Arabische Bibliothek Baynatna

Eine Zusammenkunft guter Freunde

Wirbt für arabische Literatur: Muhannad Qaiconie (links) in der Bibliothek Baynatna.
Wirbt für arabische Literatur: Muhannad Qaiconie (links) in der Bibliothek Baynatna. © picture alliance/AP Photo | Jona Kallgren
Von Etienne Röder · 16.12.2020
2016 wurden die arabische Bibliothek Baynatna gegründet. Nun wurde sie zusammen mit dem Kunst- und Kulturmagazin FANN mit dem Kulturförderpreis "Power of the Arts" gewürdigt. Baynatna ist mehr als eine klassische Bibliothek. Sie ist auch ein Begegnungsort – und manchmal ein Konzertsaal.
"Baynatna", das bedeutet "zwischen uns"*), und momentan wirkt die arabische Bibliothek im Herzen Berlins fast wie eine Zusammenkunft richtig guter Freunde, die sich gegenseitig Videos zeigen, sich zwischendurch etwas zu essen bringen lassen, um dann wieder miteinander Musik zu machen.
Denn dafür ist Zeit. Von den über 300 Besuchern, die hier im Monat durchschnittlich herkommen, lässt sich in Pandemiezeiten kaum ein Zehntel blicken. Und so helfen sich die Gründer der Bibliothek selbst über die Zeit.
Ali Hasan ist einer der Initiatoren. Der zeitgenössische Künstler und Musiker aus Syrien schiebt gerade die fahrbaren Bücherregale zur Seite, normalerweise stehen sie im Raum verteilt. "Als wir die Bibliothek vor vier Jahren gegründet haben, brauchten wir Bücherregale, und Studierende der TU haben die für uns gebaut", erklärt Hasan.
Hinter den Regalen lagern jetzt allerlei Utensilien, die bei Bedarf hervorgeholt werden. Neben Lesungen finden hier normalerweise auch Konzerte und Theaterstücke, Ausstellungen oder Kalligrafie-Workshops statt. Die Bibliothek, das ist nur dieser eine große Raum im Erdgeschoss der Berliner Stadtbibliothek unweit des neuen Berliner Schlosses.

Die Lyrik von Mahmoud Darwish

Mitten im Trubel sitzt Muhannad Qaiconie und schaut sich versunken Youtube-Videos von Sabah Fakhri an.
Fakhri kommt wie Muhannad Qaiconie aus Aleppo. "Fakhri ist einer der berühmtesten Sänger klassischer arabischer Musik", sagt Qaiconie. "Mich begeistern diese alten Versformen. Die Musik von heute konzentriert sich nicht so sehr auf die Verse, sondern mehr auf die Beats oder die Melodie. Leider, denn ich liebe Lyrik, besonders die des palästinensischen Lyrikers Mahmoud Darwish.
Ich lese Dir eins vor", sagt er: "'Lob an den hohen Schatten'. Das berührt mich, denn er schreibt über Aleppo":
Was haben Flaggen jemals Gutes gebracht?
Haben sie eine Stadt jemals vor Bomben bewahrt?
Was wollt ihr denn? Souveränität oder Asche?
Und dann erklärt er: "Darwish berührt die großen Themen wie Geschichte, Solidarität und Liebe und gießt sie in eine kräftige Sprache. Er hat eine Weile in Syrien gelebt und immer, wenn er den Namen meiner Stadt erwähnt, berührt mich das."
In Syrien studierte Qaiconie englische Literatur. Nachdem er 2015 nach Berlin gekommen war, machte er seinen Abschluss in Politik und Ethik und baute zeitgleich die Bibliothek mit auf, die die Jahrtausende alte Kulturtradition der arabischen Sprache im Fokus hat.
Aber nicht nur arabischsprachige Gäste kommen in die Bibliothek. Viele der Bände sind zweisprachig und zu den Konzerten, bei denen auch Ali Hasan orientalische Instrumente mit elektrischen Gitarren mischt, kämen schon mal bis zu 200 Gäste. Baynatna, das ist auch Begegnungsort und Kennenlern-Raum.
Der Bücherbestand der Bibliothek speist sich vor allem aus Spenden. Neben Philosophie, Lyrik und Belletristik finden sich auch religiöse Literatur und Kinderbücher. Viele der Bücher stammen aus Privatbeständen.
"Eines Tages besuchte uns ein italienisches Paar, um uns die Bücher ihrer Tochter zu schenken. Die hatte Arabisch gelernt, liebte Poesie und Romane. Doch sie war bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Und für die Seele ihrer Tochter wären sie glücklich, wenn andere nun ihre Bücher lesen könnten. Die Spenden hier kommen alle von Herzen."
*) Redaktioneller Hinweis: Wir haben einen Übersetzungsfehler korrigiert.
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