Dienstag, 30. April 2024

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EU-Kandidat Albanien
Kampf gegen die Korruption mit Körper-Kameras

Nachrichten über Korruption, Drogenschmuggel und organisiertes Verbrechen in dem EU-Beitrittskandidat Albanien halten sich hartnäckig. Zudem hat das kleine Adria-Land schon mehrfach Fristen der EU zur Verabschiedung einer Justizreform verstreichen lassen. Doch es tut sich auch was - zum Beispiel bei der früher so verhassten Staatspolizei.

Von Christoph Kersting | 02.08.2016
    Schicht-Ende für Edson Zhoga an diesem Freitag kurz nach 16 Uhr. Der 28-Jährige steuert sein Motorrad über den Parkplatz der Polizeizentrale von Tirana. Er ist froh, in der Sommerhitze endlich seinen Helm abnehmen zu können. Sein letzter Einsatz liegt nur 20 Minuten zurück: ein schwerer Unfall auf einer Ausfallstraße der Hauptstadt, es gab Schwerverletzte, und die Straße musste abgesperrt werden. Der groß gewachsene, zurückhaltende Mann ist Mitglied einer neuen Sondereinheit der albanischen Staatspolizei:
    "Ich gehöre zur Shqiponjë-Einheit, das bedeutet Adler, weil wir auf Motorrädern unterwegs sind. Die Adler gibt es seit einem Jahr, 150 sind wir inzwischen. Wir kümmern uns um die schwierigen Fälle: Raub, Einbrüche, Mord. In meiner Familie ist das eine Tradition, mein Vater war auch schon Polizist. Aber die Polizei hatte bei uns immer ein schlechtes Image, das ändert sich gerade, das spürt man sehr deutlich, die Leute rufen uns und wissen, dass wir kommen, um zu helfen. Wir sind so etwas wie eine neue Generation von Polizisten.”
    Transparenz und Bürgernähe sind auch Begriffe, die Gentian Mullaj gerne in den Mund nimmt, wenn er über die moderne albanische Polizei spricht. Das gehört auch zu seinem Job, denn er ist der Sprecher der Polizei von Tirana. An diesem Nachmittag sitzt Gentian mit einem Kollegen in seinem Büro der Polizeizentrale und bearbeitet Videomaterial eines Großeinsatzes: In der Hafenstadt Durrës westlich von Tirana haben Spezialkräfte am Vorabend 50 Kilo Marihuana sichergestellt, drei Verdächtige verhaftet. Durch die Fenster seines Büros im Erdgeschoss ist der Parkplatz mit den Motorrädern zu sehen, dahinter ein Bürgersteig, auf dem reges Treiben herrscht.
    "Das sah hier früher völlig anders aus, da war eine hohe Mauer. Die haben wir abreißen lassen, um den Leuten zu zeigen: Wir sind für Euch da, Ihr könnt zu uns kommen. Früher waren die Polizei-Stationen in Albanien wie Gefängnisse, heute haben wir fast überall Warteräume für Bürger, die mit einem Anliegen zu uns kommen. Das ist eine Sache. Eine andere Sache ist zum Beispiel, dass zumindest alle Spezialeinheiten Körperkameras tragen, nicht nur zum eigenen Schutz, sondern auch um Vergehen im Dienst zu verhindern, auch die berüchtigte Korruption. Dass wir das dokumentieren, soll Vertrauen schaffen bei den Bürgern.”
    Laut Fortschrittsbericht auf dem richtigen Weg
    Albanien ist in puncto Polizei und innere Sicherheit auf dem richtigen Weg – das hat auch die EU im jüngsten Fortschrittsbericht vom November 2015 festgehalten. Zäher hatte sich da schon die Verabschiedung der längst überfälligen Justizreform gestaltet. Das albanische Parlament hätte sie eigentlich schon im März beschließen sollen. Doch dafür wäre die Unterstützung der nach den regierenden Sozialisten stärksten Fraktion im Parlament vonnöten gewesen: der Abgeordneten der konservativen Demokratischen Partei. Auf Druck aus Brüssel und Washington hat das Parlament die Reform nun tatsächlich vor wenigen Tagen durchgewinkt - ein wichtiger Schritt auf Albaniens Weg in Richtung Europa, betont die EU-Botschafterin in Albanien, die Kroatin Romana Vlahutin.
    "Es klingt bizarr, aber in den 1990er-Jahren stammten noch alle Richter aus der kommunistischen Ära. Man hat dann angefangen Jura-Absolventen in einem sechsmonatigen Crash-Kurs zu Richtern auszubilden. All das hat dazu geführt, dass Korruption bis heute ein riesiges Problem in der Justiz ist. Mit der Justizreform sollen alle Richter künftig ein Prüfverfahren durchlaufen, um Verbindungen zur organisierten Kriminalität aufzudecken und auch, um ihre Einkünfte zu durchleuchten. Es ist kein Geheimnis, dass einige Richter hierzulande zu den reichsten Personen gehören – und das bei einem Gehalt von 800 Euro monatlich.”