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Jeanette Hofmann: Institut für Internet und Gesellschaft keine "Google"-Einrichtung

Heute wird das Institut für Internet und Gesellschaft an der Humboldt-Universität Berlin eröffnet. Es soll, so Jeanette Hofmann, Grundlagenforschung betreiben und Dienstleister für die Öffentlichkeit sein. Kritiker bemängeln die Finanzierung des Instituts durch Google.

Jeanette Hofmann im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 25.10.2011
    Tobias Armbrüster: Das Internet hat unseren Alltag in den vergangenen Jahren so sehr durchdrungen, dass man sich manchmal fragt, wo eigentlich die wissenschaftliche Forschung geblieben ist. Die vielen politischen Debatten von Google Street View bis zum Staatstrojaner, die zeigen ja, dass das Internet viele ungeklärte gesellschaftliche und politische Fragen aufwirft, Fragen, die eigentlich grundlegend beantwortet werden müssen. Das will nun ab heute ein neu gegründetes Forschungszentrum in Berlin tun, das Institut für Internet und Gesellschaft an der Humboldt-Universität. Und am Telefon bin ich jetzt verbunden mit Jeanette Hofmann, sie gehört als Direktorin mit zum Gründungsteam dieses Instituts. Schönen guten Morgen, Frau Hofmann.

    Jeanette Hofmann: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Frau Hofmann, was genau werden Sie und Ihre Kollegen an diesem Internet-Institut erforschen?

    Hofmann: Also wir werden auf das Internet aus verschiedener disziplinärer Perspektive gucken. Da versammeln sich eine Politikwissenschaftlerin, zwei Juristen und ein Informatiker, und unser Ziel ist es, sozusagen nicht nur aus unserer eigenen Perspektive zu gucken, sondern interdisziplinär zu forschen. Ich nenne Ihnen jetzt mal ein paar Themen, mit denen wir uns befassen werden. Eines betrifft den Datenschutz im Bereich des Internets der Dinge. Künftig werden ja nicht nur Menschen über das Internet kommunizieren, sondern auch immer mehr Objekte werden mit Schnittstellen ausgestattet. Das heißt in der Konsequenz, dass wir noch viel mehr Datenspuren erzeugen werden als bisher, weil eben das Internet immer mehr in unseren Alltag eindringt, und da stellen sich Fragen der Verwendung der Daten. Das ist ein Thema, mit dem wir uns befassen.
    Ein Zweites betrifft beispielsweise die Regeln in sozialen Netzwerken. Wer setzt diese Regeln und wie entwickeln die sich weiter? Das ist ein zweites Thema. Und dann: Der Informatiker zum Beispiel interessiert sich für Crowdsourcing. Das bedeutet, dass Innovationen und neue Informationen immer mehr aus der Nutzerperspektive von den Nutzern selbst erzeugt werden, und mit diesem Phänomen möchte er sich befassen.

    Armbrüster: Sind das denn nicht alles Fragen, die eigentlich auch von Soziologen oder Juristen beantwortet werden können oder meinetwegen auch von Computerexperten an Instituten, an Universitäten, die längst bestehen?

    Hofmann: Im Prinzip ja. Man wird auch feststellen, dass in den Lehrplänen, sagen wir, der Informatiker das Internet durchaus auftaucht, auch bei den Rechtswissenschaften werden Internetfragen gelehrt. Aber was wir erstens nicht haben, ist ein Ort, der sich auf interdisziplinärer Perspektive systematisch mit dem Internet und zwar nur mit dem Internet befasst, und zweitens finden wir doch erhebliche Leerstellen in den Sozialwissenschaften selbst, dort taucht das Internet faktisch gar nicht auf.

    Armbrüster: Sehen Sie sich dann auch als Beratungseinrichtung für die Politik?
    Hofmann: Nein, das tun wir nicht. Eines der Probleme, das sicher auf uns zukommen wird, ist, dass doch der Erwartungsdruck auch seitens der Medien an uns sehr hoch ist, dass wir sozusagen immer zu tagespolitischen Fragen eine Meinung haben. Wir aber wollen eigentlich Grundlagenforschung betreiben in diesem Bereich, und dieser Spagat, einerseits sozusagen Dienstleistung für die Öffentlichkeit zu bieten, aber andererseits auch systematisch zu forschen, was ja eher langfristig angelegt ist, da bin ich mal gespannt, wie wir mit dem umgehen werden.

    Armbrüster: Sie meinen, da wird einiger Druck auf Ihnen lasten und die Telefone werden sicher nicht stillstehen in den nächsten Tagen und Wochen?

    Hofmann: Das ist jetzt schon der Fall, ja.

    Armbrüster: Ist so ein Institut für Internet und Gesellschaft denn etwas weltweit Einmaliges, oder haben andere Länder so etwas längst schon?

    Hofmann: Nein. Wir finden in anderen Ländern schon seit vielen Jahren Forschungsinstitute, die sich speziell mit dem Internet befassen. Da gibt es beispielsweise das Bergmann Center in den USA, das existiert schon länger als zehn Jahre, und es gibt auch das Oxford Internet Institute in England, das existiert auch schon länger als zehn Jahre.

    Armbrüster: Frau Hofmann, in der Presse heißt diese neue Forschungseinrichtung auch immer wieder "Das Google-Institut". Grund dafür ist, dass Sie eine Menge Geld von Google bekommen. Wie viel Geld ist das genau?

    Hofmann: Wir bekommen für die ersten drei Jahre viereinhalb Millionen Euro. Das ist jetzt so eine riesige Summe gar nicht, wenn man es vergleicht mit den Haushalten von Universitäten.

    Armbrüster: Ist das Ihr gesamter Haushalt?

    Hofmann: Ja.

    Armbrüster: Wie abhängig sind Sie dann von Google?

    Hofmann: Also inhaltlich, das möchte ich noch mal betonen, sind wir vollkommen unabhängig. Wir setzen uns unser eigenes Forschungsprogramm, und da wird uns auch niemand reinreden. Um das sicherzustellen, haben wir auch zwei Gesellschaften gegründet. Es gibt eine Gesellschaft, die sich mit der Forschung befasst, und es gibt eine zweite Gesellschaft, die die Finanzierung des Instituts übernimmt, und die sind voneinander unabhängig. Aber es ist auch eine Vereinbarung, die wir mit Google von Anfang an so getroffen haben, weil für alle Beteiligten klar war, es würde uns auf die Füße fallen, wenn es versuchen würde, seitens Google auf unsere Forschung Einfluss zu nehmen, und wir individuell würden auch so nicht arbeiten wollen.

    Armbrüster: Aber, Frau Hofmann, lassen Sie uns das kurz durchspielen. Wenn es zum Beispiel bei Ihrem Institut mal um die gesellschaftliche Akzeptanz von etwa Google Street View gehen sollte, ein sehr umstrittenes Projekt bei uns in Deutschland, könnten Sie da zu einem Ergebnis kommen, das mit Google wirklich hart ins Gericht geht?

    Hofmann: Also nur um Ihnen ein Beispiel zu nennen: Ich forsche derzeit zu Google Books und meine Schlussfolgerungen sind durchaus Google-kritisch. Ein zweiter Direktor von uns, Wolfgang Schulz vom Hans-Bredow-Institut, der hat bereits zu Suchmaschinen geforscht und dessen Resultate waren auch kritisch. Ich glaube nicht mal, dass wir nach diesem Gesichtspunkt ausgesucht worden sind als Direktoren. Ich glaube, da müssen Sie sich keine Sorgen machen.

    Armbrüster: Was für Leute sind das denn, die an Ihrem Institut arbeiten?

    Hofmann: Wir werden erstens eine Reihe von Doktoranden einstellen, wir werden ein Graduiertenkolleg einrichten und hoffen, auch da, also auf der Doktorandenebene, Menschen aus ganz verschiedenen Disziplinen, das heißt auch mit unterschiedlichen Kompetenzen zu versammeln. Und dann wird es sicher auch davon abhängen – vielleicht sollte man das noch dazu sagen -, es ist ja unsere Absicht, weitere Forschungsmittel einzuwerben, auch durchaus aus öffentlichen Haushalten, und auch weitere Förderer hinzuzugewinnen. Also je nachdem, wie viele Mittel wir einwerben, desto mehr Leute werden wir auch einstellen können.

    Armbrüster: Ganz kurz zum Schluss: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Politik, die uns das Internet in den kommenden Jahren bescheren wird?

    Hofmann: Einerseits auf der Architekturebene, Netzarchitektur ist ein Thema, das geht häufig durch die Presse. Es wird uns allen daran gelegen sein, die Neutralität des Netzes, der Infrastruktur zu wahren, sodass es nicht zu einer Diskriminierung entweder von Anwendungen oder Anwendern kommt. Das Internet mit seiner Innovationsoffenheit aufrecht zu halten, das ist, glaube ich, die größte Herausforderung.

    Armbrüster: An der Humboldt-Universität in Berlin wird heute das Institut für Internet und Gesellschaft aus der Taufe gehoben. Wir sprachen mit der Gründungsdirektorin Jeanette Hofmann. Besten Dank, Frau Hofmann, für das Gespräch.

    Hofmann: Auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.