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Strafrechtler
"Ich würde Edward Snowden von einer Einreise abraten"

In Berlin wird um eine direkte Befragung Edward Snowdens vor dem NSA-Untersuchungsausschuss gestritten. Doch kann man Snowden eigentlich die Einreise nach Deutschland empfehlen? Kai Peters, Experte für internationales Strafrecht, sagte im Deutschlandfunk: "Ich würde ihm von einer Einreise abraten."

Kai Peters im Gespräch mit Silvia Engels | 08.05.2014
    Snowden-Plakate in Köln, 2014
    Snowden-Plakate in Köln, 2014 (picture-alliance / dpa / Henning Kaiser)
    "Die Ausreise aus Russland ohne gültiges Personaldokument, denke ich, wäre ohne Schwierigkeiten möglich. Zumal man vermuten darf, dass vielleicht auch Russland ein Interesse daran hat, Snowden dauerhaft los zu sein", sagte Kai Peters. Einreisen in die Bundesrepublik könne er allerdings nur mit gültiger Einreise- und Aufenthaltserlaubnis.
    Gründe für politisches Asyl "liegen nicht vor"
    Die eigentliche Frage sei jedoch, ob man ihm zu einer Reise nach Deutschland raten würde. Das könne man nur, "wenn Herr Snowden hier vor Auslieferung in die USA sicher wäre und sich auch dauerhaft hier aufhalten dürfte". Diese Sicherheitsgarantie will die Bundesregierung aber nicht geben. "Wäre ich der Anwalt von Herrn Snowden, würde ich ihm von einer Einreise abraten", sagte Peters. Denn es gebe einen Auslieferungsvertrag zwischen Deutschland und den USA. Wie eine Gerichtsentscheidung ausfallen würde, sei "bestenfalls als offen" zu bezeichnen.
    Snowden könnte zwar einen Asylantrag stellen, das würde ihn aber nicht vor Auslieferung schützen. Denn die Voraussetzungen für politisches Asyl in Deutschland würden "nicht vorliegen", so der Experte für internationales Strafrecht.

    Lesen Sie hier das vollständige Interview:
    Silvia Engels: In Berlin tagt der NSA-Untersuchungsausschuss seit dem Vormittag. Die Parlamentarier sind sich nach langem Ringen mittlerweile wohl darüber einig geworden, dass der frühere NSA-Mitarbeiter Edward Snowden tatsächlich als Zeuge gehört werden soll. Er soll ja Aufschluss über den Abhörskandal geben. Doch ob er geladen wird, persönlich nach Deutschland zu kommen, oder ob man andere Formen der Befragung anstrebt, das ist eine der großen offenen Fragen. Gestritten wird um vieles. Mitgehört hat Kai Peters. Er ist Rechtsanwalt und Experte in Fragen des internationalen Strafrechts. Guten Tag, Herr Peters.
    Kai Peters: Guten Tag, Frau Engels.
    Engels: Sie sind nicht der Anwalt von Edward Snowden, aber nehmen wir es mal kurz an. Wir können ja derzeit nur spekulieren. Falls der Bundestags-Untersuchungsausschuss Edward Snowden nicht nur grundsätzlich als Zeugen hören will, sondern sich auch darauf verständigt, ihn explizit doch nach Deutschland zu laden, könnte er denn rein rechtlich betrachtet derzeit überhaupt reisen?
    Peters: Die Ausreise aus Russland ohne gültiges Personaldokument, denke ich, wäre ohne Schwierigkeiten möglich, zumal man vermuten darf, dass vielleicht auch Russland sogar ein Interesse daran hat, Herrn Snowden dauerhaft los zu sein, wenn ich das mal so flapsig formulieren darf. Einreisen in die Bundesrepublik Deutschland könnte er allerdings nur, wenn er eine entsprechende Einreiseerlaubnis und auch eine Aufenthaltserlaubnis hier hätte. Die eigentliche Frage, auf die es ankommt, ist aber: Würde man es Herrn Snowden denn überhaupt raten, nach Deutschland zu reisen, und das ja wohl nur, wenn Herr Snowden hier vor Auslieferung an die USA sicher wäre und sich auch dauerhaft hier aufhalten dürfte.
    Engels: Ohne Sicherheitsgarantie also keine Einreise. Diese Sicherheitsgarantie will aber die Bundesregierung nicht geben. Ist eigentlich damit schon klar, dass er so oder so nicht kommen wird?
    Peters: Na ja, jetzt kann ich natürlich nicht in den Kopf von Herrn Snowden und seinen Anwalt reingucken. Aber wäre ich der Anwalt von Herrn Snowden, würde ich ihm von einer Einreise abraten, denn Fakt ist, es gibt einen Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten, und insofern würden, sofern ihm eine Sicherheit nicht garantiert wird, zunächst mal die Gerichte darüber zu entscheiden haben, ob eine Auslieferung zulässig ist oder nicht, und wie diese Entscheidung ausgeht, ist bestenfalls als offen zu bezeichnen. Eine Einreise hier wäre dann mit erheblichen Unsicherheiten für Herrn Snowden behaftet.
    Engels: Das heißt, wenn man als Zeuge immerhin vor einen Untersuchungsausschuss des deutschen Parlaments geladen wird, hat man als möglicher Zeuge keine Rechtsmöglichkeit, diese Dinge höher zu bewerten oder vor Gerichten überprüfen zu lassen, ob diese Aussage und dementsprechend das damit verbundene sichere Geleit nicht höher zu gewichten ist als Abschiebungsabkommen mit anderen Staaten?
    Peters: Einen Anspruch auf sicheres Geleit hat man nicht. Wenn die Bundesrepublik sicheres Geleit erteilt, dann wird sich Herr Snowden auch darauf verlassen können, dass eine Auslieferung tatsächlich nicht erfolgt im Ergebnis. Aber Herr Snowden wird keine Möglichkeit haben, vor Gericht ein sicheres Geleit zu erstreiten.
    Engels: Wie steht es denn damit, wenn wir noch mal den Fall konstruieren, er käme tatsächlich nach Deutschland? Er weiß ja auch, dass sein Asylstatus in Russland zeitlich befristet ist. Könnte er hier an der Grenze dann einfach einen Asylantrag stellen?
    Peters: Das könnte er machen. Allerdings der bloße Umstand, dass er den Antrag stellt, das würde ihn jetzt noch nicht vor Auslieferung schützen, und ob er hier als Asylrechtsinhaber anerkannt würde, ist zweifelhaft, denn zumindest nach meiner Einschätzung, die ich zugegebenermaßen aus der Ferne treffe, dürften die Voraussetzungen von politischem Asyl nach deutschem Recht nicht vorliegen.
    Engels: Spielt da auch eine Rolle, dass er in einem anderen Staat, nämlich Russland, schon einen Asylstatus hat?
    Peters: Na ja, das kann natürlich ein Indiz dafür sein. Aber letztlich maßgeblich sind die Voraussetzungen, die das deutsche Recht aufstellt, und nach meiner Einschätzung jedenfalls dürften die nicht erfüllt sein.
    Engels: Dann versuchen wir mal, juristisch einen Strich darunter zu machen. Nehmen wir mal an, er wird vom Untersuchungsausschuss nach Deutschland geladen, sind die Hürden so hoch, dass er im Endeffekt nicht kommt?
    Peters: Das halte ich für wahrscheinlicher, als dass er kommt. Jedenfalls wäre es von ihm mutig, sich darauf zu verlassen, dass die Gerichte, sofern sicheres Geleit nicht erteilt wird, letztlich die Auslieferung ablehnen werden. Das ist zwar nicht vollständig ausgeschlossen, aber wie jeder weiß, vor Gericht und auf hoher See sind die Dinge unsicher.
    Engels: Heißt, Edward Snowden bekommt vielleicht von den Parlamentariern de facto den schwarzen Peter zugeschoben, dass er selbst absagen muss, obwohl sie großzügig ihn vielleicht am Ende doch einladen?
    Peters: So könnte man das sehen.
    Engels: Das war ein Interview mit einem Rechtsanwalt und Experten in Fragen des internationalen Strafrechts. Aus Berlin war das Kai Peters. Vielen Dank, dass Sie sich heute Mittag Zeit genommen haben.
    Peters: Bitte schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.