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Die weltbesten Azubis

Selten sind in der Leipziger Straßenbahn so viele Sprachen zu hören wie an diesem Wochenende. Azubis und Gesellen aus 53 Teilnehmerländer kämpfen um die Auszeichnungen für die besten Fliesenleger, Schreiner, Krankenpfleger oder Köche der Welt.

Von Silvia Lauppe | 06.07.2013
    "Da ist China, Niederlande, Japan, Macao, Südafrika, alles Mögliche."

    Der Fliesenleger Björn Bohmfalk blickt an dem blauen Stoffband herunter, das er um den Hals trägt. Daran ist sein Teilnehmerausweis für die Worldskills befestigt, das Band ist geschmückt mit kleinen Ansteckern.

    "Das sind die Pins von den anderen Ländern, die tauschen wir so untereinander, dafür kriegen die dann einen deutschen Pin, das ist so Tradition hier."

    Mit vielen der Nationen an seinem Band steht Björn in direkter Konkurrenz. Er kommt aus Ostfriesland und tritt für Deutschland an. Auf dem T-Shirt des Fliesenlegers prangen kleine Flaggen aus Taiwan, Kolumbien, Frankreich oder Ungarn. Mit seiner Arbeit ist Björn bisher zufrieden.

    "Also ich hab bis jetzt an der Wand A gearbeitet, die muss auch bis heute Abend fertiggestellt werden, das ist das Brandenburger Tor, das ist dreidimensional vorgemauert und muss allseits verfliest werden, und da bin ich jetzt gleich soweit fertig, muss ich noch ein paar Gärungen machen, noch einfugen, und dann bin ich mit der Wand soweit durch."

    Die schwierigen Wettkampfaufgaben kann man bei den Worldskills vom ersten Moment bis zur Vollendung verfolgen. Die blonden Puppenköpfe der Friseurlehrlinge tragen ihre Haarpracht nun aufwendig hochgesteckt, einzelne Strähnen mit viel Gel und Spray zu Wellen und Kurven geformt. Andere Berufe, wie die Landschaftsgärtner, benötigen die gesamten dreieinhalb Tage für ihre Aufgabe, einen kleinen Garten mit Terrasse, Pflanzenbogen und Wasserspiel anzulegen.
    Die Teilnehmer arbeiten hoch konzentriert. Schilder hängen aus: "Bitte nicht mit den Kandidaten sprechen". Nur in den sozialen Dienstleistungen wird viel geredet, wenn die Azubis im Restaurant Bestellungen aufnehmen, den Komparsen im Beauty-Salon Gesichtsmasken auflegen oder Krankengymnastik mit älteren, zittrigen Menschen machen.

    "It’s important to wear your shoes so you don’t lose your balance. - Okay. – And now you can get up, how do you feel? – A little bit dizzy. – Okay. So when you go home."

    Die Kandidaten der Gesundheits- und Sozialpflege zeigen ihr Können in 30-minütigen Prüfungen. Auch für sie wurden bei den Worldskills authentische Bedingungen geschaffen und Kranken- und Pflegezimmer eingerichtet. Blumen stehen auf dem Nachttisch, in der Ecke ein Waschbecken. Auf dem Bett sitzt im karierten Hemd der Laiendarsteller Christoph Sobota. Er wirkt verstört, an seiner Stirn prangt eine Wunde, mit kleinen Stichen genäht. Die finnische Pflegerin, blaue Kleidung, die dunklen Haare zum Zopf gebunden, ist Anna Blubaum. Sie lächelt, während sie ihrem Patienten den Blutdruck misst.
    "I’m just going to tighten this a little bit. Does that feel okay? Okay, now you can put your arm down."

    Christoph Sobota hat inzwischen bei mehreren Prüfungen der Worldskills mitgemacht und festgestellt, dass die Kandidaten ganz verschiedene Ansätze verfolgen, wenn sie sich um ihre Patienten kümmern.

    "Natürlich, es gibt sehr große Unterschiede, man merkt also die Mentalitäten der einzelnen Länder, sind an die Herangehensweise dieser Weltmeisterschaft wahrscheinlich anders geschult oder haben eine andere Art, die Patienten zu versorgen. Die Finnin zum Beispiel war sehr bedacht auf die Person, eben hatte ich gerade eine Dame aus Saudi-Arabien, da war die Person nicht ganz so vorne dran, die hat nicht so oft gefragt, die hat ihr Programm gespult, aber irgendwie – die Person war im Hintergrund."

    Simon Bartley, der Präsident des Weltverbandes Worldskills International, hat dieses Phänomen über viele Jahre beobachtet. Er spricht in diesem Zusammenhang von unterschiedlichen nationalen Standards, die auf die jeweiligen Länder zugeschnitten sind. Hier, so sagt er, soll der Wettbewerb der Weltmeisterschaft die Nationen zusammenbringen.

    "Jedes Land trainiert seine Nachwuchskräfte auf den Standard hin, der in diesem Land und für diese Arbeitgeber benötigt wird. Wenn wir die Nationalmeister hier zusammenbringen, entsteht ein neuer Standard, der höher ist als in den einzelnen Ländern. So können die Länder sich entwickeln und den nationalen Standard verbessern, damit sie im globalen Vergleich konkurrenzfähig werden."

    Der Konkurrenzdruck bei den Worldskills ist hoch. Viele Kandidaten können ihre Mitstreiter und deren Arbeit direkt beobachten und so jederzeit sehen, auf welchem Level sie stehen. Doch der Wettbewerb scheint über die fachliche Ebene noch hinauszugehen: Die Teilnehmer überbieten sich gegenseitig in der Größe der Flaggen, die aus ihren Hotelzimmern wehen. Einer der auffälligsten Glücksbringer ist das aufgeblasene Känguru eines australischen Mechanikers, fast einen Meter hoch. Zwei schwedische Fans streifen als Wikinger verkleidet mit der schwedischen Fahne durch die Messehallen. Eines ist klar: Nicht nur Fußballer wecken bei Meisterschaften den Nationalstolz: Auch Autolackierer, Konditoren und Mechatroniker können das. Bei den Worldskills, der WM der Berufe.