Konzepte gegen Missbrauch an Schulen

Schulen brauchen Hilfe von außen

08:29 Minuten
Das Canisius-Kolleg in Berlin-Tiergarten. Ein graues Schulgebäude, davor ist eine Tafel mit dem Namen der Schule.
Debatte ausgelöst: Nach den Missbrauchsvorwürfen am Canisius-Kolleg wurden Präventionsprogramme ins Leben gerufen. © Picture Alliance / dpa / Schoening
Moderation: Julius Stucke · 14.01.2020
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Nur 13 Prozent der Schulen in Deutschland haben ein Schutzkonzept gegen Missbrauch von Kindern. Eine davon ist die Jordan-Mai-Schule in Gladbeck. Sie hat sich dafür Hilfe von außen geholt – und ein eigenes Unterrichtsfach geschaffen.
Vor zehn Jahren thematisierten ehemalige Schüler des Berliner Canisius-Kollegs erstmals Missbrauchsfälle an ihrer Schule. Daraufhin haben die Kultusminister Empfehlungen zur Vorbeugung und Aufarbeitung von Missbrauchsfällen an Schulen ausgegeben.
Michael Brieler ist Schulleiter der katholischen Jordan-Mai-Schule in Gladbeck, die erste Schule mit einem Schutzkonzept im Bistum Essen. Der Prozess, der 2012/13 nach Missbrauchsfällen in dem Bistum begann, sei sehr lang gewesen, erläutert Brieler.

Wertvolle Arbeit

Man habe dabei keine Hindernisse erlebt, vielmehr sei es "eine sehr solidarische Aktion" gewesen, sagt Brieler. "Wir haben mit allen schulischen Gruppen gesprochen und transparent gemacht, was wir vorhaben. Ich kann nur sagen, eigentlich müsste sich jede Schule auf den Weg machen. Denn wenn wir nur ein Kind retten können, dann ist das Arbeit gewesen, die wir für dieses Kind getan haben."
Schnell sei aufgefallen, dass die Schule Hilfe von außen brauche, berichtet der Pädagoge. Man habe sich daher an Beratungsstellen gewandt. Ein Schritt, den er heute auch allen anderen Schulen empfiehlt, die ein Schutzkonzept erarbeiten wollen. Das unterstreicht auch Psychologe Heinz Kindler vom Deutschen Jugendinstitut.

Unterstützung von außen holen

Das Institut hat jüngst eine Studie vorgestellt, die zu dem Schluss kommt, dass bundesweit lediglich 13 Prozent von 1500 befragten Schulen bisher ein umfassendes Schutzkonzept entwickelt haben. Weitere 3 Prozent kündigten an, sich im laufenden Schuljahr damit befassen zu wollen. Etwa 90 Prozent der Schulen haben bislang keine Risikoanalyse vorgenommen.
Für Kindler steht fest, dass Schulen für ein solches Konzept Unterstützung bräuchten, beispielsweise durch Ansprechpartner in den Schulträgern, Ämtern oder Beratungsstellen. Außerdem bräuchten die Schulen auch Ressourcen, "um sich damit überhaupt beschäftigen zu können". Das gehe nicht einfach nur "on top", unterstreicht Kindler.

Schulfach Soziales Lernen

Für Schulleiter Brieler gebe es eine weitere Erkenntnis: Kinderschutz sei nicht nur auf den Bereich sexueller Missbrauch beschränkt. Daher habe man an der Jordan-Mai-Schule eine Risikoanalyse über die "blinden Flecken" erarbeitet und geschaut, wie diese beseitigt werden können.
Vor zwei Jahren sei zudem ein eigenes Unterrichtsfach eingeführt worden: Soziales Lernen. "Das ist der Bereich, in dem sich wesentliche Bestandteile des Schutzkonzeptes niederschlagen", so Brieler. Die Schüler sollten so gestärkt und ihnen Beschwerdewege eröffnet werden. Das sei auch notwendig, "denn in der Lehrerausbildung ist es nicht normal, dass man mit diesen Themen befasst wird".
Außerdem habe die Schule festgeschrieben, dass es alle paar Jahre eine Fortbildung zum Thema sexueller Missbrauch geben soll. Auch erhielten alle neuen Lehrkräfte eine zweitägige Präventionsschulung. Damit solle das Thema im Kollegium wach gehalten werden.
(rzr)
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