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Der große Brückenschlag

Es soll ein Bauwerk der Superlative werden, die höchste, längste und teuerste Brücke aller Zeiten. Die Brücke, die Sizilien mit dem Festland verbinden soll. Der gewaltige Brückenschlag von Kalabrien nach Sizilien soll insgesamt sechs Milliarden Euro kosten und im mageren Haushalt Italiens wurden jetzt schon 400 Millionen bereitgestellt, die nun etwa beim Bildungswesen fehlen oder für die Ausbesserung undichter Wasserleitungen in Süditalien dringend notwendig wären.

Von Karl Hoffmann | 23.12.2009
    Das politische Klima in Italien ist derart aufgeheizt, dass selbst harmlose Gegner einer Autobahnbrücke gnadenlos abgeführt werden. Aber es ist ja nicht irgendeine Brücke, sondern die größte der Welt - wenn sie fertig ist. Freischwebend über mehr als drei Kilometer soll sie Sizilien mit dem Festland verbinden. Ein Prestigeobjekt der Berlusconi Regierung. Nach jahrelangen Planungen wird jetzt gebaut. Heute, am 23. Dezember, wird angefangen , erklärt stolz der für die Infrastruktur zuständige Minister Altero Matteoli:

    "Wir beginnen mit vorbereitenden Arbeiten, zunächst wird ein Stück Eisenbahnstrecke in Kalabrien neu verlegt und dann folgen im Januar die ersten Arbeiten für den Straßenzubringer in Messina , schließlich kommt die Brücke."

    Augenwischerei sagen die Brückengegner, das neue Gleis habe mit der Brücke überhaupt nichts zu tun. Am vergangenen Wochenende gingen sie zu Tausenden diesseits und jenseits der Meerenge auf die Straße. "No ponte", heißt ihre Bewegung der Brückengegner. Ihr wichtigstes Argument: es gibt viel Dringenderes zu tun in Süditalien:

    "Wir sagen nein zu solchen Projekten, die unsere Umwelt dauerhaft zerstören und nur kurzfristigen Nutzen bringen. An der einzigen Autobahn zu uns nach Süden wird nicht weitergebaut. Wir haben überhaupt keine vernünftigen Straßen, es fehlt an der Infrastruktur. Und unsere Autobahnverbindung ist das Letzte, eine einzige Baustelle."
    Die Kritiker des gigantischen Baus, der aus 344500 Tonnen Stahl bestehen wird, glauben, dass die geplante Bauzeit ebenso wenig ausreichen wird wie die auf 6einhalb Mrd. Euro veranschlagten Baukosten. Und dann ist da noch der schlimme Zweifel, ob die gigantische Stahlkonstruktion mit ihren Pfeilern, höher als das Empire State Building, den regelmäßig auftretenden Erdbebenkatastrophen standhalten wird. Meint der Geologe Mario Tozzi.

    "Geplant ist, dass die Brücke einem Erdbeben wie dem letzten vor 100 Jahren standhalten soll, damals waren es 7,1 auf der Richterskala. Aber niemand weiß, ob das nächste Beben - und das kommt bestimmt - nicht noch stärker sein wird. Und überhaupt: vorläufig ist das alles reine Theorie."

    Sicher ist, dass mehr als die Hälfte aller Wohngebäude in Messina und Reggio Calabria nicht erdbebensicher sind. Ein Horror für die Brückengegner:

    "Es könnte am Ende passieren, dass zwar die Brücke stehen bleibt, aber dafür unsere Häuser zusammenstürzen."

    Für das Verkehrsaufkommen ist die Brücke außerdem völlig überdimensioniert, wie selbst wohlmeinende Experten zugeben. Berechnet ist sie für 100.000 Autos täglich, heute überqueren gerade mal 15 000 die Meerenge per Fähre, Tendenz abnehmend.

    Der Minister Matteoli lässt sich von solcher Kritik nicht erschüttern. Immerhin wurden für die Brücke von Messina 400 Millionen Euro bereitgestellt, während gleichzeitig in Süditalien Tausende von Lehrern entlassen wurden. Dafür sollen jetzt andere arbeiten:

    "Während der sechsjährigen Bauzeit werden Architekten, Ingenieure und Bauarbeiter beschäftigt, insgesamt 40.000 Personen."

    Ein Riesengeschäft für die Mafia. Man weiß, dass sie die Politik konditioniert. Sie kontrolliert entscheidende Wählerstimmen und erhält dafür im Gegengeschäft lukrative öffentliche Bauaufträge. Just im kommenden Frühjahr finden in Kalabrien Regionalwahlen statt. Auf der Brücke mögen irgendwann mal Autos fahren. Bis dahin dient sie als goldene Brücke in hohe politische Ämter.