Geduld, Gelassenheit, Freude

07.12.2010
Kinder stehen heute stärker unter Druck als früher. Wichtig seien Gegenmodelle zur Konsum- und Leistungsgesellschaft, sagt Ernst Fritz-Schubert. Er zeigt, wie Kinder lernen, an sich zu glauben. Neu ist das alles nicht - aber bitter notwendig.
Spielsüchtig. Alkoholabhängig. Depressiv. Wenn man die Schlagzeilen liest, die sich mit dem Zustand der Jugend beschäftigen, könnte man meinen, nichts als eine Bande von zukünftigen Straftätern vor sich zu haben. Dieses negative Bild aufzubrechen ist eines der wichtigsten Anliegen von Ernst Fritz-Schuberts neuem Buch "Glück kann man lernen. Was unsere Kinder stark fürs Leben macht".

Fritz-Schubert weiß, wovon er spricht. Seit zehn Jahren ist er Schulleiter an einem Wirtschaftsgymnasium und hat dort mit großem Erfolg das Fach "Glück" eingeführt, das den Kindern ein Gefühl für die Voraussetzungen eines gelingenden Lebens mitgeben will. Vor allem aber war der Autor selbst mal ein schwieriges Kind. Nach der mittleren Reife von der Schule abgegangen, dann eine Ausbildung zum Steuerberater und eine immer größer werdende Verzweiflung. Bis der Junge einen Lehrer trifft, der ihn daran erinnert, dass er mehr ist als ein gescheiterter Bürobote.

Die Auswirkungen dieser Ermunterung hat er nie vergessen. Fritz-Schubert fordert deshalb nicht Disziplin, wie andere Pädagogen dieser Tage, er hält auch nichts von Kuschelpädagogik und hilfloser Nachgiebigkeit, sondern es geht ihm darum, die Kinder ernst zu nehmen, an sie zu glauben und sie auf der Suche nach ihrer eigenen Identität zu unterstützen.

Mit klarer einfühlsamer Sprache und großer pädagogischer Glaubwürdigkeit erzählt er von Problemkindern und Lösungen. Wie Kolja, der keine Lust auf gar nichts mehr hatte, durch die Begegnung mit dem Hausmeister wieder Lebensfreude fand. Wie der gescheiterte "Superstar" Cornelius wieder in die Klassengemeinschaft integriert wurde. Oder wie der spielsüchtige Richie eine neue Beziehung zu seiner Familie entwickelte.

Diese und weitere "Fallgeschichten" durchziehen das Buch, das der Autor in vier große Blöcke unterteilt hat. Alles beginnt mit der Diagnose: Kinder stehen heutzutage mehr als zuvor unter Druck; Schulangst und Überforderung sind übliche Folgen. Fritz-Schubert betont, dass es gemeinsame Aufgabe von Eltern und Lehrern sei, Gegenmodelle zur Konsum- und Leistungsgesellschaft aufzuzeigen.

Der zweite Teil ist der Bewältigung von Krisen gewidmet; nur wenn Kinder lernen, für sich selbst einzustehen und mit Frustrationen fertig zu werden, können sie am Leben wachsen. Der dritte Teil beschäftigt sich mit den inneren Stärken der Kinder, die es zu entdecken und zu fördern gilt. Mit vielen Beispielen illustriert der Autor wie Kinder lernen, an sich zu glauben und Hindernisse zu überwinden. Der letzte Teil des Buches beschäftigt sich mit der Glückserziehung; es geht darum, eine optimistische Grundhaltung zu fördern, Geduld und Gelassenheit zu praktizieren und die Freude an den kleinen Dingen des Alltags zu entdecken.

Neu ist das alles nicht, aber trotzdem bitter notwendig in einer Zeit, in der aufwachsende Menschen in noch nie da gewesenem Maße mit virtuellen und realen Verlockungen konfrontiert sind. Fritz-Schuberts Buch ist eine wunderbare Hommage an den gesunden Menschenverstand, welcher die in den Mittelpunkt stellt, um deren Glück es wirklich gehen sollte: die Kinder.

Besprochen von Ariadne von Schirach

Ernst Fritz-Schubert: Glück kann man lernen. Was unsere Kinder stark fürs Leben macht
Ullstein, Berlin 2010
239 Seiten, 19,95 Euro