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Digitale Welt auch an der Kinoleinwand

Es ist ein Abschied auf Raten: Immer mehr Kinos haben ihre alten, analogen Filmprojektoren in den vergangen Monaten komplett durch moderne Digitaltechnik ersetzt. In den nächsten Monaten wollen nun die ersten Filmverleiher die Herstellung der klassischen analogen 35-mm-Filmkopien komplett einstellen.

Von Stefan Römermann | 21.03.2014
    Seit den ersten Filmvorführungen der Brüder Lumière Ende des 19. Jahrhunderts war das charakteristische Rattern der Projektoren eines der Markenzeichen der Kinobranche. Doch das ist bald Geschichte. Denn in einem modernen Vorführraum mit Digitalprojektor klingt es eher wie in einer Fabrikhalle:
    "Was so laut ist, sind die Lüftungen. Die Projektoren selber strahlen eine ganze Menge Hitze ab. Und dadurch muss die Lüftung eben immer mitlaufen. Weil wenn der Projektor eine Durchschnittstemperatur von 30 Grad überwindet, schaltet er sich komplett alleine ab. Dann ist hier tot."
    Erklärt Christian Gisy, Chef der Kinokette Cinemaxx AG. Mitte Juli wurde der letzte Cinemaxx-Saal in Berlin umgebaut. Seither werden in allen Kinos des Unternehmens sämtliche Filme und Werbespots nur noch digital abgespielt. Für das Unternehmen war das eine gewaltige Investition, denn die Umrüstung kostet pro Saal zwischen 50.000 und 100.000 Euro. Außerdem verbrauchen die neuen Projektoren erheblich mehr Strom und müssen vergleichsweise häufig gewartet werden. Dadurch steigen die laufenden Kosten enorm, erklärt Kino-Manager Gisy.
    "Man kann sagen, es hat sich circa verachtfacht. Wenn sie sozusagen eine klassische Renditerechnung zugrunde legen würden: Investitionskosten, Zusatzkosten, etc. und würden dagegen die Ersparnisse aus den Personalkosten nehmen: Die Rechnung geht nicht auf."
    Doch um die Digitalisierung kommen die Kinobetreiber kaum herum, denn ihre Lieferanten, die Filmverleiher, machen seit Jahren Druck, da das Herstellen und Verteilen der analogen Filmkopien extrem teuer ist. Voraussichtlich im Laufe des kommenden Jahres soll damit nun Schluss sein. Neue Filme werden dann in Deutschland nur noch digital ausgeliefert. Probleme werde es dadurch aber nicht geben, verspricht Johannes Klingsporn vom Verband der Filmverleiher. Gab es früher von großen Hollywood-Produktionen teilweise noch über 1000 analoge Kopien alleine für Deutschland, sei die Nachfrage inzwischen ohnehin verschwindend gering.
    "Zehn, 15 vielleicht für den gesamten bundesdeutschen Markt. Das heißt, ich bin da sehr schnell an einer ökonomischen Grenze, wo ich feststelle: Dieses Geld bekomme ich aus der Auswertung nicht wieder zurück."
    Tatsächlich sind deutschlandweit inzwischen rund 80 Prozent aller Kinosäle digitalisiert, die meisten anderen sollen in den nächsten Monaten folgen. Dafür gibt es spezielle Förderprogramme, die vor allem kleineren Häusern helfen sollen. Allerdings müssen die Kinos dafür einen bestimmten Mindestumsatz bringen. Viele Betriebe fallen dabei aber durchs Raster, warnt Christian Breuer, von der AG Kino Gilde, dem Verband der deutschen Filmkunstkinos.
    "Das sind oft Kinos, die vielleicht keinen täglichen Spielbetrieb haben. Das sind Filmclubs, das sind oft Kinos in kleineren Orten, die nicht nur Kinos sind, sondern vielleicht auch noch Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen bieten. Die erreichen diese Umsatzgrenzen nicht."
    Für solche Kinos könnte die Digitalisierung im schlimmsten Fall das Aus bedeuten. Trotzdem bietet eine Umrüstung für die Betreiber auch Chancen. So gab es früher gerade von anspruchsvollen Filmen aus Kostengründen nur wenige analoge Kopien, die dann über Monate zwischen den Programmkinos der Republik hin- und hergeschickt wurden. Solche Filme konnten dann nur in einer Handvoll Kinos gleichzeitig aufgeführt werden. Digitalkopien lassen sich dagegen vergleichsweise einfach und billig herstellen und verteilen, sagt Breuer:
    "Es schafft die Möglichkeit für mehr Programmflexibilität. Und wofür stehen die kleinen Kinos? Viele Kleinkinos zeigen besonders vielfältiges Programm, zeigen auch viele Filme jenseits des Hollywood-Mainstreams: deutsche Filme, europäische Filme. Filme aus aller Welt. Da gibt es erheblich bessere Möglichkeiten, weil es leichter ist, flexibler ist."
    Langfristig könnte die Digitalisierung deshalb die Kinolandschaft in Deutschland sogar beleben, glaubt Breuer.