Dienstag, 30. April 2024

Archiv

Schuldenstreit mit Griechenland
"Die haben das Ding selbst an die Wand gefahren"

Nach Ansicht des CDU-Haushaltspolitikers Klaus-Peter Willsch wäre ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone nicht schlimm. "Man braucht den Euro nicht, um guter Europäer zu sein", sagte er im Deutschlandfunk. Wenn es soweit käme, hätte sich das die Regierung Tsipras selbst zuzuschreiben.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Bettina Klein | 17.06.2015
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch, aufgenommen am Samstag (28.07.2007) auf einer Pressekonferenz in der CDU-Kreisgeschäftsstelle in Bad Schwalbach.
    Der CDU-Politiker Klaus-Peter Willsch: "Momentan sieht es so aus, dass es ein Fading Out geben wird." (dpa / picture-alliance / Salome Kegler)
    Willsch ist innerhalb seiner Partei ein bekennender Kritiker der Hilfsprogramme für Griechenland. Er betonte mit Blick auf Ministerpräsident Alexis Tsipras und Finanzminister Yanis Varoufakis: "Es gab allen guten Willen, den die aber rabiat verspielt haben mit ihrem Auftreten." Es sei unwürdig, "dass wir Herrn Tsipras hinterherlaufen und ihn anbetteln, unser Geld zu nehmen."
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete fügte hinzu, es sei klar, dass Athen den Großteil der Kredite nicht zurückzahlen könne. Eine Gefahr für die Wertegemeinschaft Europa durch einen Austritt des Landes aus der Eurozone sehe er dennoch nicht. "Wenn Griechenland aus dem Euro ausscheidet und in der Europäischen Union bleibt, ist das völlig undramatisch." Das Thema werde seiner Meinung nach überhöht.
    In der Unionsfraktion gebe es viel Unzufriedenheit und Unmut bei dem Thema. Wie sich die Abgeordneten verhielten, sollte es erneut ein Hilfspaket für Griechenland geben, sei aber abhängig davon, was konkret vorgelegt werde.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Morgen also das Eurogruppen-Treffen. Dann muss eine Lösung für Griechenland her, so heißt es. Sonst Sondergipfel. Notfallpläne werden diskutiert. Der Ton wird wieder schärfer. Aber es wird auch keine Mühe gescheut, doch noch eine Einigung mit Athen hinzubekommen.
    Klaus-Peter Willsch ist Haushaltspolitiker aus der Unions-Fraktion. Er hat schon lange einen eigenen Kopf bewiesen, was das Thema angeht, sprich seine Stimme zum Beispiel den Hilfspaketen verweigert, und ist der Meinung, Griechenland sollte besser ausscheiden aus dem Euro. Er ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Willsch.
    "Griechen haben Ding selbst an die Wand gefahren"
    Klaus-Peter Willsch: Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Herr Willsch, alles sinnlos? Sollten die Bemühungen sofort eingestellt werden Ihrer Meinung nach?
    Willsch: Es gibt bei der Neigung der griechischen Regierung, Schuldige immer irgendwo anders zu suchen, außer bei sich selbst, wahrscheinlich einen guten Grund zu demonstrieren, dass man alles tut, um das noch hinzukriegen. Aber für mich ist die Verteilung da schon eindeutig. Wenn Sie sich anschauen, wie Tsipras und Co. Gestartet sind - die hatten ja alle einen guten Willen, als Linksradikale mit Rechtsradikalen zusammen eine Regierung gebildet, und da ist gejubelt worden, der Generalsekretär der französischen Sozialisten hat das als großen Sieg und Wende gefeiert. Und es gab allen guten Willen, den die aber rabiat verspielt haben mit ihrem Auftreten. Die haben das Ding jetzt selbst an die Wand gefahren.
    Klein: Stichwort Linke. Die Linkspartei hierzulande sagt, es ist gar kein Geld nach Griechenland geflossen, sondern Geld ist geflossen, um die Banken zu stabilisieren von den einen Banken an die anderen.
    Willsch: Ja, das sind die üblichen Sprüche. Wenn Sie das ganz grob machen, können Sie sagen, ein Drittel ist geflossen an Banken. Das sind ja die eigenen griechischen Banken gewesen, die griechische Staatsanleihen hielten. Das heißt, der griechische Staat konnte die Anleihen nicht bedienen und deshalb ist die Gebergemeinschaft eingesprungen dafür. Ein weiteres Drittel ist geflossen, um den überzogenen Lebensstandard zu halten, also zum Ausgleich des Außenhandelsdefizits. Und das dritte Drittel ist geflossen, um Kapitalflucht zu ermöglichen. Das ist abgehoben worden und außer Landes geschafft worden.
    Klein: Ich will noch mal anknüpfen bei meiner ersten Frage. Sollte weiter verhandelt werden Ihrer Meinung nach, oder finden Sie das von vornherein sinnlos, was da passiert im Augenblick?
    "Ich finde das ein bisschen unwürdig"
    Willsch: Ich finde, ehrlich gesagt, ein bisschen unwürdig, dass wir jetzt wie Herr Faymann Herrn Tsipras hinterherlaufen und ihn anbetteln, er soll doch bitte unser Geld nehmen. Das finde ich schon ein bisschen ungewöhnlich.
    Klein: Unser Kollege Theo Geers hat vorhin vermutet, Griechenland will eh nicht mehr im Euro bleiben und versucht, nur noch den Preis für den Ausstieg hochzutreiben. Ist das auch Ihre Vermutung?
    Willsch: Das machen sie die ganzen letzten vier, fünf Monate. Es ist ja auch so, dass die Druckerpresse kräftig weiterläuft. Die Notfall-Liquidität wird gegeben von der EZB, die sogenannte ELA. Da sind wir inzwischen auf 83 Milliarden. Und das alles ist im Grunde genommen Geld, was dort produziert wird und was dann abgehoben wird, unter die Matratze kommt oder ins Ausland geschafft wird, um sich für schwierige Zeiten vorzubereiten, oder das Auslandsvermögen weiter aufzublasen.
    Klein: Aber wie hoch ist denn der Preis? Die Gegner eines Grexit oder die Befürworter, Griechenland so lange wie möglich im Euro zu halten, argumentieren ja auch so, dass der Ausstieg weitaus teurer käme, und zwar auch für uns, als wenn Griechenland drin bleiben würde.
    Willsch: Da habe ich noch keine seriöse Berechnung für gesehen. Wenn Sie sich anschauen, was wir momentan im Feuer haben, dann müssen wir davon ausgehen, das ist überwiegend weg. Die werden das nicht zurückzahlen können. Und es gab noch nie einen Staatsbankrott, wo auf null abgeschrieben wurde. Irgendwas ist immer noch zurückgekommen, aber ein Großteil davon ist verloren. Und die Frage, um die wir jetzt verhandeln, ist: Schießen wir weiter gutes Geld dem schlechten hinterher, oder sagen wir, jetzt ist endlich Schluss?
    Griechenland ist von seiner Wettbewerbsfähigkeit her nicht in der Lage, im Euro mitzuspielen. Die Strukturen im Staat, die jetzt schon seit Jahren uns versprochen werden aufzubauen, da kommen sie nicht recht voran. Es gibt keine funktionierende Steuerverwaltung, es gibt kein Katasterwesen. Wenn Sie sich die Berichte anschauen, was die EU in ihrer Abteilung Kohäsionsfonds, Strukturfonds so alles macht mit Griechenland, und wie viel da zurückgefordert wird, weil die Strukturen vor Ort nicht da sind, um das abzuarbeiten, dann sind 95 Prozent inzwischen Zuschuss. Griechenland muss nur noch fünf Prozent bezahlen, kriegt dazu noch Unterstützung von einer Task Force aus EU-Beamten und Beamten anderer Nationen. Aber sie kriegen es nicht fertig.
    "Syriza hat eine gewisse Nähe nach Russland"
    Klein: Herr Willsch, das sind die Argumente, die wir seit längerer Zeit auch von Ihnen ja hören. Es gibt gewichtige Gegenargumente, die wir heute Morgen auch bei uns im Interview gehört haben von Wolfgang Ischinger, der sagt, aus geostrategischen Gründen ist es hoch riskant und hoch gefährlich, Griechenland rauszulassen, weil man in Osteuropa eine gefährliche Flanke öffnen würde und die teils ohnehin instabilen Verhältnisse weiter destabilisieren würde. Dieses Argument zieht für Sie nicht?
    Willsch: Natürlich müssen wir so was auch bedenken. Aber ich habe eigentlich die Einschätzung, dass die Gefahr nicht so groß ist, wie Ischinger sie vielleicht berufsmäßig sieht. Putin hat ja schon seine Operettenrepubliken Abchasien, Südossetien, Transnistrien, die nur von Nordkorea und Russland anerkannt werden, die er unterhalten muss. Jetzt hat er die Besatzungskosten für die Krim am Bein. Er muss den Krieg in der Ostukraine finanzieren. Und dass er sich bei all dem noch Griechenland ans Bein binden würde, was ja ein schlechtes Investment ist - er müsste ja zubuttern -, das halte ich für unwahrscheinlich. Gleichwohl habe ich gerade gehört, dass Tsipras jetzt auch wieder in seiner Zockerei sagt, ich fahre direkt nach Moskau und treffe Putin. Im Zweifelsfall können Sie ihn eh nicht aufhalten. Die sind ja aus den Kommunisten hervorgegangen, diese Partei Syriza, und dass sie eine gewisse Nähe nach Russland haben, das ist halt so. Ich glaube aber nicht, dass sie Lust haben, in dieses Reich einzutreten sozusagen, sondern dass die Bevölkerung ganz gut weiß, dass sie im Westen gut aufgehoben ist.
    Klein: Herr Willsch, das führt aber auch noch mal weiter den Gedanken, dass es eben nicht nur um eine Währungsfrage, nicht nur um eine finanzpolitische Frage geht, sondern dass auch das Projekt Europas dabei auf dem Spiel steht, wie die Bundesregierung das gesagt hat. Sollte man das Ihrer Meinung nach in Kauf nehmen, dass das scheitert?
    Willsch: Ich halte die Gleichung für falsch. Die Gleichung, scheitert der Euro, scheitert Europa, war von Anfang an nicht richtig. Wir haben heute im Euro 19 Länder, in der EU sind wir 28. Es gibt neun Staaten innerhalb der Europäischen Union, die nicht mit dem Euro bezahlen und trotzdem gute Europäer sind, ob das die Polen sind, ob das die Tschechen sind, die Dänen sind. Da gibt es zwei Gruppen innerhalb der Europäischen Union und wenn Griechenland von der einen in die andere wechselt, geht dadurch nicht Europa unter. Es wird dieses Thema in meinen Augen überhöht. Es wird diese Karte mit der wichtigen geschichtlichen oder Friedensmission immer dann gespielt, wenn man ökonomisch nicht mehr weiter argumentieren kann und irgendeinen neuen Grund sucht, um das Auspauken Griechenlands - darum geht es ja im Kern. Die dauerhafte Übernahme des griechischen Staatsdefizits, das ist das, was eigentlich verlangt wird von uns. Und das kann nicht richtig sein in einer Gemeinschaft, in der festgelegt ist, dass jeder für seinen Haushalt selbst verantwortlich ist und auch jeder selbst diesen beschließen kann.
    Klein: Herr Willsch, muss man auch auf dieser Ebene etwas ehrlicher debattieren? Wir haben aus wichtigen zeithistorischen politischen Gründen damals ein im Kern etwas unzureichendes Projekt namens Währungsunion geschaffen. Wir haben die wirtschaftspolitische Verzahnung eben nicht im gleichen Maßstab eingeführt. Muss das einfach ehrlicher diskutiert werden und davon unabhängig die Finanzfrage geklärt werden, denn das so schnell einzuführen, das war ja offensichtlich auch ein Bestreben, um die Zustimmung zur deutschen Einheit zu bekommen. Das kann man ja auch nicht vergessen an der Stelle.
    Willsch: Ja, das hing zusammen. Es gab ja damals zwei Theorien. Das eine war die Krönungstheorie, wir müssen erst alle Politiken vereinheitlichen, Wirtschaftsunion schaffen, Sozialunion schaffen, und ganz zum Schluss setzen wir eine gemeinsame Währung als Krone obendrauf. Das andere war die Konvergenztheorie, die sich dann durchgesetzt hat in der Tat im Zuge der Jahre, wo es darum ging, mit den Nachbarn das Einvernehmen für die Einheit herzustellen. Da hat man gesagt, wenn wir uns jetzt vereinbaren auf klare Regeln, Maastricht-Kriterien, und eine stabilitätsorientierte Haushaltspolitik, dann werden die Volkswirtschaften sich aufeinander zuentwickeln und die unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeiten werden abnehmen. Wenn wir heute einen Strich darunter ziehen und schauen uns das an, dann müssen wir feststellen, dass diese Prognose nicht eingetreten ist, und dann muss man Schlüsse daraus ziehen, ohne deshalb das Einigungswerk in Europa in Frage zu stellen und das Friedenswerk.
    "Großbritannien-Frage ist sehr viel wichtiger"
    Klein: Und Sie sagen, Austritte aus dieser gemeinsamen Währung wie von Griechenland, möglicherweise gibt es Reaktionen auch in Großbritannien, das kann in Kauf genommen werden, ohne dass dieses Projekt in Frage gestellt wird?
    Willsch: Das sind jetzt zwei unterschiedliche Sachen. Wenn Griechenland aus dem Euro ausscheidet und in der Europäischen Union bleibt, ist das in meinen Augen völlig undramatisch. Was die Frage Großbritannien angeht, die ist in meinen Augen sehr viel gewichtiger. Bei Griechenland reden wir von zwei Prozent der Bruttowertschöpfung in Europa, Großbritannien ist ein richtiger Brocken und da geht es ja darum, ob sie in der EU bleiben oder nicht. Da geht es nicht um die Eurogruppe, da sind sie ja gar nicht drin. Da geht es um die Europäische Union und ich finde es ausgesprochen wichtig, dass das Vereinigte Königreich als ein Land, das für freien Handel steht, die transatlantische Allianz stark verkörpert, dass die mit dabei bleiben in der EU. Denn ich möchte nicht, dass wir zu einer Gemeinschaft umgebaut werden, wo nur noch Sozialtransfers und Ausgleich organisiert wird. Es muss auch erst mal was erwirtschaftet werden.
    Klein: Abschließend, Herr Willsch. Wenn es zu weiteren Abstimmungen im Deutschen Bundestag kommt, unabhängig von Ihrer persönlichen Meinung und Ihrem Abstimmungsverhalten, Ihre Fraktion wird aber geschlossen hinter weiteren Hilfsprojekten für Griechenland stehen?
    Willsch: Wir hatten ja gestern Fraktionssitzung und da hatten wir keine wirkliche Debatte darüber. Aber der Fraktionsvorsitzende hat das angesprochen. Der sagt, wir müssen erst mal gucken, ob überhaupt was abzustimmen ist. Wir wissen ja überhaupt nicht, was vorgelegt werden könnte. Momentan sieht es ja wirklich so aus, dass es ein Fading Out geben könnte, …
    Klein: Ein langsames Verschwinden.
    Willsch: …, dass einfach, wie Schäuble mal gesagt hat, am 30. is over, dass das einfach so eintritt, ohne dass noch mal irgendein Akt da wäre. Es ist natürlich viel Unzufriedenheit und Unmut in der Fraktion breit vorhanden. Aber das hängt dann natürlich davon ab, was konkret vorgelegt wird. Dass ich jetzt nach all den gescheiterten Jahren plötzlich dazu käme, einer weiteren Hilfsaktion zugunsten Griechenlands zuzustimmen, haben Sie schon richtig eingeordnet, mach ich nicht.
    Klein: Der CDU-Haushaltspolitiker Klaus-Peter Willsch heute Morgen im Deutschlandfunk mit seiner Einschätzung zum gegenwärtigen Stand der Griechenland-Verhandlungen. Danke für das Gespräch, Herr Willsch.
    Willsch: Danke, Frau Klein! Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.