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Bundesverdienstkreuz für Draghi
Umstrittener Preisträger

Im Vorfeld der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den ehemaligen EZB-Chef Mario Draghi hatte es Kritik gegeben. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte während der Zeremonie dazu auf, die Missverständnisse zwischen der EZB und der deutschen Öffentlichkeit zu überwinden.

Von Stephan Detjen | 31.01.2020
Bundespräsident Steinmeier hält eine Urkunde in der Hand. Ex-EZB-Präsident Draghi zeigt seinen Verdienstorden der Bundesrepublik.
Er haben Klagen gegen die EZB-Politik stets als Chance verstanden, sagte der Mario Draghi (links), bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) (AFP / Tobias Schwarz)
Eine Ordensverleihung fast wie eine Versöhnungszeremonie: Denn das Verhältnis zwischen diesem EZB-Präsidenten und Deutschland, dessen Orden er nun trägt, war von einer besonderen Spannung geprägt. Frank-Walter Steinmeiner erinnerte daran in seiner für solche Anlässe ungewöhnlich politischen Rede, als er, der Bundespräsident, jenen legendären Satz zitiert, mit dem Mario Draghi auf dem Höhepunkt der Euro Krise, am 26. Juli 2012, die Muskeln der EZB spielen ließ:
"'Within our mandate the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the Euro.' - Ihre wirkmächtigsten Worte werden zwar häufig, aber meistens nicht ganz vollständig zitiert. Oft wird Ihr Nebensatz über die Grenzen des Mandats im Zitat vergessen, obwohl er genauso wichtig ist. Die Macht des Wortes hängt eben an der Macht des Rechts. Und auch deshalb, verehrter Herr Draghi, finde ich den Spitznamen `Super Mario´, den Ihnen einige Fans verpasst haben, wenig zutreffend."
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Erstmals seit 2003 stellt die Notenbank ihre Strategie auf den Prüfstand. Im Zentrum steht die Inflationsrate, die bislang bei etwa zwei Prozent liegen soll – doch dieses Ziel wird seit Jahren verfehlt.
Die Grenzen des Mandats als Bindung an das Recht – dieses Amtsverständnis hat Draghi nach den Worten des Bundespräsidenten auch mit Deutschland stets verbunden. Hitzige Diskussionen seien vor diesem Hintergrund kein Zeichen von Schwäche, sondern der Ernsthaftigkeit von Entscheidungsträgern im Ringen um die Stabilität der gemeinsamen Währung. Steinmeier appellierte auch mit Blick auf die Zukunft:
"Mich besorgt das leichtfertige Fingerzeigen auf Frankfurt. Wir haben nur eine EZB. Deutschland braucht die EZB, und die EZB braucht Deutschland. Deshalb hoffe ich, dass wir wieder zu einer Auseinandersetzung finden, die ernst und deutlich in der Sache ist, aber sachlich bleibt. Ich wünsche mir, dass es gelingt, die Missverständnisse und, ja, auch die gelegentliche Sprachlosigkeit zwischen der EZB und der deutschen Öffentlichkeit zu überwinden."
Draghi: "Mut verloren, alles verloren"
Wie sehr Mario Draghi bis heute eine Reizfigur in Deutschland ist, war auch im Vorfeld der Ordensverleihung deutlich geworden: Draghis Geldpolitik habe deutsche Sparer enteignet, hieß es aus CSU, der ehemalige EZB-Chef habe die Auszeichnung nicht verdient. Mario Draghi selbst sprach in seiner Dankesrede die schärfste Form der Kritik an, die mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof ausgedrückt worden war.
"Ich habe Klagen vor den Gerichten immer als eine Chance verstanden, denn sie führen zu Klarheit."
In den bisherigen Verfahren ist der von Draghi geleitete Kurs der EZB in letzter Instanz stets für rechtskonform erklärt worden. Nach wie vor aber ist ein Verfahren über die umstrittenen Anleihekauf-Programme beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Wissen, Zurückhaltung und Mut habe er stets als wichtigsten Tugenden für sein Amt empfunden, sagte Draghi und zitierte die Inschrift eines deutschen Kriegerdenkmals, die sein Vater ihm einst auf Deutsch gelehrt habe:
"Mut verloren, alles verloren. Da wäre es besser, du wärst nicht geboren. I will just briefly paraphrase this in English. If you have lost courage, you lost everything. And frankly, it took same courage to read this in German, by the way…"
Es habe ihn einigen Mut gekostet, dieses Zitat auf Deutsch vorzutragen, bekannte Draghi und hatte in diesem Moment erkennbar die Sympathien der Gäste im Berliner Schloss Bellevue auf seiner Seite, darunter auch die Bundeskanzlerin, Angela Merkel.