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Clean and Green: Hype oder Hoffnung

Umwelt. - Das "Global Climate and Energy Project" an der kalifornischen Stanford-Universität sucht nach Wegen, die Energieversorgung langfristig sichern, ohne Treibhausgase in die Luft zu blasen. Einer der beteiligten Forscher untersucht Sinn und Unsinn des Energiepflanzenanbaus.

Von Ralf Krauter | 23.01.2009
    Christopher Field ist Ende 40, wird von allen Chris genannt und fährt jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit. Der Direktor des Instituts für globale Ökologie auf dem Campus der Universität Stanford ist Experte für Energiepflanzen. Von deren massenhaftem Anbau für die Produktion von Bioethanol, wie es Gesetze in den USA und Europa vorschreiben, hält er allerdings wenig.

    "I think that the mandates for increasing ethanol in the transportation system, in both the EU and the US are probably misplaced."

    Er halte die Vorschriften, den Bioethanolgehalt von Benzin dies- und jenseits des Atlantiks sukzessive zu erhöhen, für fehl am Platz, erklärt der Professor. Der US-Kongress hat 2005 ein Gesetz verabschiedet, wonach die Bioethanol-Produktion bis 2012 verdoppelt werden soll. Das freut die Bauern, die für ihren Mais plötzlich Rekordpreise erzielen.

    "Die gesetzlichen Regelungen wurden erlassen, um unsere Abhängigkeit von Ölimporten zu verringern und um den Farmern ihr Auskommen zu sichern. Dabei müssten wir ganz andere Prioritäten setzen. Wir müssen uns sowohl in Europa als auch in den USA darauf konzentrieren, wie wir Energiepflanzen nutzen können, um den Klimawandel aufzuhalten."

    Christopher Field plädiert für eine ganzheitlichere Bewertung des Sprits vom Acker. Um den Boden dafür zu bereiten, hat er kürzlich eine umfassende Studie erstellt, die die Chancen und Risiken des industriellen Anbaus von Energiepflanzen auslotet – und zwar erstmals weltweit unter Berücksichtigung aller sozialen und ökologischen Nebenwirkungen. Field:

    "Wir versuchen herauszufinden, wie viel Energie aus pflanzlicher Biomasse sich ohne inakzeptable Folgen für Mensch und Umwelt gewinnen ließe."

    Inakzeptable Folgen – dazu zählen auch steigende Nahrungsmittelpreise, wie man sie in Mexiko und anderswo bereits zu spüren bekam. Deshalb sind für Christopher Field alle 1,5 Milliarden Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, auf denen heute weltweit Nahrungsmittel angebaut werden, tabu für die Energieernte.

    "Wir haben uns jene zusätzlichen Flächen angeschaut, die innerhalb der vergangenen 300 Jahre einmal landwirtschaftlich genutzt worden sind, heute aber brach liegen. Das sind 500 bis 600 Millionen Hektar weltweit und entspricht etwa einem Drittel der heute bewirtschafteten Flächen."

    Gut ein Fünftel dieses im Prinzip verfügbaren Brachlandes mussten die Forscher aber wieder von ihrer Inventurliste streichen - weil die Gebiete entweder schwer zugänglich sind oder weitgehend unfruchtbar. Field:

    "Würde man den verbleibenden Rest komplett mit Energiepflanzen bestellen, könnte man dort insgesamt sechs bis acht Prozent des globalen Energiebedarfs ernten. Allerdings nur, sofern es gelänge, tatsächlich jedes in den Pflanzen gespeicherte Kilojoule Energie zu nutzen. Sechs bis acht Prozent: Das ist eine ziemlich kleine Zahl. Und sie bedeutet: Biokraftstoffe werden niemals Benzin, Diesel und Kerosin ersetzen oder eine zentrale Rolle bei der globalen Energieversorgung spielen."

    Nüchtern betrachtet wäre es deshalb höchste Zeit, den umstrittenen Biosprit-Hype nicht länger mit gesetzlichen Regelungen aus Washington oder Brüssel zu fördern. Über zehn Prozent des heutigen Treibstoff-Bedarfs wird der Sprit vom Acker langfristig wohl nie beisteuern können. Viel zu wenig, um den Klimawandel zu bremsen. Den Brasilianern rät Christopher Field gleichwohl, weiter auf Bioethanol aus Zuckerrohr zu setzen. Und auch in Teilen Afrikas könnte es sich ökologisch rechnen, im großen Stil Energiepflanzen anzubauen. Anstatt das Grünzeug zu Kraftstoff zu konvertieren, wäre es allerdings meistens schlauer, es direkt in Biomasse-Kraftwerken zu verheizen.