Schulgipfel im Kanzleramt

Medienmündigkeit als Gebot der Stunde

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Schülerinnen und Schüler sitzen mit Maske und Laptop im Schulunterricht.
Nur wenige Schulen sind bei der Digitalisierung auf der Höhe der Zeit, wie sich in der Coronakrise noch stärker zeigt. © dpa/Andreas Arnold
Bernhard Pörksen im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 21.09.2020
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Mehr Medienbildung in den Schulen fordert der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Er ist skeptisch, ob der heutige Schulgipfel im Kanzleramt eine ausreichende Antwort auf den "Digitalisierungsschock" geben wird.
Bei einem Spitzentreffen zur Digitalisierung wird heute im Bundeskanzleramt über die Lage in den Schulen gesprochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wünscht sich rasche Fortschritte und hat deshalb die Bildungsminister der Länder ebenso zum Gespräch eingeladen wie Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und SPD-Parteichefin Saskia Esken.


Von einem "Digitalisierungschock" in Schulen und Universitäten spricht unser Studio 9-Gast, der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Bei der Bildung sei das Regierungshandeln nicht besonders effizient gewesen. Es gebe einen "weitgehend vermurksten Digitalpakt", bei dem eigentlich fünf Milliarden in die Schulen gehen sollten. Die Grundidee sei gewesen, dass die einzelnen Schulen ein eigenes Konzept der Medienbildung einreichen sollten. "Viele Schulen kommen da kaum hinterher, haben da ganz andere Probleme in der Infrastruktur."
Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen
Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen wünscht sich ein eigenes Fach Medienkunde in den Schulen. © picture-alliance/rtn-radio tele nord

Antwort auf die Medienrevolution nötig

Es sei zwar gut, staatliches Geld an die Schulen zu geben, sagt Pörksen. "Aber die Grundfrage ist: Wozu?" Er werbe seit Jahren mehr oder minder erfolglos für eine werteorientierte Medienbildung. Sie sei gerade in der Coronapandemie wichtig, die von einer "Infodemie" begleitet werde.
"Wir haben eine laufende Medienrevolution, etwa vergleichbar mit der Erfindung der Schrift, der Erfindung des Buchdrucks, mit beweglichen Lettern und wir erlauben uns darauf mit ein paar Medienkompetenz-Seminaren zu reagieren", kritisiert Pörksen.

Stattdessen werde ein eigenes Schulfach benötigt und eine Auseinandersetzung mit dieser Medienrevolution. Es gehe auch darum, die Medienpraxis einzuüben. "Wir sind alle zu Sendern geworden, medienmündig, aber noch nicht medienmächtig." Dabei halte er es für das Gebot der Stunde, medienmündig zu werden. Bei dem Schulgipfel rechne er eher mit Notlösungen, die dort diskutiert würden.

Fehlende Medienkompetenz beim Lehrpersonal

Bei den Lehrern sei diese Medienkompetenz nicht ausreichend vorhanden, sagt Pörksen und verweist auf entsprechende Studien. Auch in der Lehrerausbildung werde nach wie vor nicht genug getan. Kompetenz müsse nicht nur technisch verstanden, sondern auch inhaltlich ausbuchstabiert werden. Es werde eine Auseinandersetzung mit Medienmacht und Medienpraxis gebraucht.

In Zeiten von "Fakenews" werde aber auch eine angewandte Wirkungswissenschaft benötigt. "Im Kern geht es darum, Öffentlichkeit als etwas Schützenswertes zu begreifen, so wie in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Umweltbewusstsein als Reaktion auf die Ausplünderung des Planeten entstanden ist, so bräuchte es jetzt aus meiner Sicht eine Art Öffentlichkeitsbewusstsein als Reaktion auf die Vermüllung unserer öffentlichen Außenwelt."
(gem)

Bernhard Pörksen ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Zuletzt veröffentlichte er gemeinsam mit Friedemann Schulz von Thun das Buch "Die Kunst des Miteinander-Redens. Über den Dialog in Gesellschaft und Politik" im Hanser-Verlag.

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