"Genereller Mindestlohn nicht zielführend"

Moderation: Hanns Ostermann · 18.06.2007
Thüringens Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU) hat die Haltung der Union zum Mindestlohn bekräftigt. Einen generellen Mindestlohn werde es keinesfalls geben, sagte er vor der Sitzung des Koalitionsausschusses. Allerdings sei die Ausweitung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen möglich, erklärte Reinholz.
Hanns Ostermann: So einfach kann man das auch formulieren: wer Rühreier essen will, der muss auch ein paar Eier zerschlagen. Johannes Kahrs sagte das, der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD. Er meinte damit, wenn sich die Union nicht beim Mindestlohn bewege, dann sei der Vorwurf des Neoliberalismus berechtigt. Eine soziale Marktwirtschaft müsse auch die Arbeitnehmer im Auge behalten, und hier duckten sich die Parteien mit dem C im Namen. So Kahrs. - Zurück zum Bild, das ja auch zu dieser Stunde passt. Wie viele Eier kommen denn jetzt in die Pfanne?

Heute berät der Koalitionsausschuss ein Problem, über das seit einem Jahr heftig diskutiert wird.
Jürgen Reinholz von der CDU ist Minister für Wirtschaft, Technologie und Arbeit in Thüringen. Er ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen Herr Reinholz!

Jürgen Reinholz: Schönen guten Morgen Herr Ostermann!

Ostermann: Eine untere Lohngrenze gibt es auf dem Bau und für Gebäudereiniger. Kommen heute Abend beim Koalitionstreffen so um die zehn neue Branchen hinzu?

Reinholz: Das kann man schwer vorhersagen. Wir müssen eines auch im Auge behalten bei dieser ganzen Diskussion um Mindestlohn, dass man da ständig so tut, als wenn die Mindestlöhne einseitig und sittenwidrig auf der Arbeitgeberseite festgelegt würden. Das mag in einzelnen Fällen der Fall sein, aber auf der anderen Seite sollten wir mal nicht aus dem Auge verlieren, dass wir in Deutschland eine gesetzlich verankerte Tarifautonomie haben und dass ein Großteil der Löhne, die jetzt immer wieder als zu niedrig moniert werden, tariflich vereinbarte Löhne sind. Das wird mir für meine Begriffe zu oft aus dem Auge verloren.

Ostermann: Immerhin gibt es viele, die von ihrem Lohn nicht leben können, und wenn bei uns in der Fleischindustrie 15.000 Osteuropäer zu Dumping-Löhnen arbeiten, 5.000 alleine davon in Niedersachsen, dann sind doch Mindestlöhne überfällig, oder sehen Sie das anders als der dortige niedersächsische Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft?

Reinholz: Ich denke man muss sich das ansehen. Wir haben auf der letzten Wirtschaftsministerkonferenz heute vor zwei Wochen auf der Wartburg auch darüber diskutiert und die große Masse meiner Wirtschaftsministerkollegen hat sich eindeutig gegen Mindestlöhne ausgesprochen. Man darf auch eines nicht aus dem Auge verlieren dabei, dass Mindestlöhne natürlich Leute mit niedriger Qualifikation deutlich gefährden würden. Wir würden mit Sicherheit eine Abwanderung nicht produktiver oder niedrig produktiver Produktionsbereiche ins Ausland zu erwarten haben, gerade nach Osteuropa. Wir haben so eine Welle ja schon einmal durch. Und es wäre eine deutliche Gefahr für alle Langzeitarbeitslosen im Osten Deutschlands, die einfach eine niedrige Qualifikation haben und damit keine Chance haben, jemals wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen.

Ostermann: Herr Reinholz, irgendwie weichen Sie mir trotzdem aus. Ich habe ja gerade das Beispiel der Fleischindustrie genannt. Das ist doch nicht in Ordnung, wenn 15.000 Osteuropäer zu Dumping-Löhnen arbeiten und deutsche Arbeiter keine Arbeit finden.

Reinholz: Sie haben es ja selber angesprochen. Die Fleischindustrie ist sicher ein Bereich, der eine relativ niedrige Produktivität hat. Dort werden natürlich relativ niedrige Löhne gezahlt. Damit ist die Gefahr, dass natürlich Osteuropäer in diesen Arbeitsmarkt eindringen. Das werden wir aber ab 2009 deutschlandweit haben.

Ostermann: Und damit ist doch dringend nötig, dieses Entsendegesetz, das jetzt bisher nur für zwei Branchen gilt, weiter auszuweiten?

Reinholz: Das sagte ich am Anfang auch, dass man durchaus darüber nachdenken kann, ob man die eine oder andere Branche, in der vielleicht, wie man das so schön sagt, sittenwidrige Löhne gezahlt werden, in das Entsendegesetz aufnimmt. Dafür haben sich auch die Wirtschaftsminister Deutschlands ausgesprochen. Das muss man miteinander bereden. Aber einen globalen und generellen Mindestlohn für Deutschland zu vereinbaren, halte ich für nicht zielführend, denn dann müsste man andere Dinge auch im Auge behalten. Wer A sagt muss auch B sagen. Dann müsste man auch über Kündigungsschutz und über soziale Absicherung reden.

Ostermann: Ab wann wird in Ihrer Partei eigentlich von sittenwidrigen Löhnen gesprochen?

Reinholz: Als sittenwidrig wird eigentlich bezeichnet, wenn ich einer Region, in einer Branche ein Drittel unter dem branchenüblichen Lohn der Region bin. Dann würde ich durchaus dafür plädieren, dass das sittenwidrig ist.

Ostermann: Sind das die 3,80 Euro für eine Friseurin, oder liegt die noch drüber?

Reinholz: Das muss man sich anschauen. Das hängt sehr von der Region ab. Es ist sicher ein großer Unterschied, ob Sie Friseusen in Berlin betrachten oder auf dem flachen Land in Mecklenburg. Aber wir müssen uns dann natürlich auch als deutsche Dienstleistungsnehmer daran gewöhnen, dass ein höherer Lohn auch umgelegt wird. Dann ist natürlich gerade beim Friseurhandwerk die große Gefahr, dass noch mehr in die Schwarzarbeit abwandert, weil einfach der eine oder andere nicht bereit ist, die höheren Kosten für einen Haarschnitt oder bei einer Frau für die Frauenfrisur zu zahlen und sich deshalb letztendlich am Schwarzmarkt bei einer Friseurin bedient, die das auch gerne tut.

Ostermann: Die Position der CDU-Wirtschaftsminister haben Sie eben angedeutet und auch den Termin damals in Eisenach. Damit würden sich, wenn Mindestlöhne eingeführt würden, die Chancen auf Beschäftigung von Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen verschlechtern. Wenn man jetzt auf der anderen Seite hört, beispielsweise in Brandenburg, dass die Weiterqualifizierungs- oder die Fortbildungsmaßnahmen gekürzt werden, wie passt das alles in eine gerechtere Zeit, sage ich mal?

Reinholz: Da kann ich nun nur für Thüringen sprechen. Wir haben ja ein neues operationelles Programm, eine neue Förderperiode der EU vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2013. Ich habe mich mit Herrn van der Pas, dem Generaldirektor, der für den europäischen Sozialfonds verantwortlich ist, in Brüssel sehr einvernehmlich dazu einigen können, dass wir einen Teil der ESF-Mittel für Qualifizierung und Weiterbildung nutzen, denn ich bin der festen Auffassung, dass die Zeiten, wo man mit 18 einen Beruf gelernt hat, und mit der gleichen Qualifikation mit 65 in Rente geht, vorbei sind. Wir werden gerade auch in den höherqualifizierten Bereichen ständig eine Weiterbildung haben und dafür stellt Thüringen sehr viel Geld zur Verfügung.

Ostermann: Nun kann eine Große Koalition nur dann arbeiten, wenn beide einander entgegen kommen. Verkürzt könnte man sagen: es steht eins zu eins. Beim Anti-Diskriminierungs-Gesetz schluckte die Union die Kröte; bei der Unternehmenssteuerreform mussten einige Sozialdemokraten ein Opfer bringen. Und jetzt? Wie sehr sind beide großen Parteien heute Abend beim Koalitionsausschuss zum Erfolg verdammt?

Reinholz: Ich würde denken es wird keine Einigung zu einem generellen Mindestlohn geben. Das halte ich für unwahrscheinlich. Das ist glaube ich mit der CDU an dieser Stelle nicht zu machen und auch berechtigterweise nicht zu machen. Das sehen auch meine Wirtschaftsministerkollegen so. Aber dass man sich zu der einen oder anderen Branche einigt, die man im Rahmen des Entsendegesetzes dort mit fixiert, das wäre denkbar.

Ostermann: Jürgen Reinholz war das von der CDU. Er ist Minister für Wirtschaft, Technologie und Arbeit in Thüringen. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch in Deutschlandradio Kultur.