"Wir wollen diesen Zölibat überprüfen"

Dirk Tänzler im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 24.09.2010
Der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Dirk Tänzler, mahnt Veränderungen in der Katholischen Kirche an. Tänzler sagte, seine Organisation wolle im Dialog mit den Bischöfen den Zölibat überprüfen und die Rolle der Frauen in der Kirche stärken.
Jörg Degenhardt: Nicht bissig, aber mit Biss; mit Profil und Selbstbewusstsein – so wünscht sich der Magdeburger Bischof Gerhard Feige seine Kirche. Zugleich bedauerte er zum Abschluss der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz den zunehmenden Eindruck einer Wagenburgmentalität sowie kleinkarierter Machtkämpfe in der Kirche. Mit seinem Wunsch und seinem Bedauern dürfte er nicht alleine dastehen: Die katholische Kirche – nicht nur die in Deutschland – hat massiv Ansehen und Vertrauen eingebüßt, vor allem durch die vielen Missbrauchsfälle. Die Menschen wenden sich ab. Andere wollen sich nicht mit dem Zustand zufriedengeben. Zu denen gehört Dirk Tänzler, er ist Vorsitzender des Bundes der katholischen Jugend, zuständig für Kirchenpolitik, den ökumenischen Kirchentag und die Außendarstellung seiner Organisation. Guten Morgen, Herr Tänzler!

Dirk Tänzler: Schönen guten Morgen, Herr Degenhardt!

Degenhardt: Wie viele Mitglieder sind Ihnen denn die letzten Wochen und Monate abhanden gekommen?

Tänzler: Abhanden gekommen sind uns in den katholischen Jugendverbänden keine Menschen, das muss man wirklich so deutlich sagen. Wir merken allerdings, dass der Druck im Kessel steigt und dass es Veränderungsbedarf gibt, ganz eindeutig.

Degenhardt: Woran merken Sie das?

Tänzler: Das merken wir daran, dass wir immer mehr gedrängt werden und gefragt werden: Was können wir denn als Jugend, was können wir denn als katholische Jugendorganisation auch tun, damit Glaubwürdigkeit von Kirche erreicht wird? Das merken wir daran, dass diskutiert wird: Sollen wir nicht nach Fulda zur Bischofskonferenz fahren und dort auch eine Demonstration oder auf uns aufmerksam machen? Das sind Sachen, die uns bewegen und wo wir sagen: Wir wollen in einen Dialog mit Bischöfen treten, wir wollen mit Bischöfen und müssen mit Bischöfen über Zukunft der Kirche nachdenken.

Degenhardt: Woran liegt das, dass dieser Druck steigt? Hängt das vor allem mit den Missbrauchsfällen zusammen?

Tänzler: Das ist glaube ich ausgelöst durch die Missbrauchsfälle, das ist aber nicht nur das einzige Problem. Wir haben in katholischer Kirche ein Thema hinter dem Thema, ein Thema hinter den Missbrauchsfällen, was wir in den letzten Jahren immer schon wieder reingebracht haben, nämlich die Machtfrage, die Strukturfrage in Kirche. Und das Ganze gilt es zu analysieren, das gilt es auch, wie Bischof Feige es gesagt hat, einfach mal gemeinsam zu schauen, nicht nur in einzelnen kleinen Zirkeln, sondern gemeinsam zu gucken, wie können wir Kirche gestalten, wie können wir dieses Problem auch lösen?

Degenhardt: Was meinen Sie mit der Machtfrage? Ist das vor allem eine Frage des Missbrauchs von Macht?

Tänzler: Das ist sicherlich eine Frage des Missbrauchs von Macht, und das ist Kirche, da wird Kirche unglaubwürdig. Bischof Zollitsch ist in seinem Impulsreferat, glaube ich, hervorragend drauf eingegangen, dass Bischöfe nicht nur Lehrende sind, sondern auch Lernende sein können, auch hören können. Und das ist glaube ich das, was junge Menschen von Klerikern, nicht nur von Bischöfen, erwarten, dass sie glaubwürdig, authentisch, auch jungen Menschen zugeneigt und hörend sein können, und da auch ihre eigene Meinung noch mal überdenken. Und das ist glaube ich ein großes Problem, was wir in der deutschen katholischen Kirche haben.

Degenhardt: Noch mal die Nachfrage: Fühlen sich die Jungen eigentlich ausreichend durch die Älteren zum Beispiel auf der schon erwähnten Bischofskonferenz vertreten?

Tänzler: Das ist nicht die Kategorie, in der glaube ich junge Menschen denken, also sicherlich ist die Deutsche Bischofskonferenz nicht das Vertretungsorgan für junge Menschen an sich in Kirche, sondern wir denken Kirche gemeinschaftlich. Und es gibt eben nicht nur Bischöfe, es gibt nicht nur Kleriker, es gibt auch Laien, und da wollen wir gemeinschaftlich rangehen, und da sind junge katholische Menschen selbstbewusst und glaubwürdig und haben was zu sagen.

Degenhardt: Ihre Organisation, Herr Tänzler, hat schon vor längerer Zeit einen offenen Dialog zu überfälligen Fragen angemahnt. Was ist denn da inzwischen passiert? Nimmt die Kirche etwa die Lebenswirklichkeit junger Menschen inzwischen ernster?

Tänzler: Ich glaube, da ist wirklich was passiert, und wir können das auch ablesen an der Tatsache, dass sich am 4., 5. November ja eine Arbeitstagung vom ZdK und der Deutschen Bischofskonferenz zusammentreffen wird, da wird der BDKJ auch dran beteiligt sein, das war auch gar keine Frage, dass der BDKJ da mitmachen wird und mitmachen muss. Und von daher denke ich, dass die Bischofskonferenz, die Bischöfe, die Kleriker es wahrnehmen, dass es neue Lebensentwürfe, andere Lebensentwürfe gibt, die nicht mehr unbedingt der Sitten- und Morallehre der katholischen Kirche entsprechen, und das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Und Bischof Feige hat ja auch von gebrochenen Biografien gesprochen, auf die man eingehen muss und die man wahrnehmen muss, und das ist glaube ich das, was wir als katholische Jugend auch noch mal reinbringen wollen: Lebenswirklichkeiten, Lebenswelten haben sich verändert, werden sich verändern, und katholische Kirche muss sich dem auch stellen.

Degenhardt: Die Frage kann in diesem Zusammenhang natürlich nicht ausbleiben: Passt der Zölibat noch in unsere Zeit und in eine Kirche, die mit der Zeit gehen will – freilich ohne sich ihr anzupassen?

Tänzler: So wie ich die Bischofskonferenz immer verstanden habe, gilt es also wirklich, das auch zu überprüfen, und wir sprechen da deutlich davon: Wir wollen diesen Zölibat überprüfen, wir wollen auch Zugangsvoraussetzungen für Frauen in geweihte Ämter ermöglichen. Das muss man diskutieren. Wir haben da eine klare Position, dass wir sagen: Wir wollen die Stärkung der Frauen in Kirche erreichen und wollen auch Frauen in geweihte Positionen haben, und das gilt es nun gemeinsam auszuhalten. Wir gehen da nicht mit klaren Forderungen herein und sagen, so muss es sein, sondern wir wollen das halt im Dialog, vor allen Dingen in einem angstfreien Dialog machen. Wenn wir vor Jahren dieses Thema thematisiert hätten, wären wir sofort abgestraft worden, und wir denken, diese Zeit ist vorbei. Wir brauchen einen angstfreien, ehrlichen, offenen Dialog in Kirche.

Degenhardt: "Wir sind Papst", es feierten seinerzeit viele, auch junge Menschen die Wahl eines Deutschen zum Oberhaupt der katholischen Kirche. Wünschten Sie sich manchmal ein klareres Wort von Benedikt, speziell an die jungen Gläubigen oder zu Reformen in der Kirche, oder sind Sie mit Ihrem Papst zufrieden?

Degenhardt: Wir haben uns immer wieder sowohl positiv als auch manchmal negativ zum Verhalten des Papstes geäußert, und wir nehmen in den letzten Monaten deutlich wahr, dass das verändert wurde. Die Situation in England war eine ganz deutliche, dass er deutlich Stellung bezogen hat, auch zu jungen Katholiken hat er deutlich was gesagt, bei den Weltjugendtagen hat er sich deutlich zu Wort gemeldet. Ich glaube, dass es jetzt nicht angesagt ist, sich als allererstes an der Frage der Rolle des Papstes abzuarbeiten, sondern die deutsche Kirche in Deutschland eben zu verändern, und das gilt es gemeinschaftlich zu machen.

Degenhardt: Dirk Tänzler war das, er ist Vorsitzender des Bundes der katholischen Jugend. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Tänzler!

Tänzler: Danke sehr!
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