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Ausbeutung für Naturschutzprojekte
Vermeintlich klimaneutral

Kobalt und Lithium sind essentielle Rohstoffe für die Produktion von Batterien für Elektroautos. Im Kongo und in Südamerika werden sie unter fragwürdigen Bedingungen abgebaut. Mit diesem Konzept würden im Grunde alte koloniale Strukturen reproduziert, kritisieren Umweltschützer.

Von Marisa Becker | 07.12.2020
Frau mit Handkarre in einemFluss umgeben von Gebüsch
Eine Frau trennt Kobalt von Steinen und Schlamm in einer Mine zwischen Lubumbashi und Kolwezi (AFP/ Federico Scoppa)
Magdalena Heuwieser ist Autorin und Klima-Campaignerin. Sie setzt sich in ihrer Arbeit vor allem kritisch mit Projekten auseinander, die Produkte im globalen Norden vermeintlich klimaneutral machen. Sie ermöglichen es zum Beispiel, dass Airlines klimaneutrale Flüge anbieten können, indem andernorts Bäume gepflanzt werden, die CO2 aufnehmen. Aus Heuwiesers Sicht ein Paradebeispiel für die kolonialen Strukturen, die unsere Wirtschaft auch mehr als 100 Jahre nach Ende der Kolonialzeit noch prägen:
"Warum ist das kolonial oder imperial? Weil die Lebensweise bei uns im globalen Norden auf Kosten des globalen Südens gehen. Und viele unserer Naturschutzprojekte dienen dazu, diese imperiale Lebensweise aufrecht erhalten zu können und gehen auf Kosten anderer. Eben dieses Landgrabbing. Aber mit neuer, grüner Legitimation."
Die Montanlandschaft Altenberg-Zinnwald im Osterzgebirge steht für die Gewinnung von Zinn, Wolfram und Lithium. Die Zinnerze wurden ab dem 15. Jahrhundert gewonnen, gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde Wolfram zum Hauptprodukt. Das Zinnbergwerk am Tiefen Bünau Stolln und Tiefen Hilfe Gottes Stolln wird als Besucherbergwerk genutzt
Das Wettrennen der beiden deutschen Lithiumproduzenten
Im Osterzgebirge liegen große Vorkommen an Lithium. Parallel tun sich auch Lithium-Konzentrationen im Oberrheingraben auf, deren Gewinnung sogar noch umweltverträglicher sein könnte.
Andere Bezeichnung: "CO2-Kolonialismus"
Im Globalen Süden kennt man den Begriff und seine Bedeutung schon lange. Hier ist das Problem auch als "CO2-Kolonialismus" bekannt. Magdalena Heuwieser: "Wenn für E-Autos Kobalt im Kongo und Lithium in Südamerika unter ausbeuterischen Bedingungen hergestellt werden müssen, damit wir hier weiter mit Autos rumfahren können, statt auf Öffis umzuschwenken, dann ist das eine Form von grünem Kolonialismus. Dann beruht unsere aktuelle und zukünftige Lebensweise darauf, dass andere für uns schuften müssen, dass die Umwelt für uns ausgebeutet wird, und das ist dann langfristig nicht haltbar."
Diesen Begriff lehnt das Bundesumweltministerium ab. Das Ministerium verweist darauf, dass "Kolonialismus" ein Maß an systematischer Unterdrückung impliziere, dass man bei pauschaler Anwendung auf den Umgang mit Ländern des Globalen Südens nicht erkennen könne. Die Journalistin Tonny Nowshin sieht im Wirtschaften der Industriestaaten sehr wohl eine systematische Unterdrückung. Dahinter stehe ein Mechanismus, der sowohl die Wurzel des Rassismus, als auch der Klimakrise darstelle: "In der Vergangenheit wurden die Menschen in Afrika aufgrund ihrer Hautfarbe ausgebeutet. Es hat lange gedauert, diesen Status quo zu verändern und auch heute findet noch Diskriminierung auf Basis der Hautfarbe statt. In der Klimakrise werden nun alle Formen der Ausbeutung miteinander kombiniert, auf denen unsere moderne Zivilisation sich gründet."
Forderung nach Klimagerechtigkeit
So würden durch die Klimakrise nicht nur Schwarze, sondern vor allem auch Frauen ausgebeutet. Denn die leiden in der Regel stärker unter den Folgen der Klimakrise. Aus Heuwiesers Sicht sind Kompensationszahlungen für den CO2-Ausstoß eines Langstreckenfluges eine Form des Ablasshandels nur modern. Und der ist unvereinbar mit der Forderung nach Klimagerechtigkeit, welche zum Beispiel Gruppen wie Fridays for Future aufstellen.
"Klimagerechtigkeit wäre, im Gegenzug, dass auch diejenigen im Globalen Süden, die kaum bisher beigetragen haben zur Klimakrise, dass die gehört werden, dass die mitentscheiden können. Dsas deren Ländereien für irgendwelche Klimaprojekte verwendet werden, die wir uns hier gutschreiben, damit wir hier so weitermachen können wie bisher."
Aber wie könnte ein anderer Weg aussehen? Heuwieser findet, der Wandel muss von der Politik kommen. Das Bundeswirtschaftsministerium zumindest sieht aber keinen Handlungsbedarf auf deutscher Seite. Schließlich habe man keinen Einfluss auf die Sozialstandards beim Rohstoffabbau in anderen Ländern, teilt das Ministerium mit.
Unterstützung in der Entwicklungszusammenarbeit
Im Kongo versuche man aber, die Regierung im Rahmen der Entwicklungsarbeit dabei zu unterstützen, bessere Bedingungen zu schaffen. Aus Sicht von Magdalena Heuwieser ist das eine ziemlich koloniale Sichtweise. Als Abnehmer der Produkte müsse Deutschland sicherstellen, dass diese nicht unter Verletzung der Menschenrechte produziert würden.
Ein Kind und eine Frau arbeiten in Lubumbashi in der Demokratischen Republik Kongo an Steinen aus einer Kobalt-Mine. Sie sitzen im Staub.
Zwangsarbeit und Vergewaltigung im Kampf um Kobalt im Kongo
Gewalt im Kongo: Vergewaltigungen an Frauen und Kindern und Zwangsarbeit führen zu schweren Traumata. Diese Menschenrechtsverletzungen stehen im Zusammenhang mit dem Abbau von Mineralien wie Kobalt.
So sieht das auch Tonny Nowshin. Sie fordert daher eine Dekolonisierung unserer Wirtschaft: "Wir müssen zunächst akzeptieren, dass unsere Wirtschaft auch heute noch von kolonialen Strukturen geprägt ist. Diese Prägung wird von globalen Institutionen sogar gefördert. Dann müssen wir zweitens kritisch prüfen, an welcher Stelle der Lieferkette die Gewinne gemacht werden. Denn Geld ist immer mit Macht verbunden. Und drittens müssen wir eine bessere Verteilung der Produktionsstätten sicherstellen und Reparationsprozesse in Gang setzen."
Nur, wenn es mehr Sichtbarkeit für dieses Thema gibt, so Nowshin, könne sich auch wirklich etwas ändern. Denn der Druck zur Veränderung der Politik, der müsse aus der Zivilgesellschaft kommen.