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Entdeckung vor 200 Jahren
Hans-Christian Oersted und der Elektromagnetismus

Anfang des 19. Jahrhunderts glaubten viele noch, bei Elektrizität und Magnetismus seien voneinander unabhängige Naturerscheinungen. Der dänische Gelehrte Hans Christian Oersted bewies 1820 das Gegenteil. Auf die Idee brachten ihn unter anderem ein Kompass und ein Blitzeinschlag.

Von Frank Grotelüschen | 21.07.2020
    Hans Christian Oersted, dänischer Chemiker und Physiker, Entdecker es Elektromagnetismus, Druck von 1867
    Elektromagnetismus ist eine der wichtigsten Grundlagen für die Stromerzeugung (picture alliance / imageBROKER)
    "Verehrte An- und Abwesende! Wenn Ihr den Rundfunk höret, so denkt auch daran, wie die Menschen in den Besitz dieses wunderbaren Werkzeuges der Mitteilung gekommen sind."
    August 1930. Mit einer Rede eröffnet Albert Einstein die Deutsche Funkausstellung in Berlin und erinnert an einige Pioniere der Rundfunktechnik. Allen voran: ein dänischer Gelehrter und Naturphilosoph.
    "Denkt an Oersted, der zuerst die magnetische Wirkung elektrischer Ströme bemerkte."
    Wichtige Grundlage der Stromerzeugung
    1820 hatte Hans Christian Oersted eine damals frappierende Erkenntnis veröffentlicht: Elektrizität und Magnetismus sind keine voneinander unabhängigen Naturerscheinungen, sondern gehören zusammen – die Entdeckung des Elektromagnetismus. Sie sollte Physik und Technik maßgeblich prägen: Oersteds Entdeckung wurde eine wichtige Grundlage für Stromerzeugung, Elektromotoren und die Rundfunktechnik.
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    Hans Christian Oersted, geboren im August 1777 als Sohn eines Apothekers auf der dänischen Insel Langeland, begann mit 16 ein Studium der Naturwissenschaften in Kopenhagen, promovierte über die Naturphilosophie des Immanuel Kant und ging auf eine mehrjährige Studienreise durch Europa.
    Die Suche nach den Grundfesten der Natur
    1804 kehrte er nach Kopenhagen zurück, um sich beruflich niederzulassen. Oersteds Faszination galt der Suche nach den Grundfesten der Natur. Sie müsse systematisch aufgebaut sein, glaubte er, hinter allem sollte eine gewisse Einheitlichkeit stecken.
    "Die Physik hat nie ein größeres Interesse hervorgerufen als heute. Es steht eine kraftvollere Renaissance bevor, als wir sie je im Laufe der Geschichte erlebt haben."
    Das dänische Königshaus stattete den Gelehrten mit einer physikalisch-chemischen Instrumentensammlung aus sowie einem Jahresetat von 600 Reichstalern. Damit konnte sich Oersted einer seiner Lieblingsfragen widmen: Handelte es sich bei Elektrizität und Magnetismus um zwei voneinander unabhängige Wissensgebiete, so wie es viele damals glaubten? Oder waren sie nur zwei Ausprägungen von ein- und demselben Phänomen? Ein Indiz für letzteres war Oersteds Beobachtung, dass ein Kompass durch Blitzschläge beeinflusst wird.
    "Mir fielen die Schwankungen der Magnetnadel während eines Gewitters auf, und ich stellte die Vermutung auf, dass eine elektrische Entladung auf das Experiment einwirken könnte."

    Ein Phänomen, das den dänischen Physiker in seiner Annahme bestätigte.
    "So wie ein mit starkem elektrischem Strom geladener Körper zu jeder Zeit Licht und Wärme abgibt, könnte er in ähnlicher Weise auch die angenommene magnetische Wirkung ausstrahlen."
    Um die Hypothese zu überprüfen, experimentierte Oersted mit einem recht simplen Versuchsaufbau: Er schloss die beiden Enden eines Metalldrahts an eine Batterie an, dadurch floss Strom durch den Draht. Dann hielt er eine Kompassnadel in die Nähe – und beobachtete ein leichtes Zittern der Nadel. Zunächst aber war sich Oersted seiner Sache nicht ganz sicher.

    "Die Wirkung war sicherlich unverkennbar, aber dennoch schien es mir so verwirrend, dass ich weitere Untersuchungen auf einen Zeitpunkt verschob, an dem ich hoffte, mehr Muße zu haben."
    Dieser Zeitpunkt kam im Sommer 1820. Jetzt konnte Oersted sein Experiment verfeinern und präzisieren. Schließlich war klar: Der Effekt war reproduzierbar, der Strom im Draht lenkte die Magnetnadel eindeutig ab. Am 21. Juli 1820 brachte der damals 42-Jährige seine Beobachtung zu Papier.
    "Im Monat Juli 1820 entdeckte ich durch fortgesetzte Experimente während einiger Tage das fundamentale Gesetz des Elektromagnetismus, nämlich dass die magnetische Wirkung des elektrischen Stroms eine kreisförmige Bewegung um ihn herum hat."
    Der Chemiker und Physiker Hans Christian Oersted, Druck aus dem 19. Jahrhundert
    Hans Christian Oersted wurde seiner Zeit vom dänischen Königshaus umfangreich unterstützt (picture alliance / akg)
    Blitz, Unwetter, Gewitterwolke
    Ein Blitzeinschlag brachte Hans Christian Oersted auf den Gedanken, dass Magnetismus und Elektrizität zusammenhängen (Ensio Ilmonen / dpa)
    Tausende gedachten Oersteds Tod
    Das bedeutet: Das Magnetfeld verläuft in Kreisen um den Draht herum – eine Erkenntnis, die später die Voraussetzung sein sollte für den Bau von Elektromotoren und Radiosendern. Schnell verbreitete sich die Nachricht über Oersteds Entdeckung in ganz Europa und gab Anstoß für weitere Pionierexperimente. Noch im selben Jahr zeigte André Marie Ampère in Paris, dass zwei stromdurchflossene Drähte sich gegenseitig magnetisch anziehen oder abstoßen – der definitive Beleg dafür, dass es der elektrische Stromfluss ist, der hinter dem Magnetismus steckt. Oersted jedenfalls wurde durch seine Entdeckung berühmt. Als er 1851 starb, gedachten Tausende von Dänen seiner in einer Kerzenprozession. Und später wurde so manches nach ihm benannt – ein Mondkrater, ein Satellit und eine physikalische Einheit.