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Datentools für Schlapphüte

Vergangenen Mittwoch erteilte das Bundeskabinett nach kurzer Diskussion dem Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung seinen Segen. Auch Geheimdienste sollen auf Telefon- und Internetdaten der vergangenen sechs Monate Zugriff erhalten.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering | 21.04.2007
    Manfred Kloiber: Alle Telefon- und Internetdaten sollen demzufolge verdachtsunabhängig sechs Monate lang von den Internet-Providern und Telekommunikationsunternehmen gespeichert werden und von den Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten ausgewertet werden dürfen. Welche Daten konkret sollen denn da gespeichert werden, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Enorm viele Daten werden da gespeichert. Also Rufnummern und Gerätekennungen, Standorte von Mobiltelefonen, Internet-Protokolladressen der Mail-Absender und –Empfänger, Kennungen elektronischer Postfächer, Beginn und Ende von Internetnutzungen, Anschlusskennungen, von denen ins Internet gegangen wurde. Mit anderen Worten, beim Mailen, Internet-Surfen, SMS-Versenden, Mobil- und Festnetztelefonieren werden alle Verbindungsdaten komplett sechs Monate lang gespeichert.

    Kloiber: Da muss ja eine ziemliche Datenflut entstehen. Kann die denn überhaupt noch ausgewertet werden?

    Welchering: Der amerikanische Heimatschutzminister Michael Chertoff ist ja sehr stark an den Daten aus der Telekommunikationsvorratsdatenspeicherung interessiert. Und in seinem Ministerium sind deshalb auch Modelle erarbeitet worden, wie man denn am besten die Daten verarbeitet, die sich aus den Brüsseler Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung in Europa ergeben. Für Deutschland, so haben die Analytiker des Department of Homeland Security errechnet, ergibt sich bei der Auswertung aller Daten, die nach dem Gesetzentwurf über die Vorratsdatenspeicherung anfallen, eine Datenmenge von täglich bis zu einem Terabyte, eine Billion Byte. Da die Daten sechs Monate lang gespeichert werden, fallen also höchstens 180 Terabyte Daten an, die konkret ausgewertet werden müssten. Bei den Sicherheitsbehörden in Deutschland sind dafür Data Mining Center mit Unterstützung amerikanischer Softwarefirmen eingerichtet worden. Ein Data-Mining-Experte, der das für sein Unternehmen beim Bundesnachrichtendienst eingerichtet hat, sagte mir, dass die Mustererkennungssoftware mit den dahinter liegenden Servern auf die Rasterauswertung von vier Terabyte Daten aus den Datensätzen der Vorratsdatenspeicherung innerhalb nur einer Stunde ausgelegt sei. Also mit einer Rasterfahndungsmethode herauszubekommen, von welchen Orten aus hat Peter Welchering während der vergangenen Woche mobil mit seinem Handy telefoniert und so ein Bewegungsprofil zu erstellen, wo hat sich dieser Mensch aufgehalten, ist eine Sache von ungefähr zweieinhalb Stunden. Hierzu müssten ja sieben Tage lang die Gerätekennung des Mobiltelefons und seine jeweiligen Anmeldungen in den Funkzellen ausgewertet werden. Bei einem Aufkommen von bis zu einem Terabyte Daten pro Tag wären das sieben Terabyte, die durchsucht werden müssen, um herauszukriegen, wo war Peter Welchering von Sonntag, den 15., bis Samstag, den 21. April. Vier Terabyte schaffen die Systemen des BND in der Stunde, also liegt der zeitliche Aufwand hier bei knapp zwei Stunden, rein für die Auswertung.

    Kloiber: Liegen denn in einem solchen Fall beispielsweise dem Bundesnachrichtendienst alle Daten schon vor?

    Welchering: Nein, und das ist noch ein Problem. Die Daten müssen jeweils von den Sicherheitsbehörden bei den Providern angefordert werden. Noch weicht auch die Struktur der Datensätze bei den unterschiedlichen Providern voneinander ab. Das wird aber bis zum Jahresende vereinheitlicht. Die Schnittstellen für die Datenübermittlung sind bezüglich der Telekommunikationsdaten schon standardisiert. Bei den Internetverkehrsdaten fehlen solche Standards noch bei den Kopfdaten der einzelnen Datenpäckchen für Electronic Mail. Die so genannten Headerdaten der Mail-Datenpäckchen sind zwar nach dem Internetprotokoll normiert, aber die Provider speichern das noch unterschiedlich ab. Ein zweites Problem sind die Datenleitungen. Im Augenblick können von den Providern zu den Sicherheitsbehörden über die neu installierten Anschlüsse angeblich bis zu zwölf Gigabit pro Sekunde übertragen. Und das ist eindeutig zu wenig. Denn für ein Terabyte veranschlagt man dann gut zwei Stunden Datenübertragung.