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Machen sich die Briten aus dem Staub?

Der Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) soll nach 13 Jahren 2014 enden. Die Bundesregierung hat angeboten, danach zu Trainings- und Beratungszwecken 800 Soldaten in Afghanistan zu lassen. Was die britischen Kräfte machen werden, ist bislang nicht klar.

Von Jochen Spengler | 23.04.2013
    Angeblich sind die US-Militärs äußerst besorgt über ihre treuesten Bündnispartner, die Briten – das meldete die "Sunday Times" am Wochenende. In privaten Gesprächen habe Admiral James Stavridis, der höchste amerikanische NATO-Kommandant, seinen Kollegen verraten, er fürchte, die Briten würden in Afghanistan nach dem Motto verfahren: Cut and Run. Soll heißen: das Land fluchtartig zu verlassen und sich aus dem Staub zu machen, sobald der vollständige Abzug der Kampftruppen Ende 2014 nach 13 Jahren abgeschlossen ist.

    Dabei kann man den Soldaten ihrer Majestät gewiss nicht mangelnden Einsatz vorwerfen. Mit weit über 400 Toten mussten sie am Hindukusch einen hohen Blutzoll entrichten; sie stellen nach den USA das zweitgrößte Truppen-Kontingent dort.

    Dessen beschleunigten Abzug hatte Premierminister David Cameron im Unterhaus kurz vor Weihnachten angekündigt – unter dem Beifall aller Parteien.

    "Wegen des Erfolgs unserer Truppen und der Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte, können unsere Soldaten in zwei relativ gleichen Schritten 2013 und 2014 zurückgeholt werden. Etwa 5200 Mann werden noch stationiert sein Ende 2013, verglichen mit 9000 die wir jetzt noch haben."

    Das war Ende letzten Jahres. Inzwischen sind vier Monate vergangen und Verteidigungsminister Philip Hammond sagt:

    "Der Rückzug der britischen Kampftruppen ist im vollen Gang. Wir haben die Zahlen reduziert, Fahrzeuge und Ausrüstung zurückgebracht und wir verkleinern deutlich unsere Präsenz am Boden, wo die afghanischen Soldaten von uns Tankstationen und Kontrollstellen übernehmen."

    Momentan sind noch etwa 7000 Briten in Afghanistan stationiert. Ihre Hauptaufgabe erläuterte Generalleutnant Nick Carter, der Vizechef der ISAF-Truppen in Kabul auf einer Videokonferenz mit London:

    "Unser Auftrag wird immer stärker der des Trainings, der Beratung und der Unterstützung. Begrenzte Kampfoperationen leiten wir nur noch, wenn sie absolut notwendig sind."

    Zwar müsste die ISAF den Afghanen nach wie vor mit Kampfflugzeugen aushelfen, mit Lufttransportern, Aufklärung und Logistik. Aber:

    "Wenn ich vor einem Jahr mit Ihnen gesprochen hätte, so hätte ich von 25 afghanischen Brigaden bloß eine einzige als effektiv und unabhängig bezeichnet. Nun kann ich berichten, dass etwa 20 in der Lage sind, unabhängig oder mit Hilfe von Beratern effektiv zu handeln. Das ist ein bemerkenswerter Fortschritt."

    Doch die entscheidende Frage formulierte Labour-Oppositionsführer Ed Miliband schon in der Unterhausdebatte kurz vor Weihnachten, als er wissen wollte, wie viele britische Soldaten und Zivilisten denn nach dem Abzug Ende 2014 noch in Afghanistan bleiben sollen.

    "Can the Prime minister tell us …?"

    Das aber konnte der Premierminister nicht.

    "Für nach 2014 haben wir noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen. Klar ist: keine Kampftruppe; wir haben den Afghanen versprochen, dass wir für die von ihnen gewünschte Trainingsakademie sorgen und wir schauen nach weiteren Möglichkeiten, aber das ist der Ausgangspunkt."

    Vier Monate sind vergangen, ohne dass die Regierung Cameron mehr Klarheit geschaffen hätte; nun wird sie ausgerechnet von den oft als übervorsichtig kritisierten Deutschen unter Druck gesetzt. Die Bundesregierung hat angeboten, nach 2014 zu Trainings- und Beratungszwecken 800 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan zu lassen.

    Ähnliche Verpflichtungen wünschen sich britische und amerikanische Offiziere von London, berichtet die "Sunday Times". Sie zitiert den früheren Afghanistan Kommandanten Oberst Kemp mit den Worten, es sei ein Betrug an den Gefallenen und Verletzten, wenn Großbritannien in Afghanistan künftig nur noch eine symbolische Präsenz aufrechterhalte.