Angespannter Wohnungsmarkt

Warum Neubau das Problem nicht löst

36:56 Minuten
Blick auf eine Baustelle, auf der gerade mehrere Wohnblöcke entstehen.
Die Geschichte des Wohnungsmarktes zeigt: Auch wenn mehr gebaut wird, finden trotzdem nicht alle Menschen eine Wohnung, argumentiert die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann. © picture alliance / Rupert Oberhäuser
Ulrike Herrmann im Gespräch mit Jana Münkel  · 12.01.2023
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Deutschland steht vor dem größten Wohnungsdefizit seit 30 Jahren. Müssten also deutlich mehr Wohnungen gebaut werden? Nein, sagt die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann: Eigentlich gibt es genug Wohnraum für alle.
In Deutschland fehlen über 700.000 Wohnungen - das ist das größte Wohnungsdefizit seit mehr als 30 Jahren. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Hannoveraner Pestel Instituts und der Kieler Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge), die heute in Berlin vorgestellt wurde. Das Problem wäre lösbar, meint die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann. Allerdings nicht durch Neubauten.

Genug Wohnraum, nur falsch verteilt

Natürlich suchten die Menschen im Moment händeringend nach Wohnungen, sagt Herrmann. "Daraus darf man aber nicht schließen, dass es nicht genug Wohnraum in Deutschland geben würde." Im Durchschnitt stehen jedem inzwischen 47 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. "Das ist mehr als genug." Das Problem besteht laut Herrmann vielmehr darin, dass der Wohnraum falsch verteilt sei - und das in vielfacher Hinsicht.
Arme leben demnach eher in kleinen Wohnungen, Reiche dagegen eher in großen. Manchmal hätten sie sogar mehrere Wohungen, die zum Teil leer stehen, beklagt die Wirtschaftsjournalistin. "Das zweite Problem ist, dass alle in Großstädten leben wollen, weil da die Arbeit ist." Auf dem Land wiederum stünden rund 1,5 Millionen Wohungen leer.

Neubau bedeutet Flächenversiegelung

Um die Frage, wie sich der Wohnraum besser verteilen lasse, habe man sich eigentlich nie gekümmert", sagt Herrmann. Stattdessen habe man "immer nur gedacht, das lösen wir durch Neubau", sagt Herrmann. "Interessanterweise gab es dann trotzdem immer Leute, die keine Wohnung gefunden haben. Nur Neubau hat das Problem bisher nie gelöst."
Auch aus einem anderen Grund findet die Journalistin ständiges Bauen problematisch: "Man muss sich klar machen, dass in Deutschland momentan pro Tag 60 Hektar Fläche versiegelt werden - entweder durch Neubau oder durch Straßen." Dabei werde der unversiegelte Boden dringend zur Speicherung von CO2 oder Wasser gebraucht. "Diese Debatte fehlt völlig, sondern die Idee ist immer: Fehlt eine Wohnung, machen wir einen Neubau."

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Laut Herrmann ist ein Verzicht auf Neubauten auch unter Klimaschützern Konsens. Entscheide sich die Gesellschaft dafür, mit dem verfügbaren Wohnraum auszukommen, sei eine Umverteilungsdiskussion allerdings unumgänglich, "weil es natürlich nicht sein kann, dass 700.000 Menschen keine Wohnung finden und andere mehrere Wohnungen haben".

Immobilienhype verschlimmert das Problem

Statt einer offenen Diskussion darüber sei jedoch leider ein ganz anderer, verhängnisvoller Trend festzustellen - nämlich, "dass die Leute das Gefühl haben, wenn ich ein Haus haben, wenn ich 'Betongold' habe, habe ich mein Vermögen gesichert". Das wiederum heize das Problem zusätzlich an: "Immobilien sind ein zentrales Spekulationsobjekt - was die Mieten treibt, was die Preise treibt und den Wahnsinn noch vergrößert."
(ckü)
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