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Die islamische Almosengabe Zakat
Was die Sache Allahs wert ist

Jeder vermögende Muslim muss 2,5 Prozent des Einkommens entrichten für eine Wohltätigkeitsabgabe, die Zakat. Wer mindestens 40 Schafe oder Ziegen besitzt, gilt laut Koran als vermögend. Was das heute bedeutet, ist unklar. Zakat-Kampagnen sollen die sinkende Zahlungsmoral heben.

Von Michael Hollenbach | 29.08.2019
Aufruf zum Spenden, dem "Zakat", im islamischen Zentrum Al-Nour in Hamburg
Aufruf zum Spenden, dem "Zakat", im islamischen Zentrum Al-Nour in Hamburg (picture alliance / dpa / Axel Heimken)
"Wenn man den Islam verstehen will, muss man einen Unterschied verstehen zum Christentum. Es geht weniger um den richtigen Glauben, um die Orthodoxie, sondern mehr um die Orthopraxie, die richtige religiöse Praxis", erläutert die Religionswissenschaftlerin Verena Maske. Und zu dieser religiösen Praxis zählt Zakat.
Maske: "Zakat ist eigentlich eine Sozialabgabe, eine Almosensteuer, eine religiöse Pflicht, die sogenannte dritte Säule des Islam, die verbindlich jeder Muslim, der gläubig ist, zu zahlen hat."
"Das Gebet ist die Hinwendung des Gläubigen zu seinem Schöpfer, und die Zakat ist die Hinwendung des Gläubigen zu seinen Mitmenschen", ergänzt Firouz Vladi vom Islamverband "Muslime in Niedersachsen". Der Osnabrücker Islamwissenschaftler Mahmoud Haggag Rashidy weist auf die eigentliche Bedeutung von Zakat im Arabischen hin:
"Im allgemeinen Sprachgebrauch im Arabischen bedeutet das Wort Reinigung im Sinne, dass dadurch der Mensch seine Seele von innerlichen Krankheiten reinigt, aber auch Zuwachs im Sinne, dass dadurch, dass man einen Teil von seinem Vermögen entrichtet, wird sein Vermögen gesegnet."
Gold versus Gummi
Eine Zakat in der Höhe von 2,5 Prozent seines Einkommens zu entrichten, gehört zu den Pflichten jedes wohlhabenden Muslims. Das Wort Zakat kommt im Koran 32 Mal vor. Zakatpflichtig sind demnach Bauern, die Feldfrüchte anbauen; Vieh- und Edelmetallbesitzer sowie Händler. Zakatpflichtig ist man aber erst, wenn man – nach Deckung seiner Grundbedürfnisse - eine bestimmte Einkommensgrenze überschritten hat, den sogenannten Nisab. Laut Koran muss man zum Beispiel mindestens 40 Schafe oder Ziegen besitzen. Aktuell liegt dieser Nisab bei dem Wert von 85 Gramm Gold. Das wirft Fragen für die Moderne auf, meint die Religionswissenschaftlerin Verena Maske:
"Wie kann man das im aktuellen Wirtschaftssystem kontextbezogen auslegen? Weil, wenn man in islamische Länder schaut, zum Beispiel Ungerechtigkeiten passieren, wenn sie sich sehr stark an wortwörtlichen Aussagen orientieren, dann muss zum Beispiel ein Reisbauer, der hat vielleicht eine ganz Menge zakatpflichtiges Einkommen und jemand, der eine Gummifabrik hat, gar keines, weil Gummi nicht unter das zakatpflichtige Vermögen fällt."
Zakatrechner im Internet
Nur wenige islamische Staaten wie Saudi-Arabien, Malaysia und Pakistan treiben eine Art Zakatsteuer ein. Das ist aber zum Teil umstritten, da sich beispielsweise Malaysia noch immer auf die Koranvorgaben bezieht und Zakat vornehmlich von Bauern einzieht, die allerdings zu den ärmeren Bevölkerungsteilen gehören.
Diese enge Koranauslegung trifft man eher selten an. So weist der auch in Deutschland aktive türkische Islamverband "Milli Görüs" darauf hin, dass jenseits eines bestimmten Einkommens jeder erwachsene Muslim zakatpflichtig sei. Im Internet findet man zahlreiche Zakatrechner, mit denen sich die individuelle Höhe der Zakatsumme bestimmen lässt. Anders als die Kirchensteuer in Deutschland wird die Zakat von verschiedenen muslimischen Organisationen eingesammelt.
Verena Maske sagt: "Eigentlich bietet jeder islamische Verband die Möglichkeit, dort Zakat abzugeben. Dann sind das islamische Hilfsorganisationen, die das ganz gezielt tun. ‚Muslime helfen‘ ist eine von denen oder islamic relief eine andere. Dann sind das lokale Moscheevereine, das ist eigentlich relativ intransparent."
Interpretationsspielraum in der Sure
Organisationen wie "Milli Görüs", der der Verfassungsschutz ein antidemokratisches Staatsverständnis bescheinigt hat, beklagen eine gewisse Nachlässigkeit beim Zakatzahlen. Deshalb hat "Milli Görüs" eine Kampagne gestartet, um die Zahlungsmoral zu heben. Kritisiert wird auch, dass die Zakat von den in Deutschland lebenden Muslimen lange Zeit als individuelle Hilfe für arme Menschen in den Herkunftsländern verstanden wurde – auch für die eigene Verwandtschaft.
Für wen Zakat eigentlich gedacht ist, das ist im Koran in der Sure Tawba festgehalten.
"Die Almosen sind nur für Arme und Bedürftige; für die, die sie eintreiben; für die, deren Herzen für den Islam gewonnen werden sollen; für die Sklavenbefreiung; die Schuldner; für die, die die Sache Gottes voranbringen und für den mittellosen Reisenden. Das ist eine Pflicht - von Allah auferlegt. Allah ist allwissend und ist weise."
Diese Sure kann allerdings auch so interpretiert werden, dass Zakat insgesamt für die Sache Allahs eingesetzt werden soll – und das kann dann fast alles sein.