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Steinmeier-Nachfolge im Außenministerium
"Wir sind schon in der Präsidentenfrage hinterhergedackelt"

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch stellt der Unionsfraktion ein schlechtes Zeugnis aus bei der Kandidatensuche für das Bundespräsidentenamt. "Das war ein Meisterstück", sagte Willsch im Deutschlandfunk mit ironischem Unterton. Er plädiert dafür, dass die Union jetzt zumindest das Außenministerium neu besetzt.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Dirk Müller | 15.11.2016
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willisch spricht am Rednerpult im Bundestag.
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willisch (imago stock&people)
    Eine Bewertung des Kandidaten Frank-Walter Steinmeier als Nachfolger für Joachim Gauck möchte Willsch nicht vornehmen. Das verbiete sich allein aus Achtung vor dem Amt, sagte Willsch im Deutschlandfunk. Es sei allerdings schon eine skurrile Situation gewesen, dass Steinmeier sich sehr am US-Wahlkampf für Hillary Clinton beteiligt habe.
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete hält es für ungünstig, dass der künftige Bundespräsident den künftige US-Präsidenten als "Hassprediger" bezeichnet habe. "Da können wir uns keine nachhaltige Verstimmung leisten. Steinmeier muss einen klaren Schnitt ziehen und das bereinigen."
    CDU und CSU müssen sich bei Steinmeier-Nachfolge klar positionieren
    Was die Kandidatenwahl für das Bundespräsidentenamt angehe, sei die Messe gelesen; jetzt müsse es darum gehen, dass sich CDU und CSU klar positionieren, was Steinmeiers Nachfolge im Außenministerium angehe. "Ich denke, dass wir da akzeptable Kandidaten vorzeigen werden". Willsch wollte sich nicht auf Namen festlegen, besteht aber darauf, dem Koalitionspartner SPD nicht nachzugeben. "Wir sind den Kleinen schon in der Präsidentenfrage hinterhergedackelt."
    Die SPD dagegen verortet die Zuständigkeit für die Neubesetzung des Außenministeriums ganz klar bei sich: Parteichef Gabriel verwies im ZDF auf den Koalitionsvertrag und sagte, dass der neue Außenminister oder die neue Außenministerin von den Sozialdemokraten gestellt werde.

    Das Interview in gesamter Länge:
    Dirk Müller: Was für eine Schwergeburt, wochenlang Gezerre, Streit, Diskussionen hinter verschlossenen Türen, geheime Staatsaffäre, gepaart mit öffentlichen Krönungsmessen. Das ging alles Hin und Her durcheinander. Wer wird Nachfolger von Joachim Gauck?
    Dann kam die große Empörungswelle gegenüber Sigmar Gabriel, weil der SPD-Chef seinen Parteifreund Frank-Walter Steinmeier ins Rennen geschickt hat, ohne das mit dem Koalitionspartner abzusprechen. Das war aber so abgesprochen. Nun denn: Eine pikierte Angela Merkel und ein pikierter Horst Seehofer haben die Steinmeier-Kröte dann gestern Morgen irgendwie doch geschluckt und setzen jetzt ebenfalls auf den amtierenden Außenminister und Sozialdemokraten als künftigen Bundespräsidenten. - Am Telefon ist nun Klaus-Peter Willsch, Freidenker in der CDU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
    Klaus-Peter Willsch: Guten Morgen, Herr Müller!
    Müller: Herr Willsch, hätten Sie es wenigstens gemacht?
    Willsch: Ich habe nicht damit gerechnet, gefragt zu werden. Nein, ich habe sicher nicht das Profil dafür.
    Müller: Weil Sie immer widersprechen?
    Willsch: Das ist ja nicht so, dass ich immer widerspreche. Ich bin ja ganz überwiegend in einer CDU zuhause, die versucht, möglichst viel von ihren Auffassungen in einer Großen Koalition durchzusetzen. Aber dass das nicht mein Lieblingsbündnis ist, das weiß ja auch Jedermann.
    Müller: Die CDU, also die Union, das ist die größte Regierungspartei, allemal gemeinsam mit der CSU, und schafft es nicht, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Ist das peinlich?
    Willsch: Na ja, das ist schon kein Meisterstück gewesen. Ich denke auch, dass wir angesichts der Größenverhältnisse - wir sind im Bundestag 310, die SPD 193, da sind wir 117 mehr; auch in der Bundesversammlung liegen wir mit 540 zu 385 vorne -, da hätte ich mir schon gewünscht und auch viele andere in der Union, mit denen ich rede, dass wir auf einen eigenen Kandidaten setzen und notfalls auch mal das Risiko eingehen, in einen dritten Wahlgang zu müssen und da erst die Mehrheit zu gewinnen.
    Müller: Wer hat versagt? Die Kanzlerin?
    Willsch: Das war ja nicht die Kanzlerin allein. Es gab ja noch eine 30minütige Telefonkonferenz mit dem Präsidium, wie ich höre. Aber dass das Ganze mit anderen Erwartungen gestartet wurde, kann man ja wohl nicht anders sagen, und ich bin auch noch gespannt darauf, was zu hören davon. Ich weiß ja nicht mehr als das, was Sie auch aus den Nachrichten wissen. Warum es nun so gekommen ist und wer denn da alles nicht bereit gewesen wäre, weiß ich nicht. Das ist Spekulation. Da werden wir in der Fraktion nächste Woche was hören. Aber einstweilen ist es so, dass das die Vorsitzende an sich gezogen hat und hat es nicht gelöst. Aber gleichwohl sind die Führungsgremien dem gefolgt.
    Müller: Wir haben ja Horst Seehofer eben gemeinsam hören können. Wir haben ihn jetzt noch mal, den CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten, der da doch offensichtlich auch ein bisschen Schwierigkeiten hatte mit dem ganzen Prozedere.
    O-Ton Horst Seehofer: "Wir haben in diesen letzten Wochen als CDU und CSU keine Kandidatin und keinen Kandidaten mit CDU-Aushängeschild gefunden. Das lag darin, dass die vielen Personen, die angesprochen wurden, einer Kandidatur nicht zugestimmt haben."
    Müller: Das hört sich ja so ein bisschen nach Verlierer-, Versager-, nein Versagungspartei an. Wie kommt das?
    Willsch: Das verstehe ich, ehrlich gesagt, auch nicht. Deshalb erwarte ich da ja eine Aufklärung. Ich sage mal, was Frank-Walter Steinmeier anbelangt, den kenne ich ja nun auch schon etliche Jahre. Seit ich im Bundestag bin ist er auch auf der bundespolitischen Ebene aktiv. Und jegliche Bewertung jetzt im Einzelnen verbietet sich, angesichts der Achtung vor dem höchsten Amt, das er ja bald einnehmen wird nach allem menschlichen Ermessen.
    Müller: Noch dürfen Sie, Herr Willsch.
    Willsch: Nur ein Punkt, der ja auch für den Außenminister gilt. Wir haben ja vor der Präsidentschaftswahl in den USA eine skurrile Situation gehabt. Da ist ja hier praktisch Wahlkampf geführt worden für Frau Clinton von allen Möglichen. Und der eine oder andere hat ein bisschen zu spät aus dem Wahlkampfmodus heraus gefunden, als sich dann die Amerikaner anders entschieden haben, als die deutschen Wahlkämpfer das wollten. Und da meine ich schon, muss man versuchen, zu einer ordentlichen Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidenten zu kommen. Das ist unser wichtigster Partner in Sicherheitsfragen und weit darüber hinaus.
    Müller: Haben Sie denn jetzt mit diesen kritischen Stimmen, die in Deutschland im Grunde Wahlkampf gemacht haben für Hillary Clinton, ganz speziell Frank-Walter Steinmeier auch gemeint?
    Willsch: Er hat ja dazugehört. Da gab es ja einschlägige Äußerungen von ihm auch noch nach der Wahl leider. Das muss schnell bereinigt werden, denn da können wir uns keine nachhaltige Verstimmung leisten. Sollten wir auch nicht, denn es ist doch völlig klar, dass wir eng an der Seite mit den USA die Zukunft gestalten müssen und auch die Freiheit nur sichern können.
    Müller: Herr Willsch, wenn Steinmeier jetzt Bundespräsident ist - mit großer Wahrscheinlichkeit wird er das ja sein im Februar - und trifft dann den amerikanischen Präsidenten Donald Trump, dann trifft Frank-Walter Steinmeier einen Hassprediger.
    Willsch: Sie sprechen an, was ich meinte. Er muss da einen klaren Schnitt ziehen und die richtigen Worte finden. Das erwarte ich nicht vor der Öffentlichkeit, das kann er unter vier Augen machen. Aber dass das bereinigt werden muss, ist für mich klar.
    Müller: Es war nicht so gut von ihm?
    Willsch: Nein, natürlich nicht. Das habe ich ja gerade gesagt.
    Müller: Das heißt, so ganz stimmig ist das auch nicht, was Frank-Walter Steinmeier immer so macht, weil er reist ja auch viel durch die Weltgeschichte. Die Frage der Effizienz wird immer wieder auch dementsprechend diskutiert. Ist das so, dass jeder deutsche Außenminister, egal wie er heißt und egal was er macht, automatisch populär wird in Deutschland?
    Willsch: Das Gesetz der Serie spricht dafür. Das haben wir ja nun wirklich erlebt. Selbst ein Joschka Fischer hat hohe Beliebtheitswerte erzielt. Dem Einzigen, dem das leider nicht so geglückt ist, das war der leider verstorbene Guido Westerwelle.
    Müller: Aber er hat nachher auch aufgeholt.
    Willsch: Ja, ja. Überwiegend, weil er erst einmal aus seiner Rolle des Parteivorsitzenden und des innenpolitischen Kommentators nicht rauskam. Aber diese andere Rolle, in der Welt herumzufahren und zu versuchen, Deutschlands Einfluss zu wahren und gut zu reden über alle Dinge und zu versuchen, Dinge zusammenzubringen, das ist natürlich etwas, was in der Öffentlichkeit gut ankommt - klar.
    Müller: Nach der Erfahrung, die man gemacht hat mit Joachim Gauck, jemand, der nicht aus dem Partei-Establishment gekommen ist, wäre das auch eine Option für Sie gewesen zu sagen, lasst uns jemanden ansprechen, lasst uns jemanden suchen, der nicht in der direkten operativen Politik tätig ist?
    Willsch: Prinzipiell durchaus. Ich hatte allerdings auch etwas Sorge dafür, nachdem ich so manchen Namen gehört habe, was uns da präsentiert werden würde. Ich glaube schon, wir müssen auch als Parteien, die wir ja aufgerufen sind, an der politischen Meinungsbildung des Volkes mitzuwirken nach Verfassung, dass wir auch deutlich machen müssen, dass wir Führungspersonal für diese höchsten Staatsämter vorbereiten und dann auch präsentieren können. Gerade dass das Letzte jetzt nicht gelungen ist für die CDU/CSU, macht mich ja so betrübt.
    Müller: Reden wir noch mal über die Namen. Sie haben ja auch gesagt, Sie kennen die nicht alle. Sie müssen das auch noch weiter eruieren und recherchieren, vielleicht auch nächste Woche dann gemeinsam mit den Fraktionskollegen in Berlin. Norbert Lammert wurde ja immer wieder genannt, Annegret Kramp-Karrenbauer, auch Ursula von der Leyen. Die sollen alle namentlich abgesagt haben. Hatten Sie denn noch irgendeine andere Idee? Hätten Sie einen besseren Vorschlag noch machen können?
    Willsch: Wissen Sie, die Messe ist doch gelesen. Ich fang doch jetzt nicht an, noch alle möglichen Vorschläge zu machen. Ich habe im Vorfeld auch der Kanzlerin gesagt, dass ich es für wichtig halte, dass wir einen eigenen Kandidaten stellen. Sie hat das anders gesehen und jetzt ist es halt so.
    Müller: Aber Bundespräsidenten, wissen wir ja auch seit einiger Zeit, können auch zurücktreten.
    Willsch: Ja, die Erfahrung mussten wir machen, leider auch während meiner Mandatszeit im Bundestag, das ist wahr. Na ja, das ist jetzt uns geschehen. Da gab es in beiden Fällen unterschiedliche Begründungen für. Aber das hätte uns, finde ich, nicht davon abhalten sollen, intensiv zu suchen. Es war ja auch so, da hatten wir einen Parteilosen und einen, der ein ausgesprochener Parteipolitiker war. Das waren zwei Vorfälle, die die Republik ja ziemlich mitgenommen haben, und vielleicht rührt auch daher noch der Wunsch, jetzt auf absolute Nummer sicher zu gehen und zu sagen, das müssen 930, 950 Leute sein in dieser Bundesversammlung, dass ja nichts schiefgehen kann. Aber ich habe die Befürchtung, dass Leute, die ein bisschen abseits stehen und die Kritik haben an unserer Art, wie Politik gemacht wird in Deutschland, dass die sagen, war wieder typisch, jetzt haben die das so ausgekungelt, dass gar nichts schiefgehen kann, und es gibt keine Wahl. Es wäre doch schön gewesen, wenn man einfach mal hätte sehen können, wie ernst es auch der SPD ist damit, kein Rot-Rot-Grün zu machen. Sie haben andere Signale bereits gesendet, sie haben ihren Kongress gemacht in Berlin mit Rot und Grün zusammen, mit den Linkssozialisten, den Kommunisten zusammen und den Grünen. Und das wäre auch eine Frage auf die Ernsthaftigkeit gewesen zu schauen, wie sie sich dann in so einer Bundesversammlung verhalten.
    Müller: Die Messe ist gelesen, zugegeben. Wir reden ja trotzdem darüber. Ich muss Sie im Grunde das fragen, hätte ich Sie auch vor drei Tagen vielleicht fragen können. Jetzt haben wir die Entscheidung, ich möchte Sie das dennoch fragen. Sie sagen, das Signal ist jetzt in die andere Richtung gegangen, von Sigmar Gabriel aus gelenkt und geleitet. Schwarz-Grün, das war ja auch ein diskutiertes Signal. Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hätten Sie den mitgetragen?
    Willsch: Die Grünen haben natürlich alles dazu getan, mit ihrem Parteitag am letzten Wochenende spätestens, alle diese Überlegungen auf der Bundesebene vom Tisch zu nehmen. Denn dass mit dieser Partei eine Zusammenarbeit nur schwer vorstellbar ist, konnte man am Verlauf des Parteitages in Münster ja nachvollziehen. Da sind solche inhaltlichen Unterschiede und die Personen, mit denen wir da auf der Bundesebene zu tun haben, sind auch nur sehr schwer verdaulich.
    Müller: Aber Kretschmann ausgenommen? Der hat ja gesagt, er macht dann eigentlich nicht mit mit der Vermögenssteuer.
    Willsch: Na ja. Wissen Sie, Kretschmann ist ein eigener Typ. Der hat in Baden-Württemberg hohe Beliebtheitswerte, hat die Grünen an die Spitze geführt, an der CDU vorbei. Das ist eine beachtenswerte Leistung. Und so wie er daherkommt, ist er natürlich für viele vorzeigbar. Aber jetzt ist es nicht so, dass ich der Tatsache, dass er es nicht wird, irgendeine Träne nachweine.
    Müller: Reden wir, Herr Willsch, über Messen, die noch nicht gelesen wurden und worden sind. Wer wird neuer Außenminister?
    Willsch: Da bin ich gespannt darauf. Ich halte es für wirklich nachdenkenswert aus Sicht der Union, dass man mal überlegt, ob es jetzt eine Kompensation dafür gibt, dass wir hier als großer Koalitionspartner dem kleinen hinterherdackeln in der Präsidentenfrage.
    Müller: Aber es war doch Ihre Schuld, dass Sie keinen Kandidaten präsentiert haben.
    Willsch: Das wird uns die SPD entgegenhalten, das ist wahr. Aber gleichwohl ist faktisch nachher das Ergebnis so: Es wird ja nicht so sein, dass Frank-Walter Steinmeier seine politische Herkunft verleugnet, wenn er Präsident wird. Insofern sollte man darüber nachdenken, ob man da zu einer Umverteilung kommt. Ich denke, dass wir dort respektable Kandidaten vorzeigen würden.
    Müller: Dann sagen Sie mir doch mal einen.
    Willsch: Nein! Da fange ich jetzt nicht an, irgendwelche Kollegen sozusagen ins Aus zu stellen, wenn ich sie jetzt hier öffentlich vorschlage. Das macht man nicht.
    Müller: Sie können ja einen nehmen, den Sie nicht leiden können, dann ist der schon verbrannt.
    Willsch: Nein, auch das gehört sich nicht. Selbst wenn ich einen Kollegen nicht leiden kann, dann sage ich ihm das persönlich, aber nicht übers Radio.
    Müller: Hätten Sie ja auch nicht mit dem Adjektiv verbunden. - Jürgen Hardt, ebenfalls Fraktionskollege von Ihnen, auch zuständig für die Außenpolitik, hat gesagt, wir müssen auf jeden Fall den Außenminister stellen, die Union. Glauben Sie, das wird jetzt eine ernsthafte Diskussion, oder ist das ein bisschen Wunschdenken?
    Willsch: Ich wünsche mir, dass es eine ernsthafte Diskussion wird.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Klaus-Peter Willsch, Unions-Abgeordneter im Bundestag. Vielen Dank für die offenen Worte, Ihnen noch einen schönen Tag, Herr Willsch.
    Willsch: Sehr gerne, Herr Müller. Danke, Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.