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Qualifizierung
Berufsbezogene Deutschkurse für Flüchtlinge

Sie wären eine Eintrittskarte in den ersten Arbeitsmarkt, doch wer als Flüchtlinge keinen festen Aufenthaltsstatus hat, kann nur an wenigen Deutschkursen teilnehmen. Dazu zählen die "Dialog"-Lehrgänge, die sich ursprünglich an Langzeitarbeitslose mit Migrationshintergrund richteten. Ein solcher Kurs wird am Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft in Leer angeboten.

Von Beate Hinkel | 23.10.2014
    Deutschkurse für Migranten stehen an vielen Orten auch Flüchtlingen offen
    Deutschkurse für Migranten stehen an vielen Orten auch Flüchtlingen offen (dpa/picture-alliance/Marjan Murat)
    "Okay, heute Morgen starten wir noch einmal mit den Artikeln der, die, das. Wann haben Sie den Artikel der? - Kinderwagen, Tourismus. Manchmal bei den Tageszeiten, Monate."
    Sie kommen aus Syrien, dem Irak, Nigeria oder wie der 35-jährige Rukundo Fulgence aus Ruanda. Seit 2009 ist er in Deutschland. Alle drei Monate wird seine Duldung verlängert. Seit Anfang diesen Jahres nimmt er am "Dialog"-Kurs in Leer teil. Sein Ziel:
    "Nach Deutschkurs, ich wollte Automechaniker-Ausbildung machen."
    Ein paar Wörter hat er im Fachunterricht des Kurses dafür schon gelernt:
    "Deutsch ist ein bisschen schwer. Auspuff ich weiß. Motor, Werkzeug, Werkstatt, Kofferraum."
    Erst die Theorie, dann das Praktikum
    Der Kurs läuft über ein halbes Jahr und besteht aus drei Teilen, sagt Lehrerin Katja Bransch. Dem allgemeinen Deutschunterricht und: "Dann gibt es Fachunterricht speziell im Bereich Gastronomie. Da gibt es sehr viel Bedarf in Ostfriesland. Und zum Ende hin haben die Teilnehmer noch ein zweieinhalbwöchiges Praktikum, was sie sich selber aussuchen, wo sie sich selber bewerben."
    250 Langzeitarbeitslose mit Migrationshintergrund aus dem Landkreis Leer, haben seit 2011 am EU-geförderten "Dialog"-Programm teilgenommen. Seit 2012 sind auch Flüchtlinge ohne festen Aufenthaltsstatus dabei. Und das ist etwas Besonderes. Denn ihnen steht in der Regel kein vom Bund geförderter Integrations- und Deutschkurs zu.
    Die Voraussetzungen der 15 Kursteilnehmer sind sehr unterschiedlich. Viele kennen die deutsche Sprache nicht. Nicht alle haben eine Berufsausbildung, andere sind Pfleger, Lehrer, Ingenieure oder Mediendesigner. Katja Bransch und ihre Kollegen bemühen sich, auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen:
    "Wir haben ein Lehrwerk, was sowohl Themen aus dem Alltag als auch aus dem Berufsalltag hat. Und ich versuche Arbeitssituationen aufzuarbeiten, Vorstellungsgespräche, Bewerbung."
    Bestehende Ausbildung wird oft nicht anerkannt
    Doch auch wenn die Kursteilnehmer gut ausgebildet nach Deutschland kommen, haben sie es schwer, beruflich Fuß zu fassen. Das zeigt das Beispiel von Siham. In Marokko hat die 33-Jährige Informatik studiert und in ihrem Beruf gearbeitet. Doch ihr Abschluss wird hier nicht anerkannt. Zwei Jahre hätte sie noch einmal studieren müssen. Das kann sie sich nicht leisten:
    "Von Maßnahme mussten wir zwei Wochen Praktikum von unserem Beruf. Und dann habe ich gesagt, ich guck erst mal Altenpflege, ob das etwas für mich ist oder nicht. Und da habe ich gesagt, okay, das wäre auch ein Beruf für mich."
    Seit April diesen Jahres arbeitet die Informatikerin als Altenpflege-Assistentin in einem Pflegeheim in Leer. Und damit hat sie Glück gehabt, denn immerhin hat sie einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden. Doch nicht nur in der Altenpflege werden dringend Arbeitskräfte gesucht. Auch die IT-Branche kann qualifizierte Kräfte gut gebrauchen.
    Doch nur rund 15 Prozent der Kursteilnehmer finden direkt nach dem Kurs einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Das liegt auch an der schweren deutschen Sprache. Dennoch: Der Deutschkurs biete Migranten und eben auch Flüchtlingen ohne sicheren Aufenthaltsstatus eine große Chance, meint Michael Helbig vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:
    "Ich würde sagen, das ist auf jeden Fall der Schlüssel, die Eintrittskarte in den ersten Arbeitsmarkt."
    300 Bewerber auf einen Platz
    Der vom Europäischen Sozialfonds geförderte Kurs ist begehrt. Derzeit warten im Landkreis Leer rund 300 Flüchtlinge auf einen freien Platz.
    Siham hat sich mit ihrem neuen Beruf arrangiert. Allerdings würde sie sich gerne noch zur Altenpflegefachkraft weiterbilden:
    "Das dauert drei Jahre. Drei Jahre ist okay für mich. Aber ich will erst einmal rein in diesen Beruf, Erfahrung sammeln mit den ganzen Medikamenten und mit den alten Leuten. Und danach habe ich diese Idee in meinem Kopf."