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Gute Aussichten für den Nachwuchs

Der Fotowettbewerb "Gute Aussichten" ist erste, aber sehr wirksame Plattform für den Fotografie-Nachwuchs. Für ein knappes Dutzend der Teilnehmer winkt eine Ausstellung, die nicht nur an einschlägigen Orten in Deutschland wie dem Haus der Fotografie in Hamburg oder dem Gropius-Bau in Berlin, sondern auch im Ausland zu sehen sein wird - in diesem Jahr in vielen Goethe-Instituten in Rumänien, der Ukraine und den USA. Die Deutschlandpremiere des Nachwuchsförderungsprojekts fand im Forum für Fotografie in Köln statt.

Von Katja Lückert | 31.10.2007
    Wer nach schönen Fotos sucht, wird von den Finalisten der diesjährigen Ausgabe des Fotografie-Wettbewerbs: "Gute Aussichten" enttäuscht. Seltsam spröde und karg wirken die meisten Bilder, aufgeladen mit Bedeutungen, die sich dem Betrachter nicht von selbst erschließen.

    Zum Beispiel die tristen Szenerien von Hinterhöfen und Heizungskellern, die Caterina Miksch aufgenommen hat - für sich genommen nicht Besonderes, doch es handelt sich um Tatorte grässlicher Verbrechen. Die Fotografin hat sich auf die Spuren jener Mutter aus Brandenburg begeben, deren Fall vor zwei Jahren durch die Presse ging, weil sie ihre Kinder nach der Geburt getötet und die Babyleichen vergraben und versteckt hatte.

    Caterina Miksch hat für Ihre Fotos alles so arrangiert und inszeniert, wie es am echten Schauplatz ausgesehen haben muss. Und tatsächlich: da, hinter dem Heizungsrohr, steht eine kaum erkennbare Plastiktüte und dort im Hinterhof stehen aufgereiht das Aquarium, die Babybadewanne, Eimer und Töpfe.

    Allerdings sind diese Bilder ebenso grauenhaft wie belanglos. Polizeifotos sehen nicht anders aus. Die künstlerische Wirkung ist geborgt; sie beruht auf zusätzlichen Informationen, die der Sache emotionale Durchschlagkraft verleihen. Dennoch scheidet reine Sensationsgier bei Caterina Miksch aus; die Absolventin der Berliner Berufsfachschule für Design versucht mit der Kamera etwas Rätselhaftes zu verstehen:

    " Also ich würde es natürlich selbst, also wahrscheinlich nicht selbst machen, aber ich hab inzwischen für mich die Theorie, dass man in dem Moment, in dem das Baby auf die Welt kommt, das man vielleicht die ganze Zeit vorher nicht wollte, oder dass man nicht wahrhaben wollte, dass man jetzt schwanger ist. Also es muss irgendwie die Psyche sein, dass die Psyche dann stärker ist als der Verstand und dass man einfach nicht anders kann. Das überkommt einen, glaube ich. "

    Wechseln wir die Wandseite. Schräg gegenüber im Kölner Forum für Fotografie hängen drei großformatige Fotos von Magret Hoppe aus Leipzig. Auf einem sieht man die Eingangshalle eines öffentlichen Gebäudes und im dunklen Hintergrund ein Kunstwerk, halb verpackt mit Luftpolsterfolie, an die Wand gelehnt.

    " Ausgangspunkt der Arbeit war dieses Bild: "Arbeiterklasse und Intelligenz" in der Universität Leipzig. Ich wusste, dass die Universität bald abgerissen würde und ich mich dann gefragt habe, was bleibt eigentlich noch übrig von unserer Kultur und von der Zeit, und von den Dingen, die mich umgeben haben, und mit denen viele andere Menschen gelebt haben. "

    Kunst im öffentlichen Raum der DDR, die langsam verschwindet, übermalt wird, wie etwa ein frühes Bild von Gerhard Richter im Dresdner Hygienemuseum. Auch Hoppes Arbeiten sind das Ergebnis einer akribischen Recherche, die sie durch staatliche Gebäude der ehemaligen DDR führte. Ihre Bilder dokumentieren Geschichten der Abwesenheit und des Verschwindens. Sie sind ein stiller Vorwurf gegen den sogenannten Kulturimperialismus des Westens.

    " Dieser Prozess, dass Dinge verschwinden das passiert ja immer wieder. Das Kulturen andere Kulturen übernehmen. Nur in dem Fall ist es nur sehr schnell passiert und ich denke, man hätte einiges bewusster bewahren können. "

    Auch hier eine interessante Recherche, in der aber die Arbeit stecken bleibt. Sie wirft keinen neuen Blick auf die Welt.

    Da empfindet man die Bilder von Catrin Altenbrandt und Adrian Niessler fast als Erlösung. Die beiden haben mit dem Material, das in ihrem Arbeitsraum herum lag, an elf Tagen elf Fotos für eine Installation mit dem Titel: "Um was es nicht geht" gemacht. Eine Mischung aus Fotografie und grafischen Elementen, die mit ihren poppigen Farben aus der Welt des Comics entsprungen zu sein scheint. Und wenn Adrian seine Freundin mit orange- und pinkfarbener Wolle umwickelt, und sie vor weißem Grund ablichtet, dann geht es neben dem Spaßfaktor auch darum, der digitalen Bildbearbeitung einmal bewusst den Rücken zu zukehren.

    " Ich denke schon, dass da wieder so ne Lust wieder da ist wieder im Raum zu arbeiten mit realen Materialien, weil es einem auch viel mehr Möglichkeiten gibt. Am Computer ist es einfach so, dass jeder dieselben Programme verwendet und jeder, die mehr oder weniger gut beherrscht und das schränkt auch die Optionen ein, die man hat. "

    Wenn also ein Strahl rosa Farbe aus Adrians Hose zu schießen scheint - in Wirklichkeit handelt es sich um einen farbigen Papierstreifen - oder das Paar in zwei an den Kapuzen zusammen genähten Pullovern gänzlich verschwindet, dann gibt es da keine Aussage, aber in jedem Fall ein gelungenes Foto - und das ist es ja wohl, worum es eigentlich geht.

    "Gute Aussichten" im Internet: www.guteausichten.org