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Financial Secrecy Index
Auch Deutschland eine Steueroase?

Alle reden über Panama. Dabei wird Deutschland im "Financial Secrecy Index" der internationalen Organisation "Tax Justice Network" eine weit größere Mitverantwortung an der weltweiten Schattenwirtschaft zugesprochen als etwa Macao, den Marschallinseln oder eben Panama. Die Deutsche Steuergewerkschaft hält die Einstufung für "geradezu absurd".

Von Matthias Götte | 12.04.2016
    Die hell erleuchteten Büros der Bankentürme hinter einer Brücke über den Main in der Dunkelheit.
    Das nächtliche Bankenviertel in Frankfurt am Main (dpa / picture-alliance / Frank Rumpenhorst)
    Das Tax Justice Network ist eine anerkannte Organisation gegen Korruption und arbeitet in Deutschland etwa mit "Transparency International" im "Netzwerk Steuergerechtigkeit" zusammen. In seinem Negativ-Ranking der "Financial Secrecy" für das vergangene Jahr führt das Tax Justice Network Deutschland auf Platz acht. Und wo landet Panama? Auf Platz dreizehn. Angeführt wird das Ranking übrigens von der Schweiz, gefolgt von Hongkong und den USA.
    Bei seiner Einstufung berücksichtigt das Tax Justice Network nicht nur, wie sehr der gesetzliche Rahmen eines einzelnen Landes Schattenwirtschaft ermöglicht. Wäre nur dies ein Kriterium, dann würde die Liste von dem "Failed State" Somalia angeführt. Doch von dort aus wird im internationalen Vergleich kaum Offshore-Wirtschaft betrieben. Die Organisation bewertet deshalb auch, wie groß der Marktanteil des Landes am internationalen Offshore-Finanzmarkt ist, der ja Schattenwirtschaft über Briefkastenfirmen ermöglicht. Und der ist in den USA und in Deutschland nun mal weitaus höher als in vielen der kleinen Steueroasen.
    Der ältere weißhaarige Demonstrant mit Bart trägt einen Zylinder und hält ein Richtungs-Schild mit der Aufschrift "Steueroase" in der Hand. Das Schild ist scharf im Vordergrund, der Kopf des Mannes unscharf.
    Ein Teilnehmer einer Demonstration in Stuttgart gegen Sozialabbau und für mehr Steuergerechtigkeit. (Uwe Anspach dpa)
    "Besorgniserregende Auswahl" an diskreten Anlagemöglichkeiten
    In seiner Begründung für die schlechte Einstufung Deutschlands verweist die Organisation auf zahlreiche Steuerschlupflöcher und ein mangelndes Engagement bei der Bekämpfung von Geldwäsche. Außerdem gebe es in der Bundesrepublik eine "besorgniserregende" Auswahl diskreter Anlagemöglichkeiten und Instrumente wie etwa der Inhaberaktie, die selbst in vielen klassischen Steueroasen bereits seit langem verboten seien. Dazu komme, dass Deutschland beim internationalen Austausch von Steuer-Daten zurückhaltend sei.
    Einstufung Deutschlands "absurd"
    Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft hält diese Einstufung Deutschlands für "geradezu absurd". Ihr Vorsitzender Thomas Eigenthaler sagte dem Deutschlandfunk, es gebe in Deutschland eine rechtsstaatlich verfasste und gut ausgebildete Steuerverwaltung. Hinzu kämen unter anderem Steuerberater, die strengen Regeln verpflichtet seien, und eine Kontrolle durch die Rechnungshöfe in Bund und Ländern. "Was hat dagegen Panama?", fragt Eigenthaler.
    Eigenthaler blickt lächelnd in die Kamera.
    Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. (dpa picture alliance / DStG)
    Der Gewerkschaftsvorsitzende räumt ein, dass die deutschen Steuergesetze kompliziert seien – "aber schlimmer als in Panama?". Zudem seien die Finanzämter zu rund 20 Prozent unterbesetzt, was aber zum Teil durch die gut ausgebildeten Beschäftigten und deren hohe Motivation aufgefangen werde.
    "USA viel rigider als europäische Staaten"
    Auch das schlechtere Ranking der USA gegenüber vielen klassischen Steueroasen zieht die Gewerkschaft in Zweifel – seien es doch gerade die Vereinigten Staaten gewesen, die besonderen Druck auf Steueroasen ausgeübt hätten. Eigenthaler: "Ohne die besondere Hartnäckigkeit der USA wäre es wohl nicht zu einer Weißgeld-Strategie der Schweizer, Liechtensteiner und Luxemburger Bankenwelt gekommen. Die USA sind hier viel rigider vorgegangen als die europäischen Staaten".
    Eigenthaler verweist auch auf die vorgeschriebene finanzielle und steuerliche Transparenz im US-Wahlkampf, wo die Kandidaten "die Hosen runter lassen" müssten. Dies sei schließlich ein Indikator für die Sensibilität der amerikanischen Öffentlichkeit in dieser Frage. Steuerhinterziehung gelte dort eben keineswegs als Kavaliersdelikt.
    Kritik von Tranparency International
    Anders sieht "Transparency International" die Lage in den USA. In einer Stellungnahme gegenüber dem Deutschlandfunk kritisiert die Organisation, in allen US-Bundesstaaten könne man eine Firma gründen, ohne offenlegen zu müssen, wer diese kontrolliere oder ökonomische Vorteile davon habe. Und sei eine Schattenfirma erst einmal eröffnet, könne man in der Folge problemlos auch ein Konto für sie einrichten.
    Barack Obama im US-Kongress bei seiner Rede zur Nation 2014.
    Im US-Kongress wird derzeit ein Gesetz gegen Briefkastenfirmen beraten. (dpa/picture alliance/Jim Lo Scalzo)
    Das könnte sich allerdings ändern: Derzeit wird im US-Kongress ein Gesetz beraten, das die Bundesstaaten verpflichten würde, wichtige Eigentumsinformationen über die Unternehmen zu sammeln. Transparency fordert den Kongress auf, dieses Gesetz umgehend zu verabschieden: "Es sollte für Geldwäscher, Rauschgifthändler, korrupte Beamte und andere Verbrecher auf der Welt nicht so leicht sein, durch das Nutzen von anonymen Schattenfirmen auf das globale Finanzsystem zurückzugreifen."
    Schwerer, einen Bibliotheksausweis zu beantragen
    Shruti Sha vom Transparency-Ableger in den USA hat die Leichtigkeit, mit der in den USA eine Briefkastenfirma eingerichtet werden kann, gegenüber dem britischen "Guardian" anschaulich gemacht: Sie berichtete, wie sie einmal ihren abgelaufenen Ausweis für die örtliche Bibliothek habe erneuern lassen. Damals habe sie dafür ihren Ausweis vorlegen und ihre Wohnadresse angeben müssen. Bei der Einrichtung einer US-Briefkastenfirma sei nicht einmal dies nötig.