Dienstag, 30. April 2024

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Riesen-Mediengruppe in Ungarn
"Es versammeln sich alle Regierungstreuen"

Eine große Stiftung übernimmt in Ungarn die Kontrolle über Hunderte Medientitel, die als regierungsnah gelten. Regierungschef Viktor Orbán schaffe damit eine zentrale Kontrollinstanz, vermutet der ungarische Politikjournalist Márton Gergely im Dlf.

Márton Gergely im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 29.11.2018
    Eine Demonstrantin vor dem ungarischen Parlament trägt 2011 einen Mundschutz mit der Aufschrift "Wir wollen Pressefreiheit".
    "Wir wollen Pressefreiheit" steht auf dem Mundschutz einer Demonstrantin, die 2011 vor dem ungarischen Parlament protestierte. (picture alliance / dpa)
    Nicht einmal 900 Kilometer liegen zwischen Berlin und Budapest – aber was die journalistische Arbeit angeht, sind es Welten. Das zeigt ein Anruf bei einem Budapester Journalisten. Grundsätzlich würde er schon gerne mit "@mediasres" über die Pressefreiheit in seinem Land sprechen, erklärt er am Telefon.
    Trotzdem sagt er das Interview ab: Zu groß erscheint ihm die Gefahr, auf einer der Listen zu landen, mit denen regierungskritische Journalisten in Ungarn an den Pranger gestellt werden – der Journalist sagt, er habe Angst um seine Existenz.
    Neue Stiftung zentralisiert Zeitungen, Zeitschriften und Sender
    Hintergrund der Anfrage ist eine Meldung der Agentur AP, der zufolge in Ungarn eine neue "Zentrale Europäische Presse- und Medienstiftung" die Kontrolle über einen Teil der Presselandschaft übernehmen wird. Demnach haben die Besitzer mehrerer Medienhäuser zahlreiche ihrer Publikationen an die Stiftung gespendet, darunter Nachrichtensender, Internetportale, Boulevard- und Sportblätter sowie sämtliche Lokalblätter des Landes. Auch Radiosender und Magazine sind betroffen.
    Vermutlich sei Regierungschef Viktor Orbán unzufrieden mit den ungarischen Medien, vor allem mit den kritischen, "dass sie immer noch recht lebendig und stark sind, obwohl sie seit Jahren unter enormen wirtschaftlichem Druck leiden", vermutet der Journalist Márton Gergely im Dlf. Er ist Politikredakteur beim ungarischen Nachrichtenmagazin HVG, das nicht von der Zusammenlegung betroffen ist - und bereit, mit dem Dlf zu sprechen.
    Kontrollinstanz für regierungsnahe Medien
    Auch mit seinen eigenen Medien sei Orbán unzufrieden, so Gergelys Vermutung: "Er hat in den letzten zehn Jahren ein Medienimperium aufgebaut mit über 400 verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehsendern, Radiosendern." Die seien teuer und brächten gleichzeitig nicht den von Orbán gewünschten Ertrag. Mit der neuen Zusammenführung schaffe der Politiker Ordnung in seinem eigenen Hinterhof.
    Bis auf eine einzige Zeitung seien alle betroffenen Medien bereits Orbáns Linie verpflichtet gewesen, sagte der Journalist. Durch die neue Stiftung nähere sich die private Medienlandschaft der Struktur der Öffentlich-Rechtlichen an: Dort beliefere schon jetzt eine Nachrichtenredaktion alle Fernseh- und Radiosender, sodass eine einzige Person den Inhalt auf allen Kanälen kontrollieren könne.
    "Wir glauben, das wird jetzt sozusagen wie ein Spiegelbild bei den Privaten ankommen: dass unter dieser Stiftung alle Regierungstreuen sich versammeln und es eine genauso zentrale Kontrollinstanz geben wird, die einerseits sagt, was zu schreiben ist, und was nicht geschrieben werden darf", sagte Gergely im Dlf-Interview. Der AP-Meldung zufolge soll die Stiftung vom regierungstreuen Zeitungsverleger Gábor Liszkay geleitet werden.
    "Das ist spannend, das ist Journalismus"
    Das neue Medienkonglomerat sehe er nicht als Konkurrenz, sagte Gergely: "Regierungspropaganda ist langweilig, öde. Wir wissen, wo ihre Geschichten anfangen und wo sie enden. Sie propagieren immer nur das Bild von Herrn Orbán."
    Anders sieht er sein eigenes Magazin aufgestellt: "Wir beurteilen Geschichten und kommen auf unabhängige Urteile. Und das ist spannend, das ist Journalismus. Propaganda ist nicht spannend, weil man weiß, wer der Böse und wer der Gute ist." Dabei könne Orbán in Geschichten seines Magazins durchaus auch als guter Ministerpräsident dargestellt werden. Aber man schreibe eben auch darüber, was die Regierungspolitiker "gegen den Rechtsstaat unternehmen, wie ihre soziale Kälte ganze Schichten abdriften lässt".
    Grundsätzlich sieht Gergely die Reform nicht als Gefahr für kritische Medien. Es könne aber sein, dass Orbán mit neuen Gesetzen bald die Medien bevorzuge, die in einer Stiftung seien, warnte der Journalist: "Dann ist alles, was gestern geschah, eine reale Gefahr für uns. Heute ist es das noch nicht."