Macht der Medien im Ukraine-Krieg

Die russische Propaganda wirkt

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Eine russische Fahne hinter einem Gefängnisschloss
Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Russland: Wer von Krieg spricht, riskiert jahrelange Haftstrafen. © IMAGO/IlluPics
Tamina Kutscher im Gespräch mit Gabi Wuttke · 13.03.2022
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Die zunehmende Zensur und Propaganda Moskaus beeinflusst die Haltung der Russen zum Ukraine-Krieg. Unabhängige Meinungen seien kaum noch zugänglich, sagt die Publizistin Tamina Kutscher. Viele Journalisten überlegten, die russische Heimat zu verlassen.
Wissen ist Macht – das gilt auch bei der russischen Invasion in die Ukraine und die damit einhergehende Propaganda Russlands. Durch die Schließung wichtiger Unternehmen der unabhängigen Medienszene, wie etwa der Radiosender Echo Moskwy, werde es für die russische Bevölkerung immer schwieriger, sich anders als über die Staatsmedien zu informieren, erläutert Tamina Kutscher. Kutscher ist Chefredakteurin der Internetplattform dekoder, die unabhängigen russischen und belarussischen Journalistinnen und Jouralisten eine Plattform bietet.

Meinungsvielfalt nur noch für wenige

„Wer jetzt noch einzelne dieser Medien erreichen will, so sie weiterarbeiten, der braucht VPN oder andere technische Finessen, die viele gar nicht haben oder auch nicht kennen.“

Weil viele Medienschaffende vom Osten in den Westen der Ukraine flüchten, habe man ein Zentrum für Pressefreiheit in Lwiw, nahe der polnischen Grenze eingerichtet, sagt Christian Mihr , deutscher Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen.

Man helfe dort mit Schutzausrüstung, biete für Journalistinnen und Journalisten auch Arbeitsplätze mit einer IT-Infrastruktur, sowie psychologische Betreuung. Es gelte, die in den letzten Jahren entstandene lebendige Medienlandschaft der Ukraine zu unterstützen. Dies umfasse sowohl Hilfe beim Umzug in den westlichen Teil der Ukraine als auch für die Einreise nach Deutschland. Bereits jetzt gebe es ein beschleunigtes Visumverfahren der Bundesregierung, Reporter ohne Grenzen helfe mit Auskünften zur Verifizierung von Journalisten.

Nach dem Zensurerlass von Wladimir Putin verlassen auch russische Kollegen ihre Heimat. Viele ziehe es nach Deutschland, weil es dort eine große russische Community gebe, so Mihr.

Schwer zu bewerten sei, ob die staatliche Meldung über die gestiegene Zustimmung der russischen Bevölkerung zum Einmarsch in die Ukraine nicht bloß ein Ergebnis der Propaganda ist, sagt Tamina Kutscher. Bei Meinungsumfragen in autoritären Systemen antworteten viele Menschen oft so, dass sie den staatlichen Erwartungen entsprächen.
Auch das treffe in Russland zu, wo bereits mehr als 15.000 Menschen festgenommen worden seien, weil sie es gewagt hatten, gegen den Krieg zu protestieren.
„Leider muss man davon ausgehen, dass die Propaganda schon auch Wirkung zeigt und es immer noch viele gibt, die – aus welchen Gründen auch immer – bereit sind, ihr zu glauben.“

Staatliche Unterdrückung von Social Media

Auch alternativ Informationen über das Internet zu bekommen, sei für die Bevölkerung schwierig. Dass der US-Konzern Meta (Facebook, Instagram) Hassbotschaften gegen das russische Militär zulasse, habe das Regime in Moskau genutzt, um eine weitere Meinungsquelle zu schließen: Gegen die Plattform sei ein Verfahren eingeleitet worden, um Meta als extremistisch anzuerkennen.
„Das heißt, dass sich jeder, der diese App auf dem Handy hat, im Grunde genommen strafbar macht.“

Verzweifelte Journalisten wandern aus

Viele der unabhängigen Journalisten, mit denen dekoder zusammenarbeitet, hätten das Gefühl, versagt zu haben, weil sie die Entwicklung im Russland-Ukraine-Konflikt nicht früh genug erkannt oder nicht ausreichend gewarnt hätten. In der Sorge um die eigene Sicherheit stellten viele auch die Sinnfrage, sagt Kutscher:
„Manche entscheiden sich, zu gehen, andere wollen erst einmal bleiben. Es ist ja auch keine leichte Entscheidung, einfach das Land und das eigene Leben so zu verlassen.“
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