Sternsinger sammeln Geld

Den Kindern helfen, die arbeiten müssen

Das Bild zeigt am linken Bildrand ein Mädchen aus Indien, in grünem Gewand, bei ihrer täglichen Arbeit am Webrahmen. Dieses Foto ist das Motiv des aktuellen Plakats der Aktion Dreikönigssingen 2018.
Sangam, ein Mädchen in Indien, bei ihrer täglichen Arbeit am Webrahmen. Dieses Foto ist auch das Motiv des aktuellen Plakats der Aktion Dreikönigssingen 2018. © © Bettina Flitner/Kindermissionswerk
Von Anke Petermann · 29.12.2017
Kinder und Jugendliche dreier Konfessionen bereiten in Pohlheim bei Gießen die kommende Sternsinger-Spendenaktion vor. Sie haben Gesangsproben und setzen sich mit dem "Spendenzweck" auseinander. Es geht um Kinderarbeit in Indien, die Bildung verhindert und die Lebenserwartung verkürzt.
30 Jungen und Mädchen begrüßt Kerstin Rehberg-Schroth an diesem Nachmittag im katholischen Pfarrzentrum Sankt Martin im mittelhessischen Pohlheim gekommen sind. Kinder, die noch nicht ausstaffiert sind, suchen sich an den Kleiderständern im Hinterzimmer ein Königs-Gewand aus weißem Oberteil sowie farbigem Rock und Umhang aus.
Drei Vierzehnjährige streifen sich eisblaue Umhänge über den Kopf. Darunter lugen weiße Messdiener-Gewänder hervor – die Mädchen begutachten und bewundern sich gegenseitig. Georgina ist erst vor fünf Monaten mit ihrer Familie aus Syrien geflohen, Margrita kam vor drei Jahren mit ihrer armenisch orthodoxen Familie und macht schon das zweite Mal beim Sternsingen mit, Tibelia ist in Deutschland geboren, ihre Muttersprache ist Aramäisch, die Sprache Jesu.
"Die Syrisch-Orthodoxen ziehen teilweise auch ihre eigenen Gewänder als Untergewänder an", erklärt Pastoralreferentin Kerstin Rehberg-Schroth. "Und dann sind ganz viele Gewänder von Ehrenamtlichen genäht worden. Dieses Jahr sind es mehr als zehn Kinder mehr als im letzten Jahr, dementsprechend haben Gewänder gefehlt", die dank Stoffspenden und zusätzlicher Ehrenamts-Einsätze noch genäht werden konnten.

Über Konfessionsgrenzen hinweg verbunden

Seit vier Jahren machen die in Deutschland geborenen Kinder aus syrisch-orthodoxen Familien beim Sternsingen mit. Ihre Eltern kümmern sich um geflüchtete Landsleute und bringen auch deren Kinder mit zur Dreikönigs-Aktion. Schon seit Anfang der 2000er-Jahre sind beim Pohlheimer Sternsingen auch Kinder aus protestantischen Familien dabei, die evangelischen Pfarrerinnen organisieren die ökumenische Aktion mit.
"Ja, ich fand das spitze, das wir das so in dieser Gemeinschaft machen. Wir lernen einfach im Team auch ganz viel voneinander. Und gerade die Sternsinger-Aktion ist einfach so eine so tolle Aktion, die uns über die Konfessionsgrenzen einfach alle verbindet."
Von 18.000 Pohlheimern sind nur 2.500 Katholiken, allein würden sie ihrem Ziel, alle Haushalte in der Stadt zu besuchen, kaum näher kommen. Kerstin Rehberg Schroth wendet sich wieder den Kindern zu, die sich im großen Kreis um ein goldglänzendes Samt-Tuch gesetzt haben.
"Ich fänd's toll, wenn ihr gerade nochmal guckt, was da auf dem Boden liegt."
Unter anderem ein Holzstern, ein Weihrauchgefäß, eine Sammelbox und Kreide, um den Segensspruch an die Haustüren zu malen. C, M, B – die Initialen für Caspar, Melchior und Balthasar. Und für lateinisch "Christus mansionem benedicat" - Christus segne dieses Haus. Eines der Lieder, das die Kinder üben.
Rehberg-Schroth: "Wer gerne was sagen möchte, was für euch am wichtigsten ist, was euch am meisten bedeutet, und warum."
Janosch, 14, deutet auf das Weihrauchgefäß auf dem Samttuch in der Mitte.
"Das Geschenk von den Heiligen Drei Königen an Jesus, und die haben was von ihrem Reichtum verschenkt an Maria, Josef und Jesus, die nichts hatten."
Rehberg-Schroth: "Super, danke!"
"Also für mich die Sparbüchse, weil wir ja Geld sammeln für die Kinder, die halt arbeiten müssen",
... was sich die neunjährige Lily bis vor kurzem nicht vorstellen konnte.

Kinderarbeit gibt es auch in Syrien

Zum Sternsingen gehören nicht nur Gesangsproben. Die Kinder besprechen auch das Thema, um das es beim Spendensammeln geht, in diesem Jahr also Kinderarbeit in Indien.
"Das ist sehr wichtig, denn bei uns müssen Kinder auch arbeiten, oder?"
... sagt Margrita und schaut ihre Altersgenossin fragend an.
"In Syrien, meine ich."
Georgina nickt.
Janosch: "In den Nachrichten hört man das immer mal", dass Kinder schuften müssen, anstatt zur Schule zu gehen, sagt Janosch. "Vorher – ich hab jetzt auch schon diesen Film gesehen, vorher konnte ich mir da nicht so viel drunter vorstellen, aber jetzt schon".
Den 14-Jährigen hat eine Dokumentation über Kinderarbeit in Indien beeindruckt, die er bei einem Sternsinger-Treffen gesehen hat. Sie ist Teil des umfangreichen Bildungsmaterials, das das Aachener Kindermissionswerk für die Aktion zur Verfügung stellt. Die Doku lässt eine Achtjährige aus der nordindischen Glasindustrie-Stadt Firozabad zu Wort kommen. Als Vollzeitkraft im Familienbetrieb kann das Mädchen kaum glauben, dass Gleichaltrige anderswo nicht den ganzen Tag arbeiten müssen.
"Das sind so Kinder, die müssen so Glasringe zusammenschweißen für so Billigschmuck, und da entstehen halt so giftige Gase, und die atmen das halt ein. Und deshalb haben die nur eine Lebenserwartung bis 40. Und das ist halt schon traurig: Leute, die bis 100 leben könnten, aber weil sie etwas tun, was unmenschlich ist, können sie nur die Hälfte ihres Lebens leben."
In Pohlheim und ganz Deutschland bitten in diesen Tagen junge Sternsinger um Spenden - unter anderem für Bildungsprojekte, die den Kindern in Indien Auswege aus Arbeit und Armut ermöglichen.
"Die Mehrheit ist großzügig und gibt sehr viel Geld."
Fast 47 Millionen Euro sammelten die Kinder vor einem Jahr bundesweit. Tibelia und ihre Mitsänger hoffen, dass es dieses Mal mindestens genauso viel sein wird:
"So verändern wir die Welt."
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