Afro-Fusion in Südfrankreich

Von Martina Zimmermann · 28.07.2012
Frankreich ist nicht nur das Land der vielen Käsesorten, sondern auch der zahlreichen Festivals: 1800 finden dieses Jahr dort statt. Ein kleines, aber ambitioniertes Projekt ist das Festival Sun Art in Südfrankreich, das afrikanische und europäische Kunst vereint.
Sun Art ist klein, aber fein. Das Festival findet auf einem provenzalischen Schulhof statt, vor einem ehemaligen Hospiz, dessen Kapelle inzwischen als Ausstellungsraum dient. Musik und Literatur, Fotografie und Tanz, Märchenerzähler und Straßentheater - die Kreationen der über 50 Künstler aus Afrika, der Karibik und Europa sind zeitgenössisch und reflektieren die moderne Welt als Afro-Fusion zwischen Afrika und Europa.

Tänzer Pape Samb hat in der berühmten Tanzschule von Germaine Acogny in Senegal gelernt, aber auch in Guinea, Mali und der Elfenbeinküste, in Brasilien und Japan. Inzwischen ist er selbst zum gefragten Lehrer geworden: Sogar der berühmte Choreograf Maurice Béjart hat bei ihm einen Tanzkurs belegt! In seiner Soloshow drückt Pape Samb seine Suche nach einer Identität aus zwischen Tanz und Trance, zwischen Europa und Afrika. Der Titel ist auf Wolof, einer senegalesischen Sprache - es bedeutet: Wer ich bin.

Am Flughafen in Dakar sei es ihm passiert, dass er als Europäer betrachtet werde, weil er einen französischen Pass hat. Aber wenn er dann zurück kommt nach Frankreich, wo er lebt, dann prüft der Zöllner seinen französischen Pass: Ist er gefälscht oder ist er echt?

Auch Cheikh Tidiane Seck vermittelt zwischen den Welten, zwischen seinem Geburtsland Mali, seiner Wahlheimat Paris und dem Rest der Welt, wo er mit Salif Keita, Hank Jones oder Joe Zawinul arbeitete, um nur ein paar seiner berühmten Freunde zu nennen. Cheikh Tidiane Seck stammt aus einer Familie aus drei verschiedenen Ethnien Malis. Er ging als Moslem in eine christliche Missionsschule, spielte als Jugendlicher Pink Floyd und Jimmy Hendrix, aber auch traditionelle afrikanische Musik. Cheikh Tidiane Seck ist schon in Stadien aufgetreten vor 120.000 Zuschauern. Heute Nacht spielt er in Pertuis auf einem Schulhof - mehr als 1500 Zuschauer passen hier nicht rauf. Aber Cheikh Tidiane Seck ist Pate des Sun Art-Festivals, Starsystem und kommerzielles Showbusiness interessieren das Multitalent nicht:

Hier sei man noch näher an den Familien dran, meint er. Wenn Leute Lust haben, zusammenzukommen und alle Vorurteile zu widerlegen, dann ist das eine Fusion nach seinem Geschmack. Es gebe viele Arten, gegen Ausschluss und Rassismus zu kämpfen. Die Vermischung der Kulturen und das Kennenlernen anderer Kulturen bringe sogar denen Lust auf andere, die Angst haben und sich am liebsten einschließen möchten.

Pertuis hat 20.000 Einwohner. Der Ort ist ein typisches provenzalisches Städtchen. Die italienisch anmutenden Häuser haben bunte Fensterläden, Platanen säumen Straßen und Plätze. Die Leute sitzen in Straßencafés, in der Kapelle hängt neben der Jungfrau Maria auch der Heimatdichter Frédéric Mistral.

Ausgerechnet hier haben die Französin Hélène Buisson und der Togolese Jean-Folly Kpodar ihren Traum verwirklicht von einem Festival mit moderner afrikanischer Kultur. Sie fanden die Unterstützung von Stadt, Region und privaten Sponsoren:

Wenn man Kultur von anderswo präsentiert, sei das in gewisser Weise immer eine politische Aktion, erklärt Hélène Buisson. Sie wollten ihr Festival nicht in Paris oder Marseille oder einer kosmopolitischen Großstadt veranstalten. Hier auf dem Land erhielt der Front National bei der letzten Wahl 22 Prozent. Da sei es wichtig zu zeigen, dass ein Zusammenleben nicht nur möglich, sondern auch bereichernd ist.

Familien mit Kindern, Alte und Junge, ein gemischtes Publikum zieht es auf das Festival, auf dem auch Künstler aus Nordafrika vertreten sind. Der algerische Schriftsteller Yahia Belaskri ist bereits zum dritten Mal dabei. Er liest aus seinem jüngsten Werk, der Geschichte eines Spaniers, der vor den Franco-Faschisten nach Oran in Algerien flüchtet:

"Früher fand die Migration vom Norden in den Süden statt. In den Archiven der französischen Armee fand ich Dokumente von 1884, bereits damals entflohen Spanier dem Elend in ihrem Land und zogen nach Oran. Damals schossen die französischen Kolonialherren auf sie, manche starben im Mittelmeer. Das ist die Geschichte der Menschheit. Es gibt immer Menschen, die aufbrechen, um woanders in Glück und Würde zu leben."

Dieser und ein früherer preisgekrönter Roman werden nächstes Jahr auf Deutsch erscheinen.

"Rote Leidenschaft" ist der Titel der Modeschau des Pariser Couturiers Sadio Bee, der aus Senegal stammt. Die Männer tragen rote Hosen mit roten Pünktchen und Hemden mit hohem Kragen, die Frauen rote Rüschenröcke, die vom French Cancan inspiriert sind, vorne kurz und hinten lang. Auf die afrikanischen Rhythmen bewegen sich Spitzen, Federn und Rüschen eine Idee flotter, aber der Modeschöpfer meint:

Seine Arbeit bestehe darin, mit afrikanischen Stoffen eine moderne Kleidung zu machen, die jeder tragen kann, erklärt Sadio Bee.


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