Dienstag, 30. April 2024

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Reform der Grundsteuer
"Es ist fünf vor zwölf"

Der Städte- und Gemeindebund bangt um die Einnahmen aus der Grundsteuer. So gehe das nicht, sagte der Hauptgeschäftsführer des Kommunalverbands, Gerd Landsberg, im Dlf. Die Gemeinden könnten nämlich auf die Grundsteuer nicht verzichten. Man brauche das Geld für Kindergärten und Schulen.

Gerd Landsberg im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 10.04.2019
Luftaufnahme einer Siedlung.
Die Koalition streitet darüber, wie die Grundsteuer künftig erhoben werden soll (unsplash / Max Boettinger)
Sina Fröhndrich: So geht’s nicht! Die Kritik der Union gestern war deutlich. Finanzminister Olaf Scholz hat seinen Entwurf für eine Reform der Grundsteuer vorgelegt. Aber der Koalitionspartner will nicht so richtig mitspielen, denn Scholz möchte ein Modell, das den Wert von Immobilie und Grundstück berücksichtigt. Die Union aber fordert, dass die Länder Spielräume bekommen. Und die Deutsche Presseagentur schreibt sogar, dass das Kanzleramt den Entwurf zurückgewiesen habe. Steht die Reform der Grundsteuer auf der Kippe? Darüber spreche ich jetzt mit Gerd Landsberg, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Guten Abend, Herr Landsberg.
Gerd Landsberg: Guten Abend, Frau Fröhndrich.
Fröhndrich: Es steht Spitz auf Knopf. Ohne Regelung bis Ende des Jahres können die Kommunen die Steuer nicht mehr kassieren. Nehmen Sie schon leise Abschied von der Grundsteuer?
Landsberg: Das nehmen wir ganz sicherlich nicht, weil wir nämlich auf die Grundsteuer nicht verzichten können. Das sind 14 Milliarden. Aber wie Sie richtig sagen: Es ist fünf vor zwölf. Wir erwarten, dass der Streit beendet wird und endlich ein Kabinettsbeschluss gefasst wird und das ins Gesetzgebungsverfahren geht. Der Streit ist auch nicht neu. Genau genommen läuft er seit 20 Jahren. Wir haben fünf Kommunalwahlen in Deutschland; das sollten die Politiker in Berlin sich mal sehr gut überlegen.
"Wir brauchen dieses Geld"
Fröhndrich: Sie haben die 14 Milliarden angesprochen und Sie haben auch gesagt, dass einige Kommunen ohne dieses Geld nicht mehr handlungsfähig wären. Aber eigentlich ist ja viel wichtiger die Gewerbesteuer. Malen Sie da nicht vielleicht den Teufel an die Wand?
Landsberg: Nein, das tue ich nicht. Wir haben natürlich Städte, denen es sehr gut geht, die auch hohe Gewerbesteuer-Einnahmen haben. Aber nach der Gewerbesteuer ist die Grundsteuer die zweitwichtigste Steuer, und gerade die finanzschwachen Kommunen sind auf die unverzichtbar angewiesen. Sehen Sie: Der Bund erwartet von uns Kindergärten bauen, Schulen bauen, renovieren. Das erwarten auch die Menschen. Und dafür brauchen wir Geld und dieses Geld ist eben auch die Grundsteuer.
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
Fröhndrich: Das heißt, wenn jetzt Verbände wie Haus und Grund sagen, lasst uns doch die Grundsteuer einfach abschaffen, dass man die Einnahmen der Kommunen vielleicht über die Einkommenssteuer kompensiert, davon halten Sie wahrscheinlich nicht so viel?
Landsberg: Davon halte ich überhaupt nichts, weil es eine eigene Steuer ist. Und Sie wissen doch: Wenn ein Politiker sich heute hinstellt und sagt, wir erhöhen die Einkommenssteuer, oder auch die Lohnsteuer, damit die Kommunen mehr Geld bekommen, was dann in diesem Land los ist, ist völlig unrealistisch. Dahinter steckt so nach dem Motto, der Staat und die Kommunen sollen alles leisten, aber Steuern wollen wir doch nicht so gerne bezahlen. So geht es nicht.
"Belastung für Mieter von 20 Euro im Monat"
Fröhndrich: Auf der anderen Seite: Wir haben ja eine ziemlich angespannte Mietsituation in einigen Großstädten. Ohne Grundsteuer, wenn eine Grundsteuer nicht mehr erhoben werden würde, würde das die Mieter ja vielleicht entlasten.
Landsberg: Da bin ich nicht sicher. Man muss mal schauen: Was bedeutet das denn? – Im Schnitt bedeutet die Grundsteuer im Moment eine Belastung für den Mieter von 20 Euro im Monat. Glauben Sie ernsthaft, dass 20 Euro im Monat die Mietsituation in den Ballungsräumen wesentlich entlasten? Ich glaube das nicht und das entspricht auch nicht der Realität.
Fröhndrich: Dann schauen wir noch mal auf das, was die Union fordert. Die möchte eine Öffnungsklausel für einzelne Länder. Kanzlerin Merkel hat sich heute im Bundestag dafür auch offen gezeigt. Ich habe jetzt noch nicht genau verstanden, was das hieße. Hieße das dann, Bayern kassiert irgendwie nach Fläche und Berlin nach Wert? Oder wie verstehen Sie diese Öffnungsklausel?
Landsberg: Ich glaube, dass es genauso gemeint ist. Die Bayern haben immer gesagt, wir wollen uns an der Fläche orientieren, das ist einfach und dann bleibt es auch alles niedrig und das können wir, das haben wir nämlich bisher auch schon so gemacht. Nur ich glaube, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das gerade abgelehnt hat. Dort steht wörtlich, es muss eine realitätsgerechte Abbildung des Wertes sein, und es steht wörtlich in der Entscheidung, selbst der noch so hohe Verwaltungsaufwand rechtfertigt es nicht, von dieser Realitätsferne Abstand zu nehmen. Das heißt, nur an der Fläche, auch wenn wir uns das vielleicht alle wünschen, wird es nicht gehen.
Man muss ja auch sehen: Scholz hat ja schon nachgebessert. In dem jetzigen Gesetzesentwurf, der jetzt zurückgewiesen worden ist, stehen im Prinzip nur noch fünf Parameter, nämlich die Größe, das Baujahr, die Lage, der Mietspiegel und die Bodenwert-Richtlinie. Das ist schon sehr, sehr stark pauschaliert und ich glaube, dass das funktionieren könnte.
Warnung vor Steuer-Flickenteppich
Fröhndrich: Trotzdem gibt es auch am Scholz-Modell rechtliche Bedenken. Haben Sie Vertrauen, dass so eine Reform am Ende nicht dann doch wieder vom Bundesverfassungsgericht kassiert wird?
Landsberg: Die Gefahr besteht immer. Das wird natürlich Jahre dauern. Deswegen bin ich auch ein Gegner, dass jedes Land jetzt nach einer Öffnungsklausel es nach anderen Kriterien macht. Dann haben wir am Ende nicht nur eine Verfassungsgerichtsentscheidung, sondern vielleicht zehn oder zwölf, einen Flickenteppich von Steuern. Ich glaube nicht, dass das gut wäre.
Es kommt hinzu: Selbst wenn man sich auf solche Öffnungsklauseln verständigt, werden die Länder überhaupt in der Lage sein, in der verbleibenden Zeit – wir haben jetzt schon bald Ende April – bis Ende des Jahres das umzusetzen. Da bin ich gar nicht so sicher. Das ist ja auch ein Gesetzgebungsverfahren. Das wird eine sehr schwierige Kiste und ich hoffe sehr, dass die Koalition sich doch noch auf einen Entwurf verständigt.
Fröhndrich: Könnte das denn vielleicht Kalkül auch von Olaf Scholz sein, diese ganze Hakelei, dass es am Ende dann ein sehr einfaches Modell gibt, ein Flächenmodell, oder am Ende doch gar keine Reform und die Grundsteuer kann dann nicht mehr kassiert werden?
Landsberg: Ich schaue natürlich nicht in den Kopf des Finanzministers, aber das glaube ich eigentlich nicht. Er muss ja ein hohes Interesse haben, dass die Einnahmen der Kommunen nicht geringer werden, sondern eher größer, denn umso geringer unsere Einnahmen, umso größer sind die Forderungen an den Bund. Das ist ja legitim. Er kann eigentlich kein Interesse haben, dass der öffentlichen Hand auf kommunaler Ebene solche Einnahmen wegbrechen. Das glaube ich nicht.
Es ist natürlich nicht ganz auszuschließen, dass man ein bisschen auf Zeit spielt und sagt, irgendwann ist der Druck so groß, dann wird man einen Gesetzesentwurf vielleicht doch akzeptieren. Aber das ist jetzt Spekulation.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.