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"Das hat keinen unmittelbaren Zusammenhang"

Einen "Kuhhandel" attestierte der SPD-Vorsitzende Gabriel der Koalition: Die CSU bekommt das Betreuungsgeld, die FDP im Gegenzug die private Pflegeversicherung. Gerda Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin, wehrt sich gegen diese Kritik.

Moderation: Christoph Heinemann | 06.06.2012
    Christoph Heinemann: Dass neben der großen auch zwei kleine Parteien zum Berliner Regierungstrio gehören, daran werden wir heute erinnert. Das Kabinett wird zwei Vorhaben beschließen, deren erstes, das Betreuungsgeld, ein Anliegen vor allem der CSU ist, während Nummer zwei, die Regelung für eine private Pflegeversicherung, besonders der FDP am Herzen liegt.

    Am Telefon ist Gerda Hasselfeldt, die erste stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende und Chefin der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Guten Morgen.

    Gerda Hasselfeldt: Guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Frau Hasselfeldt, ein Kuhhandel sei das, Betreuungsgeld und private Pflege, was Union und FDP da beschlossen hätte. Das meinte Sigmar Gabriel gestern in dieser Sendung. Wir hören uns kurz den SPD-Vorsitzenden an.

    O-Ton Sigmar Gabriel: "Die einen bekommen das Betreuungsgeld, die anderen die private Pflegeversicherung. So kann man Deutschland nicht regieren. Also Politik besteht nicht daraus, dass jeder irgendwas kriegt, damit der Laden mühsam zusammengehalten wird."

    Heinemann: Sind die Herrschaften Merkel, Seehofer und Rösler Kuhhändler?

    Hasselfeldt: Die beiden Projekte, sowohl die private Pflegeversicherung als auch das Betreuungsgeld, haben eine eigene Geschichte, und ich möchte schon Herrn Gabriel daran erinnern, dass er und seine SPD-Fraktion in der Großen Koalition für das Betreuungsgeld gestimmt haben und auch dafür gesorgt haben, dass das Betreuungsgeld gesetzlich verankert ist, und nun wird es gesetzlich auch tatsächlich konkret umgesetzt.

    Und es hat nicht nur eine Geschichte, sondern auch eine Begründung, denn das Betreuungsgeld wurde damals in der Großen Koalition deshalb auch mit im Gesetz verankert, weil der Rechtsanspruch auf einen Kinderkrippenplatz für Kinder ab dem zweiten und dritten Lebensjahr verankert wurde. Und genau dieser Zusammenhang, Rechtsanspruch auf Krippenplatz und Betreuungsgeld, dieser existiert.

    Es existiert kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Pflegezusatzversicherung, mit der privaten Vorsorge. Das ist ein Anliegen, das in den letzten Monaten konkretisiert wurde – deshalb, weil eben die Pflegeversicherung nur eine Teilversicherung ist, die gesetzliche Pflegeversicherung, und es ein gemeinsames Anliegen in der Koalition war, dies zu ergänzen mit einer privaten Zusatzvorsorge.

    Heinemann: Ist aber doch kein Zufall, dass beides gleichzeitig verabschiedet wird, nach dem Grundsatz, schluckst Du meine Kröte, schlucke ich Deine Kröte.

    Hasselfeldt: Nun, die Verhandlungen darüber sind ja schon lange zurückliegend und wir haben des öfteren die Situation, dass in einer Kabinettssitzung nicht nur ein Gesetz auf den Weg gebracht wird, sondern sehr wohl zwei oder drei. Also das hat keinen unmittelbaren Zusammenhang.

    Heinemann: Frau Hasselfeldt, die Opposition kritisiert die private Pflege als Profitquelle für die Versicherungswirtschaft. Können sich die Konzerne auf Schwarz-Gelb verlassen?

    Hasselfeldt: Also mich wundert schon sehr diese Kritik der Opposition, denn das System, nach dem diese private Pflegezusatzversicherung funktioniert, die ja jetzt staatlich gefördert wird, ist das gleiche wie bei der sogenannten Riester-Rente. Und was damals von der SPD initiiert, von uns mitgetragen gut war, das kann doch jetzt nicht schlecht sein.

    Es ist das gleiche grundlegende System. Für mich ist ganz wichtig, dass diese Zusatzversorgung nicht abhängig ist vom Einkommen, sondern dass es eine Zulage ist, ein staatlicher Zuschuss, der jedem, der Interesse daran hat, der das freiwillig machen möchte, den gleichen staatlichen Zuschuss gewährt wie dem anderen auch.

    Heinemann: Wieso hat man denn nicht einfach den Beitragssatz der Pflegeversicherung erhöht? Wäre doch viel einfacher und ohne Bürokratie gegangen.

    Hasselfeldt: Erstens ist das auf freiwilliger Basis. Zum zweiten ist es eine staatliche Förderung, was wir bei der Pflegeversicherung im gesetzlichen Bereich so nicht hätten. Und zum dritten ist es eine Leistung, die unabhängig von dem Beitragssatz, der ja von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezahlt wird, gewährleistet wird.

    Heinemann: Und das zum Preis eines Bürokratiemonsters.

    Hasselfeldt: Das ist meines Erachtens kein Bürokratiemonster, sondern im Gegenteil: es ist eine leichte Handhabung dadurch, dass es eben nicht über die Steuer geht, sondern über ein staatliches Zulagensystem, dass auch die Abwicklung relativ einfach ist, nämlich so wie es bei der Rentenversicherung auch ist, also bei der Riester-Rente. Das heißt, diese zentrale Stelle bei der Deutschen Rentenversicherung wird auch hier das Zulageverfahren mit abwickeln. Es wird genauso gehandhabt wie bei der Riester-Rente und dadurch ist es meines Erachtens im ganz normalen bürokratischen Ablauf.

    Heinemann: Frau Hasselfeldt, rund 100 Millionen Euro kosteten etwa 1,5 Millionen Verträge. Sie haben jetzt den Vergleich zur Riester-Rente gezogen, davon gibt es 15 Millionen Verträge, und dafür müsste der Bund dann 900 Millionen Euro bereitstellen. Haben wir noch so viel Geld?

    Hasselfeldt: Nun, wir werden sehen, wie stark das in Anspruch genommen wird. Es ist ja auf Freiwilligenbasis, eine Zusatzversicherung.

    Heinemann: Also Sie hoffen, dass nicht so viele Leute abschließen werden?

    Hasselfeldt: Nein, das wird man sehen. Bei jeder Einführung einer neuen Leistung muss man zuerst auch einmal einige Jahre abwarten, wie sich das ganze entwickelt. Aber die Tatsache ist ja, dass wir mit der demografischen Entwicklung, die wir haben, und mit der höheren Lebenserwartung auch ein gestiegenes Risiko im Pflegebereich haben, und die gesetzliche Pflegeversicherung kann nicht alles abdecken. Sie war von Hause aus programmiert und organisiert als Teilversicherung, und jetzt haben wir eine private Zusatzversicherung dazu. Das ist eine lange Diskussion, die da vorweggegangen ist, wir haben uns das alle nicht leicht gemacht, und die Forderung aus der Bevölkerung übrigens, dass wir die gesetzliche Pflegeversicherung auch mit einer Zusatzversicherung begleiten, die ist auch nicht erst seit wenigen Wochen vorhanden.

    Heinemann: Eine Schwachstelle der Riester-Rente sind die hohen Provisionen für die Vermittler. Das hat die Zeitschrift "Finanztest" festgestellt. Werden die beim Abschluss der privaten Pflegeverträge begrenzt?

    Hasselfeldt: Nun, das ist jetzt momentan nicht vorgesehen, das muss man sich auch anschauen, ob es notwendig ist. Ich persönlich habe immer etwas Bedenken, wenn wir zu sehr von Seiten des Staates eingreifen. Das muss auch ein Stück weit der Markt regeln. Aber wenn sich da Auswüchse zeigen, dann wird man sehen, ob man da auch noch was reglementieren muss.

    Heinemann: Frau Hasselfeldt, gestern gab es Gespräche der Regierungsparteien über Wachstumsinitiativen mit Vertretern der Opposition. Gerhard Schröder aus unserem Hauptstadtstudio hat das eben beschrieben. Ist das späte Einsicht in das politisch Notwendige, oder eine rein taktische Kontaktaufnahme, um die Kuh – da sind wir vielleicht wieder beim Kuhhandel -, den Fiskalpakt nämlich, endlich vom Eis zu bekommen?

    Hasselfeldt: Es war von uns schon bei den ersten Überlegungen zur Stärkung der Stabilität des Euro klar, dass wir in den Krisenländern auch etwas für Wachstumsimpulse tun müssen, und nicht zuletzt hat sich auch fast jeder Gipfel auf europäischer Ebene mit diesem Thema befasst. Das ist nun etwas konkretisiert worden. Es gibt nun Vorschläge, die Europäische Investitionsbank zu aktivieren, die Mittel, dafür das Kapital aufzustocken.

    Es gibt konkrete Vorschläge auch in Bezug auf die Verbesserung der Situation der Jugendlichen in den Krisenländern und auch, um private Finanzierung besser abzusichern. Das alles ist eine Fortsetzung der Diskussion, die in den letzten Monaten auf europäischer und auch auf deutscher Ebene schon geführt wurde. Ich finde das gut jetzt, dass das etwas konkretisiert wird und gemeinsam mit dem, was wir im ESM und im Fiskalvertrag zu verabschieden haben, auch auf den Weg gebracht wird.

    Heinemann: Frau Hasselfeldt, die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" erkennt heute Bewegung bei der FDP bei dem Thema Finanztransaktionssteuer. Sie auch?

    Hasselfeldt: Wir haben bei der Besteuerung der Finanzmärkte in der CSU und in der CDU seit Langem die Haltung, dass wir dieses wollen, dass wir es am liebsten auf gesamteuropäischer Ebene hätten. Wenn es da nicht durchsetzbar ist, was sich abzeichnet, dann wenigstens auf der Ebene der Euro-Länder. Aber das ist eine Diskussion, die nicht nur von der FDP hier in Deutschland abhängt, sondern auch eine Diskussion, die auf europäischer Ebene unter den verschiedenen Euro-Ländern geführt wird. Ich hoffe sehr, dass wir auch bei diesem Thema Finanzmarkt-Transaktionssteuer bald zu einem Ergebnis - und zwar nicht nur auf deutscher, sondern auf europäischer Ebene - kommen.

    Heinemann: Gerda Hasselfeldt, erste stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende und Chefin der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Hasselfeldt: Gerne! Auf Wiederhören.

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