fitschen: Man hat es versucht, jetzt soll man das zypriotische Beispiel nicht zu sehr betonen. Es war etwas, was man hätte besser machen sollen. Die Frage, die eigentlich im Raum steht, ist, welche Gläubiger in welcher Form in Zukunft dazu beitragen sollen, dass Banken gerettet werden können, ohne, dass eben, wie das in der Krisenbewältigung der Fall war, der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Und das ist ein Unterfangen, was wir unterstützen, denn im Stichwort "Bail-in" gibt es verschiedene Ansätze, zu sagen, dass nach den Aktionären – die immer als Erste – das ist das Wesen des Eigenkapitals – dann für das Fehlverhalten geradestehen müssen, auch andere Gläubiger einen Beitrag leisten müssen, um letztlich sicherstellen zu können, dass eine Bankenkrise in Zukunft nie wieder den Steuerzahler zum Plan ruft.

    Kindermann: Ja, eigentlich ist es ja eine klare Sache. Wenn ich mein Geld arbeiten lasse, es jemandem anvertraue, dann Zinsen erwarte, dann gehe ich auch immer ins Risiko. Aber die Sparer, die sind ja nicht Aktionäre und keine Anleihenbesitzer. Kann man denn von einem Sparer wirklich verlangen, dass er seine Bank so einschätzen kann, dass er auch das Risiko beurteilen kann?

    Fitschen: Na ja, wenn eine isländische Bank nach Deutschland kommt und der Sparer bekommt wesentlich mehr Zinsen als von seiner Sparkasse, Volksbank oder der Deutschen Bank, dann hat er seine Gründe. Es ist völlig legitim, dass er das tut. Aber in dem Augenblick sollte er sich schon fragen, ob nicht damit vielleicht auch ein anderes Risikoprofil des Instituts verbunden sein muss, denn wie könnte man sonst höhere Zinsen auf die Einlagen gewähren. Im Falle Zyperns war es ganz offenkundig, dass die Einleger einen sehr viel höheren Zins bekamen, als das beispielsweise bei den Banken in den übrigen Staaten in Europa der Fall gewesen ist. Auch dafür gab es eine Begründung: Diese Banken hatten einen sehr hohen Bestand an Anleihen des griechischen Staates.

    Kindermann: Deutschland hat ja einen sehr großzügigen Schutz für Sparer, die Einlagensicherung geht weit über das gesetzlich Gebotene hinaus. Jetzt kommen andere Staaten in Europa auf die Idee, die zurückgelegten Mittel sozusagen zu vergemeinschaften, eine europäische Einlagensicherung zu schaffen. Was halten Sie denn davon?

    Fitschen: Eine nicht ganz einfache Situation, denn auf der einen Seite haben wir den Wunsch, innerhalb dessen, was wir als Bankenunion jetzt im Raum stehen haben, durchaus eine Vereinheitlichung auch auf europäischer Ebene herbeizuführen als Teil einer Stabilisierung des europäischen Bankenmarktes. Aus der Perspektive bin ich voll dafür, dass man so etwas tut. Das ist mittelfristig etwas, was notwendig ist, damit wir Europa insgesamt auf eine stabilere Basis stellen. Das, was primär aus dem Bereich der Sparkassen jetzt an Kritik geäußert wird, ist ein Hinweis, den wir nicht einfach unter den Tisch kehren dürfen. Das heißt, wir haben ein sehr gutes und ein effizientes Einlagensicherungssystem in Deutschland. In den übrigen Ländern hat man zu wenig getan. Und der Verdacht ist jetzt, dass wir möglicherweise Banken innerhalb Europas retten unter Zugriff auf die Mittel, die in den deutschen Einlagensicherungsfonds bestehen.

    Kindermann: Ja, müssen Sie sich als Bankenpräsident nicht auf die Seite der Sparkassen stellen?

    Fitschen: Nein, ich stelle mich auf die Seite derjenigen, die versuchen, eine Lösung zu finden, diesen Bedenken der Sparkassen auch unseres Verbandes gerecht zu werden, aber gleichzeitig der europäischen Sache damit nicht im Wege stehen wollen. Und deswegen muss man hier einen Kompromiss finden, wo beiden Seiten und ihren Interessen Rechnung getragen wird.

    Kindermann: Der Bundesbankpräsident Jens Weidmann lehnt diesen europäischen Einlagensicherungsfonds ab.

    Fitschen: Ich weiß nicht, ob er ihn grundsätzlich ablehnt oder ob er ihn ablehnt in dem Bewusstsein, dass es jetzt über Nacht passieren soll. Ich habe ja gesagt, wenn das morgen kommen sollte, bin ich auch nicht dafür, weil ich nicht erkennen kann, wie die anderen Länder in der Lage wären, so viel Reserven beizufügen, dass dieser Verdacht aus deutscher Sicht entkräftet ist.

    Kindermann: Diese Woche war ja der deutsche Sparkassentag. Da hat der Kanzlerkandidat der SPD Peer Steinbrück den Zinsvorteil der Deutschen Bank kritisiert. Der komme dadurch zustande, dass die Bank systemrelevant sei, also eine implizite Staatsgarantie habe. Und das sollen 1,5 bis zwei Milliarden Euro im Jahr sein – Zinsvorteil für die Deutsche Bank. Stimmt das?

    Fitschen: Ach, ich weiß nicht, wie er zu der Rechnung gekommen ist, er hat die die Zahlen nicht unterbreitet, wäre ja interessant zu wissen, wie das dann im Einzelnen aussieht. Es ist überhaupt keine Frage, dass wir glücklich darüber sind, in Deutschland unsere Heimatbasis zu haben. Das gilt allerdings auch für alle andern Unternehmen, "Made in Germany" ist überall hoch im Kurs. Und deswegen muss man sich noch lange nicht grämen.
    Was hier eigentlich im Raum steht, ist doch die Aussage, dass eine Bank, die so groß ist wie die Deutsche Bank und mit der globalen Bedeutung noch ein zusätzliches Argument dafür liefert, dass sie auf jeden Fall unter allen Umständen überleben muss, dass dies dazu führt, dass der Staat erpressbar ist. Das ist immer der Hinweis, der dahinter steht. Das müssen wir entkräften, indem wir sagen: Es gibt eine Eigenkapitalausstattung der Bank, es gibt ein Abwicklungsregime, was die Regulatoren akzeptieren, dass dazu führt, dass dieser Verdacht entkräftet wird.

    Kindermann: Herr Fitschen, wir haben seit dieser Woche eine heftige Diskussion um den Sparkurs in Europa. Die strikte Sparpolitik habe ihre Grenzen erreicht, sagt der Präsident der EU-Kommission, Barroso. Hat er recht?

    Fitschen: Es wäre schön, wenn man die Frage mit Ja oder Nein beantworten könnte. Die Antwort ist etwas komplizierter und wird auch für jedes Land differenzierter ausfallen müssen. Etwas, was leider in der Diskussion immer wieder zu kurz kommt. Eines geht nicht, dass man glaubt, mit immer mehr billigem Geld die Lösung, die nachhaltige Lösung zu finden.

    Kindermann: Die Politik der EZB ist falsch?

    Fitschen: Die EZB-Politik hat uns Zeit gegeben. Sie hat nicht die Lösung des Problems herbeigeführt. Darüber muss man sich im Klaren sein. Die Zeit muss jetzt nur genutzt werden. Leider müssen wir feststellen, dass wir nicht nur die Nachhaltigkeit des Wachstums aufgrund struktureller Verbesserungen herbeiführen müssen, wir müssen auch dafür sorgen, dass die ja durchaus schmerzhaften Anpassungsmaßnahmen, die ja in den peripheren Ländern schon in Angriff genommen worden sind, dass sie in einem Maße stattfinden müssen, was auch politisch bei der Bevölkerung akzeptiert wird.

    Kindermann: Der Bundesfinanzminister Herr Schäuble hat im Deutschlandfunk am Donnerstag in dieser Woche gesagt, das Problem des Wachstums ist nicht dadurch zu lösen, dass man Deutschland so schwach macht wie die anderen Staaten. Ist das richtig?

    Fitschen: Dem kann ich vorbehaltlos zustimmen. Allerdings muss auch hier gleichzeitig dann ein anderes Thema angeschlossen werden an eine solche Aussage. Wenn man dem zustimmt, was er gesagt hat, dann muss die Antwort gegeben werden auf die Kernfrage, wie können wir die Konvergenz in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen europäischen Staaten garantieren, denn ein Auseinanderklaffen, wie wir es in der hinter uns liegenden Zeit gesehen haben, führt zu Verwerfungen und der Frage, wie wir dann unter einem einheitlichen Währungsschirm mit einer einheitlichen Geldpolitik miteinander umgehen wollen.

    Kindermann: Herr Fitschen, jetzt ist ja bald Bundestagswahl. Die Banken werden im Wahlkampf aller Voraussicht nach ein wichtiges Thema sein in vielfacher Weise. Haben Sie Sorge, dass die Banken da etwas unter die Räder geraten in den nächsten Monaten?

    Fitschen: Ich bin sehr zuversichtlich zu sagen, dass es so sein wird. Und bedauere das außerordentlich. Wir versuchen darauf hinzuweisen, dass es nicht zielführend ist, wenn man jetzt die Banken zum Gegenstand eines Wahlkampfes macht, denn die Themen, die hier anstehen, die gehen uns alle an und viele haben an der Situation, wie sie entstanden ist, durchaus eine gewisse Mitschuld zu tragen, ohne dass wir damit fehlerhaftes Verhalten bei den Banken entschuldigen wollen. Und insofern glaube ich nicht, dass das Bankenthema sich einnimmt. Aber ich weiß, dass es ein sehr populäres Thema ist. Und insofern habe ich keine Erwartung, dass es nicht so kommt.

    Kindermann: Populär wird wahrscheinlich die Forderung sein des Trennbankensystems. Das würde dann zu einer Zerschlagung der Universalbanken, also auch Ihrer Bank führen.

    Fitschen: Das hat bisher noch niemand behauptet. Alle diejenigen, die Vorschläge für das Trennbankensystem gemacht haben, hier in Deutschland zumindest, haben gleichzeitig immer sehr ernsthaft betont, dass es nicht darum geht, die Deutsche Bank zu zerschlagen. Sie wollen nur etwas erreichen, was im Kern ja verständlich ist, sie wollen die Einlagen schützen, und zwar gegen einen Missbrauch in Transaktionen, die sie gerne ausgelagert haben wollen.

    Letzteres ist verständlich, dass die Einlagen geschützt sind. Da haben wir überhaupt kein Thema damit. Die Frage ist nur, wie bekommt man es am besten hin? Die Vorschläge zum Trennbankensystem sind nicht zielführend, weil sie am Kern des Problems vorbeiführen und sie etwas zur Aussage machen, was für die Stabilisierung meines Erachtens gar nicht relevant ist. Wenn wir den Nachweis hätten, dass die Existenz des Universalsystems ursächlich verantwortlich wäre für das Auftreten der Krise, dann wäre ich dabei. Aber diesen Nachweis hat niemand erbracht und wird niemand erbringen können.

    Kindermann: Wobei also diese Trennung, also das Investmentbanking vom klassischen Kundengeschäft zu trennen, da gibt es jetzt einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der hat viele Ausnahmen, Auslassungen, Grauzonen. Können Sie damit nicht leben?

    Fitschen: Wir können damit überleben. Wir leben besser ohne diesen Vorschlag, und deswegen lehnen wir ihn ab.

    Kindermann: Kommen wir mal zu Ihrem Unternehmen, der Deutschen Bank. Sie haben ja mit Ihrem Co-Chef Anshu Jain einen Kulturwandel ausgerufen. Hat der jetzt stattgefunden?

    Fitschen: Der hat stattgefunden, ist absolut nicht beendet. Das ist etwas, was in Verbindung zu sehen ist mit dem, was ich eingangs sagte, dass die Wiedergewinnung des Vertrauens ein langwieriger Prozess ist. Und das, was wir am Anfang ein bisschen wage umschrieben haben mit dem Kulturwandel, das versuchen wir jetzt sukzessive auszufüllen dergestalt, dass Kollegen bei uns im Hause, aber auch alle, die ein Interesse an der Deutschen Bank haben, Kunden, Gesellschaft insgesamt, verstehen, was wir darunter letztendlich für uns vermerken wollen.

    Kindermann: Dabei hilft Ihnen jetzt Verdi-Chef Frank Bsirske. Er ist soeben in den Aufsichtsrat gewählt worden. Er will den Kulturwandel eng begleiten. Freuen Sie sich darauf?

    Fitschen: absolut. Der gesamte Aufsichtsrat ist eingeladen, das zu begleiten. Wir stellen alles das, was wir darunter verstehen wollen, dem Aufsichtsrat zu Verfügung. Und nicht nur Herr Bsirske, ich habe das Gefühl, alle Mitglieder im Aufsichtsrat haben ein vehementes Interesse, das kritisch konstruktiv zu begleiten.

    Kindermann: Herr Fitschen, die Deutsche Bank muss sich im Moment gleich mit einem ganzen Bündel an Vorwürfen auseinandersetzen. Schnüren wir das mal etwas auf. Sie standen ja selbst in der Kritik wegen Ihres Anrufs beim hessischen Ministerpräsidenten, in dem Sie sich über die Art und Weise der Steuerrazzia bei Ihnen im Haus beschwert haben sollen. Haben Sie diesen Anruf mittlerweile bereut?

    Fitschen: Ich habe bereut, was draus geworden ist. Den Anruf habe ich als solches nicht bereut. Ansonsten würde ich drum bitten, dass wir das ein bisschen ruhen lassen. Die Reaktion hat mich schon sehr überrascht, aber dabei möchte ich es jetzt mal bewenden lassen.

    Kindermann: Bei der Razzia ging es ja sachlich um Steuervorwürfe. Sie selbst hatten die Steuererklärung im Zusammenhang mit Emissionszertifikaten mehr oder weniger zufällig unterschrieben, weil der damalige Bankchef Herr Ackermann nicht im Hause war. Stimmt das?

    Fitschen: Ich habe die nötige zweite Unterschrift als Vorstandsmitglied gegeben, nachdem ich mich hinreichend informiert habe über die Grundlage. Und damit habe ich das getan, was man von demjenigen, der die Unterschrift gibt, erwarten konnte. Ich bin sicher, dass das auch so von allen anderen Beteiligten gesehen wird.

    Kindermann: Dann gibt es Vorwürfe, die Deutsche Bank sei neben anderen Geldhäusern in die Manipulationen beim Zinsbarometer Libor verwickelt. An diesem Zinssatz hängen Geschäfte für über 300 Billionen Euro. Man könnte fast sagen, da sind wir nahezu alle als Bürger in irgendeiner Weise betroffen. Die Gefahr für Ihre Reputation ist da eigentlich hoch. Ist denn etwas dran an diesen Vorwürfen?

    Fitschen: Auch hier läuft die Untersuchung noch. Es ist beschämend, dass es so etwas gegeben hat. Und ich kann leider nicht ausräumen, dass unser Haus involviert war. Aber hier würde ich auch darum bitten, dass die Untersuchungen, wo wir sehr aktiv mit den Regulatoren zusammenarbeiten, zu einem Ende kommen. Und dann hoffen wir, dass wir einen Schlussstrich ziehen können. Alle diejenigen, die sich dort nicht korrekt verhalten haben, werden dann auch entsprechende Konsequenzen zu verspüren haben.

    Kindermann: Werden Sie da Schadenersatz fordern?

    Fitschen: Ich möchte zu diesem Punkt jetzt nichts weiter sagen, weil es erst darum geht, die Fakten aufzuklären. Dann ziehen wir weitere Schlüsse.

    Kindermann: Ist denn die Sonderprüfung der Finanzaufsicht da schon abgeschlossen?

    Fitschen: Nein, ist noch nicht abgeschlossen.

    Kindermann: Sie hatten ja in diesem Monat eine außerordentliche Hauptversammlung. Das war ein Novum für Ihr Institut. Da ging es um rechtliche Absicherung und indirekt um den Streit mit den Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch. Ihr Haus soll Schuld an der Insolvenz Kirchs haben. Auf dem Treffen haben viele Aktionäre ihren Unmut sehr deutlich formuliert über diese Dauerfehde mit dem Kirch-Lager. Wäre es nicht an der Zeit, die zu beenden, einen Vergleich zu schließen?

    Fitschen: Auch hierzu möchte ich in der Sache nichts weiter sagen. Es ist ein schwebendes Verfahren, das wissen Sie. In der Tat haben wir noch nie auf einer Hauptversammlung so viel Kritik von Aktionären vernommen, die beklagen, dass die Hauptversammlung hier für Dinge missbraucht wird, die man besser woanders austrägt. Das ist verständlich, und deswegen mehren sich ja auch diejenigen, die sagen, dass hier der Gesetzgeber gefordert ist, einem solchen – wie es hier bezeichnet wurde – Missbrauch Einhalt zu gebieten.

    Kindermann: Haben Sie denn schon Geld zurückgelegt für einen möglichen Vergleich?

    Fitschen: Wir haben bei der Vorstellung des Ergebnisses gesagt, dass wir einen bestimmten Betrag, den wir nicht qualifiziert haben, für mögliche Konsequenzen zurückgestellt haben.

    Kindermann: Dann würde ich Sie gerne noch mal nach den Frauen in Ihrem Haus fragen. Sie haben ja ganz wenige Top-Managerinnen. Im siebenköpfigen Vorstand und im Group Executive Committee sitzt keine Frau. Muss man da nicht etwas ändern?

    Fitschen: Das muss man ändern. Das wollen wir ändern. Wir haben das auch öffentlich gesagt, dass wir nicht zufrieden sind mit diesem Zustand. Wir geben uns sehr viel Mühe, Damen bei uns im Hause den Weg nach oben zu ebnen. Aber wir haben bisher noch nicht den gewünschten Erfolg erreicht. Das ist korrekt.

    Kindermann: Jetzt kommen wir noch mal zu den harten Zahlenwerken. Renditeziele der Deutschen Bank – von zwölf Prozent ab 2015 war mal die Rede. Ist das einzuhalten?

    Fitschen: Wir alle bereiten uns auf ein verändertes Umfeld vor. Sie haben die Ausweise der Banken zum ersten Quartal zum Teil schon gesehen. Die sind nicht so schwach, wie man es vielleicht vermuten konnte. Allerdings sind wir alle noch in diesem Umbruch und wir werden alle uns mit den Themen beschäftigen müssen, die zum Schluss diese Antwort auf die Frage langfristig geben. Irgendwo wird es sich einpendeln. Es wird Unterschiede geben. Einige Banken werden andere Geschäftsmodelle versuchen. Jeder wird an der Kostenschraube drehen müssen. Aber zum Schluss muss alles stimmig sein, um eine überzeugende Antwort auf die Frage zu geben, wie kann ich ein nachhaltig erfolgreiches Geschäftsmodell bauen? Und dazu gehört auch, eine adäquate Verzinsung auf das Kapital zu erzielen. Ansonsten kann eine Bank für Investoren nicht interessant sein und wird es schwer haben, das Kapital auf Dauer zu akquirieren, mit dem Wachstum, das man benötigt, um auch die Unternehmen auf Dauer zu unterstützen.

    Kindermann: Also, das heißt: Sie wären auch gegen niedrigere Zinsen? Es steht ja im Raum wegen der schwachen Wirtschaft, dass die EZB die Zinsen noch mal senken könnte.

    Fitschen: Nein, das ist ein Teil der Konjunkturpolitik, die man betreibt. Damit müssen wir umgehen können. Fakt ist, dass ein niedriges Zinsumfeld bestimmte geschäftliche Aktivitäten von Banken nachhaltig schwächt und deswegen das Erfordernis sehr groß ist, einen Ausgleich zu finden, indem man Kosten senkt. Und wenn das nicht möglich ist, dann kommt man möglicherweise auch zu einem Punkt, wo man bestimmte Aktivitäten nicht mehr aufrechterhalten kann. Und darüber muss man sich im Klaren sein, dass eine nachhaltige Niedrigzinsphase einen Bankensektor zu einem Umdenken führen muss, auch zu Konsolidierungsmaßnahmen führen muss. Das sind Konsequenzen, denen man auf Dauer nicht aus dem Wege gehen kann.

    Kindermann: Vielleicht noch konkreter: Sie wollen ja die Kosten um 4,5 Milliarden Euro pro Jahr kappen. Kann das ohne Personalabbau gehen?

    Fitschen: Nein, das geht nicht. Dafür ist der Anteil der Personalkosten im Bankensektor einfach zu hoch.

    Kindermann: Letzte Frage: Am 1. Juni letzten Jahres haben Sie den Vorstandsvorsitz der Deutschen Bank AG übernommen, gemeinsam mit Anshu Jain. Jetzt nähern wir uns langsam dem Jahrestag. Ihre Bilanz, funktioniert das? Zwei Fahrer an einem Steuer?

    Fitschen: Ich glaube, wir sind immer in die gleiche Richtung gefahren, haben uns immer regelmäßig abgelöst, sodass wir nicht zwei Steuerräder immer in der Hand hatten. Das muss funktionieren. Das heißt, eine Partnerschaft lebt davon, dass man vertraulich miteinander umgeht.
    Wir haben die höchsten Gremien sehr kompakt aufgestellt. Wir haben das Gefühl, dass wir alle in eine Richtung ziehen. Wir bauen bestimmte Bereiche um. Da gibt es immer ein bisschen Unruhe, das gehört mit dazu. Wir versuchen, allen Kollegen mit gleicher Sprache zu erklären, wohin es geht und haben das Gefühl, dass unsere Mitarbeiter bereit sind, diesen Kurs absolut zu unterstützen. Und dann kommt es darauf an, dass wir tagtäglich beweisen, dass wir die Bank sind, der sich die Kunden jederzeit getrost anvertrauen können.

    Kindermann: Vielen Dank, Herr Fitschen, für das Gespräch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Klemens Kindermann (l.) im Gespräch mit Jürgen Fitschen, Co-Vorstand der Deutschen Bank AG
    Klemens Kindermann (l.) im Gespräch mit Jürgen Fitschen, Co-Vorstand der Deutschen Bank AG (Nils Heider, Deutschlandfunk)