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Unionsstreit über Flüchtlingspolitik
Seehofer versetzt Putin wegen "wichtiger anstehender Entscheidungen"

Als Horst Seehofer Anfang des Jahres Russlands Präsident Putin besuchte, war vom Affront gegen Angela Merkel die Rede. Jetzt sagt der CSU-Chef seine nächste geplante Reise nach Moskau ab - "aufgrund der innenpolitischen Situation in Deutschland".

06.09.2016
    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer
    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer: Zu Merkels Kurs ist "alles gesagt" (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
    Eigentlich wollte sich Horst Seehofer Anfang Oktober auf den Weg nach Russland machen. Zum zweiten Mal innerhalb von acht Monaten. Erst im Februar hatte Russlands Präsident Wladimir Putin den CSU-Vorsitzenden empfangen, als die sogenannte Flüchtlingskrise in Deutschland und die unionsinterne Auseinandersetzung darüber ihren Höhepunkt erreicht hatte; Seehofer war früh auf Kurs gegen die "Wir schaffen das"-Politik der CDU-Kanzlerin gegangen.
    Zuletzt hatten sich die Wellen in dem Unionsstreit dann einigermaßen beruhigt. Doch seit der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern und den Verlusten der Schwesterpartei dort nimmt die CSU einen neuen Anlauf: Die Lage für die Union sei "höchst bedrohlich", merkte Seehofer in der "Süddeutschen Zeitung" an - und dringt einmal mehr auf eine Kursänderung in der Flüchtlingspolitik.
    Die Rückendeckung seiner Partei ist Seehofer in dieser Frage sicher. Ein Jahr vor der Bundestagswahl sei es nun höchste Zeit, tätig zu werden, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Stephan Mayer im Deutschlandfunk. So zu tun, als gäbe es die Ängste der Bevölkerung nicht, wäre "Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten der AfD". Bayerns Finanzminister Markus Söder sprach in den ARD-"Tagesthemen" von einem "Weckruf". Aus einem "Wir schaffen das" solle eher ein "Wir haben verstanden und wir ändern das" werden.
    Roderich Kiesewetter von der CDU verteidigte dagegen die Flüchtlingspolitik seiner Partei. Im Deutschlandfunk forderte er die beiden Unionsparteien auf, stärker zusammenzuhalten. Der Streit sorge für Verunsicherung.
    Kritiker auch innerhalb der CDU
    In der Parlamentsdebatte um den Bundeshaushalt für 2017 an diesem Dienstag zeigte sich jedoch wieder einmal, dass auch innerhalb der CDU der Kurs der Kanzlerin umstritten bleibt. Innenexperte Armin Schuster, einer der lautesten Merkel-Kritiker innerhalb der Regierungspartei, wiederholte seine Forderung nach einer "Kultur des Abschieds" von Asylbewerbern, die nicht bleiben dürften.
    Deutschland habe in der Vergangenheit seine "Kultur des Willkommens überbetont". Schuster sprach sich mit Blick auf ein Verbot der Burka für eine "Wertedebatte" - und gegen diese Form der islamischen Vollverschleierung aus. "Eine Burka möchte ich nicht in diesem Land." Und einen Weihnachtsmarkt müsse man auch Weihnachtsmarkt nennen dürfen. Damit bezog er sich auf Stimmen, die fordern, von "Wintermarkt" zu sprechen, um Andersgläubige nicht auszugrenzen.
    Der Bonner Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber von Regierungspartner SPD warf Schuster daraufhin "Rechtspopulismus" vor.
    Und wie geht es weiter im regierungs- und unionsinternen Streit? An diesem Sonntag kommt es zum Spitzentreffen von Merkel, Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel.
    Bis dahin dürften die Unionsvorsitzenden noch - wie beide immer wieder betonen -, telefonisch das Gespräch suchen. Die Zeit dazu hat Horst Seehofer ja jetzt: Nicht nur seinen Russland-Besuch hat er abgesagt "aufgrund der innenpolitischen Situation und wichtiger anstehender politischer Entscheidungen, die seine Anwesenheit in Bayern und Deutschland erforderlich machen".
    Der 67-Jährige verzichtet auch auf seine Teilnahme an einer anderen traditionellen "Berliner Runde": den für Mittwochabend bevorstehenden Auftakt zum Münchener Oktoberfest in der bayerischen Vertretung in der Bundeshauptstadt.
    (bor/nin)