"Die Mörder sind unter uns"

Von Heinz Kersten · 15.10.2006
Im kürzlich wiedereröffneten Berliner Admiralspalast fand vor 60 Jahren die Uraufführung des ersten deutschen Nachkriegsfilms statt. "Die Mörder sind unter uns" von Wolfgang Staudte war auch die erste Produktion der neugegründeten ostdeutschen Filmgesellschaft DEFA, die bis zu ihrem Ende 1993 rund 800 Spielfilme herstellte.
Am 15. Oktober 1946 hat der erste deutsche Nachkriegsfilm in Berlin Premiere: "Die Mörder sind unter uns", Regie: Wolfgang Staudte, DEFA. Ihr damaliger Produktionsdirektor Albert Wilkening:

"Wir hatten uns für den Film vorgenommen, ihn sehr repräsentativ aufzuführen und fanden den Admiralspalast, damals Spielstätte der Staatsoper. Die wollten uns aber nur reinlassen zwischen zwei Vorführungen. Wir konnten von Mitternacht bis abends hinein, mussten ein vollkommenes Kino einbauen Wir haben's auch tatsächlich geschafft, dass wir um drei Uhr beginnen konnten."

Bis zu diesem Beginn waren nicht nur technische Probleme zu bewältigen. Wolfgang Staudte, der am 6. Oktober 100 Jahre alt geworden wäre, hatte die Nazizeit als Nebendarsteller und Regisseur von vier Unterhaltungsfilmen überstanden. Schon in den letzten Wochen des Hitler-Reiches war von dem entschiedenen Regime-Gegner ein Stoff konzipiert worden, auf dessen Realisierung er nach der Befreiung brannte. Das ging nicht ohne Einwilligung der Alliierten. Wolfgang Staudte:

"Da ich lebte im englischen Sektor, bin ich natürlich zu den Engländern gegangen, habe Kontakt mit den Franzosen aufgenommen und habe Kontakt zu den Amerikanern aufgenommen Bei den Amerikanern war der Filmoffizier der sagte: Herr Staudte, in den nächsten fünf, sechs Jahren wird in diesem Lande überhaupt kein Film gemacht. Und wenn, von uns."

Doch da kam Staudte im November 1945 die Gründung eines so genannten Filmaktivs im Sowjetsektor Berlins zur Hilfe, aber es bedurfte natürlich noch der Genehmigung seines Projekts durch die Besatzungsmacht:

"Dann fand ich also doch den Weg zu diesem verantwortlichen Filmoffizier. Der sprach fließend Deutsch und er sagte: Ja, das wird gemacht."

Der Regisseur erzählte die Geschichte des zerbrochen, aus dem Krieg heimgekehrten Arztes Hans Mertens, verkörpert von Ernst Wilhelm Borchert, und einer jungen Frau, die aus dem KZ befreit in ihre Wohnung zurückkehrt, in die der Chirurg inzwischen schon eingewiesen wurde. Als Protagonistin auf der Leinwand eine noch ganz junge, ziemlich unbekannte Schauspielerin - Hildegard Knef. Sie erinnert sich:

"Wir haben sehr viel außen gedreht. Es war nichts da, es waren nur Ratten. Und dennoch war es zur gleichen zeit atemberaubend, weil in diesen Trümmern entstand etwas."

Was da in den Ruinen der alten Reichshauptstadt entstanden war, war auch eine Abrechnung mit der jüngsten Vergangenheit. Der Film endet mit der Begegnung zwischen Mertens und seinem ehemaligen Kompaniechef, der an einem Weihnachtsabend im Krieg polnische Zivilisten erschießen ließ und jetzt als Fabrikant aus Stahlhelmen Tochtöpfe herstellt.

"Die Mörder sind unter uns", bald auch in 24 Staaten des Auslands gezeigt, begründete eine gute DEFA-Tradition der Aufklärung über Nazismus und Krieg - heute ein wichtiger Teil ostdeutschen Filmerbes.