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München
Museum Villa Stuck feiert "Künstlerhaus"

Das Künstlerhaus, so unterstellt man jedenfalls, ist mehr als ein Haus, es atmet mehr Identität des Bewohners als ein normales Wohngebäude für normale Sterbliche. Die Villa Stuck in München ist selbst so eines. Als Jubiläumsprojekt zum 150. Geburtstag Franz von Stucks präsentiert sie jetzt internationale, berühmte Künstlerhäuser.

Von Julian Ignatowitsch | 27.11.2013
    „Das Haus ist der Mensch!“, schrieb der Münchner Autor Fritz von Ostini 1909 nach einem Besuch in der Villa Franz von Stuck. Er war buchstäblich beeindruckt von diesem Haus, das er als "breit und trotzig und selbstbewusst, umweht vom Hauch der Antike und doch modern, monumental, ja prunkvoll" beschrieb - und damit auch den Schöpfer meinte. Stuck hatte die Villa 1897/98 nach eigenen Entwürfen errichten lassen. Am Münchner Prachtboulevard in der Prinzregentenstraße verschmolzen von nun an Leben und Werk, Mensch und Kunst. Wer heute durch die restaurierten Wohn- und Repräsentationsräume, das Alte Atelier und den Künstlergarten der Villa Stuck läuft, bekommt immer noch einen Eindruck davon.
    Wie passend also, dass sich eine Ausstellung - an diesem Ort und im Jahr des 150. Geburtstags des Malers - diesem Thema nun aus internationaler Perspektive nähert. Das Künstlerhaus als Gesamtkunstwerk. In dieser Funktion sei es weitaus mehr als lediglich der pittoreske Wohn- und Arbeitsort eines kreativen Kopfs, sagt die Kuratorin der Ausstellung, Margot Brandlhuber:
    "Wo das Haus sozusagen das schönste Werk des Künstlers ist; wo man sieht, wie sich in einem Haus der ganze geistige Kosmos einer Persönlichkeit entfaltet; wo das Haus das Kreativlabor schlechthin ist; und das wie eine zweite Haut, oder wie ein Abbild des Künstlers zu verstehen ist und von ihm auch in dieser Intention gestaltet wird."
    20 solcher monumentaler Kunstwerke sind in München zu bestaunen: Angefangen bei Sir John Soanes "Dome" in London, entstanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts, bis hin zu Max Ernsts Holzhütte in Arizona, die er in den 1940er Jahren eigenhändig aufbaute. Chronologisch schreitet man durch 150 Jahre Kunstgeschichte von einem Ort zum nächsten. Man überquert – im übertragenen Sinn – den Atlantik, von London nach New York, kehrt wieder zurück, macht einen Abstecher in die Lüneburger Heide und gelangt über die Stationen Marrakesch und Moskau wieder nach Nordamerika. Die Orte sind genauso vielfältig wie ihre Architekturen. Sei es Georgia O'Keeffes "Ghost Ranch", ein Lehmbau im Pueblo-Revival-Stil der indigenen Ureinwohner; William Morris "Red House", als massiver Backsteinbau und Ausdruck der Arts and Crafts-Bewegung, die den Künstler als „mittelalterlichen“ Handwerker begreift; oder Kurt Schwitters „Merzbau“, eine Plastik, inspiriert vom deutschen Dada und Expressionismus, die in den 30er Jahren immer zielloser in seinem Atelier wucherte. (Weniger bekannte Namen wie Gustave Moreau, Mortimer Menpes oder Fernand Khnopff stehen neben Berühmtheiten (ihrer Zeit) wie Louis Comfort Tiffany oder Victor Horta. Die Künstlerhäuser sind auf ihre jeweils eigene Art stilbildend.)
    Das wohl prominenteste Beispiel ist Claude Monet. Bei diesem handle es sich aber nicht um plumpes „name dropping“, sondern es gab gute Gründe, ihn und sein Anwesen in Giverny in die Ausstellung mit einzubeziehen.
    „Monet selber nimmt dort die Rolle des Zeremonienmeisters ein. Er entwickelt ein Besuchsprotokoll für auserwählte Gäste – und das interessante ist, dass diese Pilgerfahrt von Giverny von Monet selbst erdacht ist. Dieses Erlebnis, wenn man in den knallbunten Räumen der Interieurs inmitten von japanischen Farbholzschnitten war und er die Fenster aufstößt, und man hinausblickt in diesen rauschhaft bunten Blumengarten, der in die Farbigkeit der Innenräume wieder hinein flutet. Das sind die Momente, wo man versteht, was Monet dort intendiert hat und wie Werk und Haus und Künstler ganz eng ineinander verflochten sind“
    Aber wie dieses Wechselspiel von Haus, Kunst und Künstler angemessen inszenieren? Keine Frage: Die Zurschaustellung ganzer Bauten und ihrer Einrichtung auf begrenztem Ausstellungsraum, zumal an Wänden, stellt eine große Herausforderung dar – und ist zu Beginn auch etwas gewöhnungsbedürftig. Doch mit großflächigen Fotos und der dazu analogen Anordnung von originalen Möbelstücken, Gemälden und Erläuterungen gelingt es dann doch relativ gut. Eine eigens gestaltete Kulisse mit Ein- und Ausgängen ruft zudem das Gefühl hervor, man gehe tatsächlich von Haus zu Haus. Während man das tut, steigt die Lust möglichst bald an die echten Schauplätze zu reisen … Ach ja, man ist ja bereits an einem dieser echten Schauplätze – und kann ein paar Türen weiter in den historischen Räumen der Villa Stuck gleich mit der ersten Haus-Besichtigung beginnen.