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Oderwasser für die Elbe?

Ökologie. - Die Elbe hat eigentlich ein Niedrigwasser-Problem. Im Rahmen des internationalen Programms "Globaler Wandel des Wasserkreislaufs" (GLOWA) untersuchen Forscher die Zukunft der Elbe und ihres Einzugsgebiets. Klimawandel und geringerer Niederschlag setzen dem Fluss ebenso zu wie die Stilllegung von Braunkohlegruben.

18.05.2005
    Mit Niederschlagsmengen von 600 Millimetern pro Jahr sei die Elbe ein vergleichsweise trockenes Gebiet, stellt Bernd Hansjürgens vom Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle fest: "Und diese Trockenheit macht sich zunehmend bemerkbar." Gemeinsam mit anderen Forschern hat Hansjürgens die Zukunft des Wasserhaushalt im Elbeeinzugsgebiet durchgerechnet, zu dem auch die Spree und die Braunkohle-Tagebaugebiete in der Lausitz zählen. Danach dürfte die Region in den kommenden 50 Jahren immer trockener werden. Die Umweltforscher rechnen damit, dass zum einen die mittlere Temperatur um 1,4 Grad Celsius steigen und dass es insgesamt weniger regnen wird als heute. Doch es gibt noch einen weiteren wichtigen Faktor, so Bernd Hansjürgens: "In der Lausitz haben wir einen riesigen Transformationsprozess. Man muss sich vorstellen, dass durch den Bergbau in der Lausitz künstlich ein ganz anderes Wasserregime geschaffen wurde. Wenn Sie eine Tonne Braunkohle fördern, müssen sie sechs Tonnen Wasser fördern - und das hat in den Jahren 1950 bis 1990 dazu geführt, dass enorme Mengen Wasser aus der Lausitz entnommen und in die Spree abgegeben wurden."

    In den vergangenen knapp 50 Jahren floss also in Folge des Braunkohleabbaus reichlich Wasser durch den Spreewald und Berlin. Wenn künftig aber keine oder weniger Braunkohle abgebaut wird, dann rechnen die Forscher mit einem Sinken der Wassermenge in der Spree auf ein Fünftel bis ein Zehntel. Kraftwerke in Berlin hätten zuwenig Kühlwasser und müssten abgeschaltet werden. Gravierender wären die Folgen für den Spreewald: Er würde zum Teil vertrocknen, warnt Hansjürgens: "Wenn weniger Wasser aus den Braunkohlegebieten gepumpt wird, besteht tatsächlich die Gefahr, dass sich der Grundwasserpegel im Spreewaldgebiet absenkt mit der Folge, dass ein Teil dieses Spreewaldes verschwinden würde."

    Verschärft wird die Gefahr durch den zusätzlichen Wasserbedarf in der Lausitz, um die Tagebaugruben in Seen zu verwandeln. Das Grundwasser dort ist stark schwefelhaltig und kann höchstens übel riechende, tote Tümpel füllen. "Also muss man Frischwasser zuführen", erklärt Hansjürgens. Doch woher soll dieses Wasser zur Flutung der Tagebaurestseen kommen?

    Eine Möglichkeit wäre es die großen Tagebauseen langsamer als geplant zu füllen. Das würde eine Wasserknappheit im Spreewald verzögern, zugleich aber auch die geplante touristische Nutzung der Lausitz-Seen. Eine Alternativ wäre die Trockenlegung von Nebenflüssen der Spree, um die Seen zu füllen. Ein drittes Szenario, bei dem passiert, wenn man das Wasser für die Tagebau-Seen aus ganz anderen Flüssen holt, etwa aus der Neiße oder der Oder, wollen die GLOWA-Forscher noch durchspielen. Bernd Hansjürgens dazu: "Hier wird auf bestehende Kanäle zurückgegriffen, die entweder in Berlin, von der Oder nach Berlin führen oder die in Brandenburg eine Querverbindung zur Oder herstellen. Ein Problem ist sicherlich das Qualitätsproblem, was sehr schwer abzuschätzen ist. Es ist eine große Distanz, über die Sie Wassermengen pumpen. Es sind alte Kanäle, die da herangezogen werden. Sie müssen daher sehen, dass die ökologische Situation in diesen Flusssystemen ausreichend ist, erhalten bleibt und nicht negativ beeinträchtigt wird." In zwei Jahren, so hofft Bernd Hansjürgens, werden diese Berechnungen fertig sein. Dann müssen die Politiker vor Ort entscheiden, wie sie sich auf die trockeneren Jahre einstellen wollen.

    [Quelle: Sönke Gäthke]