Ziviler Ungehorsam

Festklebend auf den Prinzipien der Demokratie

08:57 Minuten
Ein Aktivist der Gruppe "Letzte Generation" hat seine linke Hand auf eine Straße geklebt, um diese zu blockieren.
Wo eine Hand ist, kann kein Auto sein: Protestaktion der Gruppe "Letzte Generation" in Berlin. © picture alliance / ZUMAPRESS / Michael Kuenne
Robin Celikates im Gespräch mit Julius Stucke · 26.08.2022
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Junge Aktivisten protestieren mit drastischen Mitteln gegen die bisherige Klimapolitik. Dafür stehen sie in der Kritik. Der Philosoph Robin Celikates sieht in ihren Protestformen indes einen wesentlichen Bestandteil der Demokratie.
Immer wieder sorgen Klimaaktivisten für Diskussion. So auch in dieser Woche, als sich zwei junge Menschen in Dresden an das Gemälde „Sixtinische Madonna“ klebten. Bereits zuvor gab es immer wieder in verschiedenen Städten Straßenblockaden, bei denen die Protestierenden ihre Hände auf die Fahrbahn klebten, um eine andere Klimapolitik zu fordern. Kritik hagelte es dafür in manchen Medien und von Politikern.

Suche nach Aufmerksamkeit

Diese öffentliche Diskussion komme als eine Skandalisierung daher, findet der Philosoph Robin Celikates. Der Professor an der Freien Universität hält derartige Aussagen sogar für „antidemokratisch“, denn für ihn ist ziviler Ungehorsam „ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte der Demokratie“.
Celikates, der sich in seiner Forschung mit dem zivilen Ungehorsam beschäftigt, sieht in den aktuellen Protestformen eine Weiterentwicklung vorheriger. Denn die Bewegungen stünden unter dem Druck, ihre Protestformen immer wieder neu zu erfinden, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Überraschend sei nicht, so der Philosoph, dass die Proteste ins Museum verlagert würden. Denn die Kunst wolle auch intervenieren und provozieren. Außerdem sei gerade der öffentliche Raum – wie die Straße und eben Museen – der Ort des zivilen Ungehorsams. Dieser ziele nämlich darauf, eine Debatte anzuregen und die Politik unter Druck zu setzen.

Führen die gewählten Mittel zum Ziel?

Ein weiteres Merkmal des zivilen Ungehorsams sei seine symbolische Form, die an die Öffentlichkeit appelliere. Dabei gebe es eine prinzipielle Grenze: die körperliche Unversehrtheit anderer Personen. Indes sei das Übertreten von Gesetzen keine Grenze, betont Celikates mit Hinweis auf manche Politiker, die gerade dies einfordern.
Woran sich die Aktionen aber messen lassen müssten, seien politische Klugheit und ihre Strategie – also ob die gewählten Mittel zielführend seien, so der Forscher. Daher sei der Wechsel in die Museen „gar nicht so verkehrt“. Dabei zeige sich zudem, dass die Protestpraktiken international zirkulierten. Ähnliche Aktionen fanden bereits in Glasgow, in London oder auch in den Uffizien in Florenz statt.

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Beachtenswert sei dabei, so Calikates, dass die Aktivisten sehr vorsichtig und gut vorbereitet vorgegangen seien. So waren die Kunstwerke nie in Gefahr, wie auch die Museen bestätigten.

Aneignung von rechts

Allgemein lässt sich zum zivilen Ungehorsam sagen, dass dieser keiner politischen Richtung zugeordnet ist. Gleichwohl wird er oftmals mit progressiven Bewegungen wie der US-Bürgerrechtsbewegung, Mahatma Gandhi oder in Deutschland mit der Ökologie- und Frauenbewegung in Verbindung gebracht.
Doch wird die Protestform auch von rechts angeeignet, so Celikates. Er verweist etwa auf Aktionen der sogenannten Identitären. Doch, so der Forscher, bezögen sich die Umweltaktivisten positiv auf demokratische Prinzipien, „während sogenannter ziviler Ungehorsam von rechts das eben häufig nicht tut, weil damit eher demokratiefeindliche Einstellungen verbunden sind“.
(rzr)
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