Nikolaisaal in Potsdam

Das Geheimnis des perfekten Klangs

Umbauarbeiten im Nikolaisaal in Potsdam (1999)
Umbauarbeiten im Nikolaisaal in Potsdam (1999) © dpa / picture alliance / Karlheinz Schindler
Von Jutta Petermann · 28.12.2015
Mit viel Aufwand wurde der Potsdamer Nikolaisaal vor einigen Jahren umgebaut. Nun soll der Klang auf allen Plätzen gleich gut sein. Die Bauherren wendeten dafür viel technische Raffinesse auf - und verpassten den Wänden kurzerhand ganz besondere "Nasen".
Unglaublich kraftvoll röhrt die Stimme von Milo Milone durch den schmalen, länglichen Nikolaisaal. Dabei ist die Sängerin der Band Rhonda körperlich von sehr zarter Gestalt und verliert sich fast auf der mit Instrumenten vollgestellten Bühne - trotz ihrer schimmernden Bluse und dem langen, blondgelockten Haar. Um sie herum ihre vier Bandkollegen und das Deutsche Filmorchester Babelsberg. Die Babelsberger laden sich regelmäßig Bands zu Pop-Klassik-Cross-Over Konzerten in den Nikolaisaal. Für Milo Milone und Rhonda ist es das erste Mal, dass ihr 60s-Soul-Pop von Streichern umhüllt wird. Der Soundcheck hat gerade angefangen und verfehlt seine Wirkung nicht.
"Wow, das war großartig, ich möchte sagen, dass ich Gänsehaut im Gesicht habe!"
Von der Erscheinung her ist der eher kleine Saal ein ungewöhnlicher Stilmix. Von den vier großen Bühnen-Lampen hängen glitzernde Metall-Kettchen herunter und sorgen für Glamour und Retro-Optik, die gut zum 60er Jahre Stil von Rhonda passt. Die knapp 700 Plätze sind mit einem modernen gräulich-beigen Polster bezogen, bedruckt mit schwarzen Blumen. Das ungewöhnlichste aber sind die Wände. Aus ihnen wölben sich ovale Beulen oder "Eier", die manchmal nur groß wie eine Faust sind, andere haben Armlänge. Der französische Architekt Rudy Ricciotti hat sie im Jahr 2000 beim Umbau des Saales eingearbeitet, erzählt der technische Leiter des Nikolaisaals, Knut Radowski.
"Damals wurde hier ein riesiges Koordinatensytem an die Wand angebracht. Und dann wurde genau festgelegt welches Ei mit welcher Krümmung, die sind ja nicht alle gleich, an welcher Stelle angebracht werden sollte. Das wurde im Computer von einem Franzosen berechnet und es sind auf jeder Seite 76 Eier oder Klangdiffusoren, die sind genau spiegelverkehrt auf der anderen Seite auch nochmal angebracht, so dass der Schall an jeden Platz gleich hingetragen wird."
Der Saal ist, anders als viele der besten Konzertsäle der Welt, von der Form her kein Schuhkarton, sondern ein sich nach hinten leicht öffnender Trichter.
Die Klangdiffusoren verteilen den Klang gleichmäßig
In Kombination mit den Eiern an den Wänden, die fachgerecht Klangdiffusoren heißen, verteilt sich der Schall darin so gleichmäßig. Trotzdem hat der technische Leiter einen Lieblingsplatz und das ist der hinter dem Mischpult ganz oben unter dem Balkon - an dem, wegen der nur sehr leichten Steigung im Saal, die Schallwellen nicht brechen. Aber es gibt auch im Nikolaisaal so etwas wie die besten Plätze.
"Wo sind wir Reihe 12 das ist die beste Reihe eigentlich muss man sagen, da hab ich den guten Blick, einen schönen Klang das ist ausgewogen, da stimmt's eigentlich immer."
Vor allem aber hat der Nikolaisaal neben einem warmen Klang und einer recht kurzen Nachhallzeit von 1,6 Sekunden auch einen ganz eigenen Charakter, den er auch bei den Proben entblößt.
"Der Saal ist sehr ehrlich, also man hört alles, man hört die schiefen Töne, die schönen Töne, das ist nicht wie in der Kirche, wo alles so schön dahin wabert, man hört hier alles."
Das macht die Arbeit für Knut Radowksi und die Tontechniker zum einen schwerer, weil sie vor dem Konzert alle Tücken des Klangs mit allerlei technischen Hilfsmitteln ausbügeln müssen.
"Wir haben jetzt gerade festgestellt, dass die Sängerin, die ist sehr dynamisch in ihrem Gesang sehr laut, sehr leise und wir haben jetzt sofort ein Feedback gehört, also es wird sofort transportiert, das wurschtelt sich nicht unter man hat so eine stehende Welle, sondern zack es ist sofort da, wir haben es sofort gemerkt, sie ist zu laut, wir müssen nochmal nachpegeln um sicher zu sein, das es während des Konzerts nicht passiert."
Unabhängige Klangexperten checken den Sound
Der ehrliche Charakter des Nikolaisaals hilft also auch, vor dem Konzert alles optimal eingestellt und aufgebaut zu haben, so dass bei den Auftritten nur selten böse Überraschungen zu hören sind.
"Phillip, könnt Ihr mir einen Gefallen tun, nimmst Dir mal Simon mit und hinter dem Schlagzeug eine hohe Plexiglaswand aufbauen, das wär nett."
"Wir haben jetzt ein Schlagzeug und können nicht einschätzen, wie laut der Kollege ist, und wir trennen das son bisschen, damit die Cellisten, die hier sitzen oder da hinten beim Gitarren Amp, das wir was davorstellen, damit die Geigen, die da sitzen, jetzt nicht so belästigt werden."
Während des Soundchecks sitzen auch unabhängige Klangexperten in den gräulich-beigen Polstersesseln. Thorsten Scholz ist der Konzertmeister des Deutschen Filmorchesters Babelsberg, Peter Hinderthür und Gunther Papperitz haben die Arrangements für das Konzert von Rhonda und Filmorchester geschrieben.
"Der Saal ist schon für akustische Konzerte in erster Linie ausgerichtet und hat einen ganz brillanten, angenehmen Sound bis nach hinten in die letzten Reihen."
"Für Klassik finde ich ihn hervorragend, bei Cross-Over habe ich so meine Bedenken."
"Der Nikolaisaal zeichnet sich eben dadurch aus, das Cross-Over-Konzerte in Verbindung mit Orchester und Band hier immer wieder stattfinden und auch ein Publikum finden, das finde ich toll."
"Aber das liegt wirklich an den Leuten, die hier arbeiten, die Leute, die hier arbeiten, sind toll und haben Ideen."
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