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Schmutziges Gold

Der Goldmarkt boomt. Aber der Goldabbau in Afrika hat dramatische Folgen für die lokale Bevölkerung und die Umwelt, so auch in Sansu, einem kleinen Dorf in Ghana.

Von Miriam Edding | 13.01.2007
    Unter einem zerlöcherten Blechdach sitzen ein paar Dorfbewohner von Sansu zusammen und diskutieren. Notdürftig geschützt von der sengenden Sonne beraten sie, wie sie die Zerstörung ihres Dorfes durch den mächtigen Nachbarn, die Minengesellschaft AngloGold Ashanti, verhindern können.

    Sansu ist ein 3000-Seelen-Dorf nahe der Minenstadt Obuasi. Geröllhalden schieben sich wie die Endmuränen großer Gletscher auf die grauen Wellblechhäuschen zu. Und nur einige hundert Meter von der Dorfkirche entfernt beginnt eine staubige Mondlandschaft, mit tiefen Kratern und Schlackebergen.

    Seit über hundert Jahren wird hier schon nach Gold geschürft. Aber seit der Rohstoff Mitte der 80er Jahre auch über Tage abgebaut wird, verschärfen sich die Konflikte mit der Dorfbevölkerung. Benjamin Annan, Bürgermeister von Sansu, erzählt von früher:

    "Vor einigen Jahren noch war dies hier ein Bauerndorf. Es gab alles, was man zum Leben braucht: Wir hatten 21 Flüsse, wir hatten Kakao-Farmen, wir produzierten Kochbananen und auch Yams. Unsere Eltern kultivierten ihr Land und brauchten sich ums Essen nicht zu sorgen, sie gingen einfach zum Fluss, und schon war ein Fisch im Kochtopf. So haben wir bis 1986 hier gelebt."

    Aber seither ist für die Bewohner von Sansu nichts mehr, wie es einmal war. Ihr Land wurde gegen eine magere Entschädigung enteignet. Die Flüsse sind vergiftet. Die Zerstörung des Ackerlandes hat den Bauern jede Einkommensmöglichkeit geraubt. Sie können das Schulgeld für ihre Kinder nicht mehr bezahlen. Viele Jugendliche haben daher nur die Grundschule besucht. Für sie gibt es kaum die Chance, je einen Arbeitsplatz zu finden. Aus dem Teufelskreis von Armut und geringer Bildung gibt es kein Entkommen. Doris Yessi ging aufs Gymnasium als sie wegen der Enteignung der Kakaofarm ihres Vaters die Ausbildung abbrechen musste.

    "Die jungen Frauen gehen in die Städte und werden Dienstmädchen für die Reichen in Accra, Kumasi oder Takoradi. Diese Leute halten dich für arm und dumm. Wenn sie dich nicht mehr brauchen, schicken sie dich nach Hause. So ist das hier, wir wissen nicht, was wir tun können, alles nur wegen dieser Mine. Es ist sehr schlimm."

    Der Versuch der jungen Männer, etwas Geld zu verdienen, führt zu schweren Konflikten mit den Minenbetreibern. Denn die Jugendlichen schürfen auf dem Konzessionsgebiet der Mine auf eigene Rechnung nach Gold. Schon 13- und 14-Jährige ziehen mit Schaufel, Seil und Lampe ausgerüstet los.

    "Es ist sehr, sehr schwierig, du musst 200 Meter tief graben, sogar die kleinen Kinder graben nach dem Gold. Wenn sie etwas gefunden haben, geben sie das so verdiente Geld sofort aus. Sie wissen nicht, damit umzugehen, weil sie nicht zur Schule gehen."

    Dieses so genannte Galamseying ist zwar illegal, aber in allen Goldminen Westafrikas weit verbreitet. Die großen Minengesellschaften gehen mit aller Härte dagegen vor. Dabei kommt es immer wieder zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Manche Jugendliche wurden tagelang in Zellen eingesperrt, einige berichten von Schlägen und von Misshandlungen durch abgerichtete Hunde. Gelegentlich haben die Dorfbewohner auch Tote zu beklagen.

    Behörden und Polizei betrachten die illegal schürfenden Ex-Bauern als Kriminelle, die im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes hart zu bestrafen sind. Die Landbevölkerung bekommt von den Gewinnen des Goldabbaus allerdings nichts zu sehen: Die Profiteure sind die Regierung in der Hauptstadt Accra, die Behörden vor Ort und die traditionellen Chiefs. Die Minengesellschaft zahlt ihnen Pacht und Steuern und bringt begehrte Direktinvestitionen aus dem Ausland. Darum wird die Situation in den Goldabbaugebieten Ghanas im Interesse eines guten Investitionsklimas militarisiert. Selbst in schweren Fällen wie Mord wird selten ernsthaft ermittelt, bestätigt Yao Graham von der Nichtregierungsorganisation Third World Network.

    "So ist es. Sie ermitteln nicht. Die Polizei hat die Grundeinstellung, dass die Bauern sowieso im Unrecht sind. Sie führt keine Untersuchung durch, die Beweise erbringen könnte, also gibt es keine Beweise. Es interessiert niemanden, den Armen zu ihrem Recht zu verhelfen. Es ist wichtiger, auf der richtigen Seite zu sein, auf der Seite der Minengesellschaft, als etwas zu tun, was die Bosse gegen dich aufbringen könnte."

    Diese Vorwürfe werden schon lange erhoben. Trotzdem mussten sich die Minengesellschaften in Ghana bis vor kurzem keine Sorgen um ihr Image machen. Die Stimme der Betroffenen war zu schwach, um sich Gehör zu verschaffen. Das aber ändert sich.

    Zunehmend geraten die sozialen Bedingungen, unter denen der Goldabbau stattfindet, ins Visier der Öffentlichkeit. Die Minenbetreiber investieren daher in Sozialprojekte und versprechen, die Interessen der Landbevölkerung zu berücksichtigen. Allzu oft bleibt es aber bei bloßen Absichtserklärungen. Eine alte Frau aus Sansu berichtet vom Besuch der Angl-Gold-Ashanti-Vertreter:

    "Einmal kamen Leute von der Mine und haben von uns Haar- und Nägelproben genommen. Sie wollten testen, ob sich dort Gifte abgelagert haben, weil die viele Chemie im Wasser uns hier krank macht. Aber sie kamen nicht wieder, wir haben bis heute keine Ergebnisse erhalten."

    Vielleicht sind die Zeiten bald vorbei, in denen die Minenkonzerne wie ein Staat im Staate agieren können. Internationale Menschenrechtsgruppen haben Kampagnen gegen das "Dirty Gold", das Schmutzige Gold, ins Leben gerufen. Sie prangern die Rolle von IWF und Weltbank bei der Kreditvergabe für die Goldkonzerne an und kritisieren die postkolonialen Bedingungen im Minensektor. Denn nur ein Bruchteil der erwirtschafteten Gewinne bleibt in Ghana. Darüber wird auch in den Zeitungen der ehemaligen "Goldküste" zunehmend kritisch berichtet, bestätigt Yao Graham.

    "Ich glaube, es ist ein Umschwenken der öffentlichen Meinung zugunsten der betroffenen Dörfer zu beobachten. Auch die extrem liberalisierten Bedingungen, unter denen es den internationalen Minenbetreibern erlaubt wird, das Gold aus dem Land zu schaffen, werden in Frage gestellt. Die Minengesellschaften kommen nicht mehr mit allem davon, so wie früher. Sie kommen immer noch mit vielem durch, aber es hat sich verändert."

    Auch die Bewohner von Sansu möchten ihr Schicksal nicht mehr einfach ertragen. Sie planen, den ghanaischen Staat zu verklagen, damit er einen Teil der von der Mine gezahlten Steuern in ihr Dorf investiert. Bürgermeister Annan fährt auf Konferenzen und gibt in- und ausländischen Zeitungen Interviews. Immerfort klingelt sein Mobiltelefon.

    "Wir wollen, dass die ganze Welt hört, dass wir Sklaven sind in unserem eigenen Land. Manchmal können wir kaum glauben, dass hier wirklich Gold existiert. Wir fragen uns, ob es gut ist, dass hier bei uns Gold gefunden wurde. Wenn ich unsere Situation betrachte, würde ich eher sagen, dass das Gold ein Fluch für uns ist."