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Professoren in Italien
Zweitjobs mit Geschmäckle

In ganz Italien ermitteln Staatsanwälte gegen Hochschullehrer. Zahlreiche Professoren sollen lukrativen Zweitjobs in der Privatwirtschaft nachgehen und diese auf unsaubere Weise mit ihrer Lehrtätigkeit verquicken. Der Lehrstuhl werde lediglich als "bequemer Parkplatz auf Staatskosten" genutzt, so Kritiker.

Von Thomas Migge | 30.01.2014
    Professoren, die neben ihrem Lehrstuhl an einer staatlichen Universität auch weitaus lukrativeren Lehrtätigkeiten an privaten Hochschulen nachgehen. Profs, die bei privaten Unternehmen als Berater arbeiten und sich in Universitätsgremien dafür einsetzen, dass Produkte eben jener Unternehmen angeschafft werden ...
    Nein, eine Stellungnahme, noch nicht einmal eines Pressesprechers, gibt es nicht zu diesem Thema. Man wolle erst die Ermittlungen abwarten, heißt es aus dem römischen Bildungsministerium. Doch hört man sich an einer italienischen Hochschule um, zum Beispiel an La Sapienza in Rom, Italiens größter Universität, mangelt es nicht an Stellungnahmen zum Thema:
    "Hier geht es darum, erst einmal die ganzen Hintergründe aufdecken, um herauszufinden, wer hier seinen Posten ausnutzt, als bequemen Parkplatz auf Staatskosten, um dann in der freien Wirtschaft richtig abzusahnen. Sehen Sie sich doch nur unsere Medizinprofs an".
    Marco Simonetti studiert im dritten Jahr Medizin an La Sapienza und ist im Studentenbund aktiv. Der 23-Jährige findet es vor allem skandalös, dass solche Professoren mit doppelten Arbeitsplätzen an ihren Lehrstühlen an Staatsunis nur dann und wann anwesend sind.
    Professoren kassieren Beratergehälter
    Marco und viele seiner Kommilitonen kennen auch zahlreiche Fälle von Hochschullehrern, die neben ihrer Lehrtätigkeit an einer Universität Berater von Unternehmen sind. Dazu Antonio Cataldo, Assistenzprofessor in Politikwissenschaft an La Sapienza:
    "Die Hochschulen sollten eigentlich gegen solche Gefahren gefeit sein, aber das Gegenteil ist der Fall. Profs kassieren eine Menge Geld als Berater von Unternehmen, die zum Beispiel Gerätschaften herstellen, die an einer bestimmten Fakultät gebraucht werden. Die gleichen Profs sorgen dann dafür, in dem sie in Uni-Ausschüssen zur Anschaffungen solcher Geräte sitzen, das man beim 'richtigen' Unternehmen einkauft. Hier geraten privat und öffentlich durcheinander."
    So sehr durcheinander, dass jetzt an verschiedenen Hochschulen in ganz Italien die Staatsanwaltschaft ermittelt. Aufmerksam wurden die Staatsanwälte durch Hinweise von Hochschullehrern, denen aufgefallen ist, dass sich immer mehr ihrer Kollegen Nebentätigkeiten nicht genehmigen lassen - und das niemand kontrolliert.
    Mangel an Kontrolle
    Betroffen von diesem Interessenkonflikt sind alle an Hochschulen nur denkbaren öffentlichen Ausschreibungen.
    Dass es soweit kommen konnte, klagt der investigative Journalist Ettore Cesare, liegt an der mangelnden Kontrolle:
    "Es fehlt an Klarheit und an Kontrolle, weil niemand bisher im Bildungsministerium noch an den Hochschulen mal genau nachgeforscht hat, welcher Prof wo in einem Verwaltungsrat sitzt oder einer anderen oder sogar einer dritten Arbeit nachgeht."
    Cesare fordert eine Kommission des Bildungsministeriums, um an allen Hochschulen Kontrollen durchzuführen. Doch dass das chronisch klamme Ministerium dafür Geld haben wird, ist mehr als unwahrscheinlich.